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Mit starrem Blick sah ich durch das Wohnzimmerfenster Hinaus auf den von Straßenlaternen beleuchteten Asphalt. Beverly war bereits gegangen, der Kamin knisterte noch immer leise im Hintergrund und warf flackernde Schatten auf die Wände. Doch trotz der Wärme des Feuers spürte ich eine Kälte, die von innen kam.
So sehr hatte ich mich an Patrick's Anwesenheit gewöhnt, dass mich nun, da er weg war, ein unangenehmes Gefühl der Leere überkam.
Es war nicht nur, dass er verschwunden war; er hatte keine Nachricht hinterlassen, keinen Hinweis auf seinen Aufenthaltsort.
Sein plötzliches Verschwinden erinnerte mich an die Unsicherheit meiner Vergangenheit, an Momente, in denen ich schon alleine gelassen worden war.

Ein schwerer Seufzer etwich meinen Lippen, als ich die kalte Abendluft spürte, die durch das geöffnete Fenster drang. Es war, als würde ich ihn tatsächlich vermissen..
Verzweifelt schlang ich meine Arme um mich selbst und versuchte, mich an die Wärme des Kamins zu klammern.
Dann Plötzlich; ein entferntes Geräusch ließ mich aufhorchen. Ich zögerte einen Moment, bevor ich mich aus dem Fenster lehnte, um hinaus in die Dunkelheit zu starren. Aber da war nichts, nur der leise Gesang des Windes und das Rascheln der Blätter.

Mit einem seufzen, lehnte ich mich gegen die kalte Fensterscheibe und ließ meinen Blick erneut über die nächtliche Landschaft schweifen. Das monotone Summen der Stille wurde nun nur von meinem eigenen Atmen durchbrochen. In der Ferne konnte ich das schwache Licht eines entfernten Hauses erkennen, während beinahe der Rest der Welt in Dunkelheit gehüllt war.
"Patrick...", murmelte ich, meine Stimme von Verzweiflung geprägt. Es war tatsächlich so, als würde ich ihn wirklich vermissen... Ich spürte eine tiefe Leere in mir, die ich nicht ignorieren konnte.

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken. "Wo bist du?", fragte ich leise in die Dunkelheit hinaus. Ich fühlte mich überfordert, gefangen zwischen der Angst um Patrick und meiner eigenen Unfähigkeit zu wissen, was ich fühlte. Jedoch jeder Moment, den ich ohne ihn verbrachte, verstärkte nur das Gefühl der Leere und des Verlusts.
Mit einem weiteren schweren Seufzen zog ich mich zurück, die Dunkelheit hinter mir lassend, aber das Gefühl der Einsamkeit blieb. Leider musste ich mir eingestehen, dass ich Patrick vermisste, aber ich wusste auch, dass ich mich selbst vermisste. Ich sehnte mich nach einem Weg, mich selbst wiederzufinden. Und ich wusste, dass Patrick mir dabei helfen konnte. Ich brauchte ihn.

×××

Es war der Mittwoch der dritten Ferienwoche.
Gegen Nachmittag hatte das Telefon geklingelt und Bill war dran gewesen. Er wollte, dass sich alle Losers heute Abend bei sich trafen, um zu versuchen, sich wieder zu vertragen.
Zwar war ich nicht dabei gewesen, als der Streit passiert war, aber Bill hatte ausdrücklich auch nach meinem Erscheinen verlangt.
Also machte ich mich gegen Abend rum fertig, zog mir mein dunkelrotes Langarmkleid und weiße Strumpfhosen an, flocht meine Haare in einen lockeren Zopf und schwang mich auf das Fahrrad meiner Mutter. Mein eigenes dümpelte immernoch nach Wochen im Wald herum. Jeden Tag sagte ich mir, heute würde ich es abholen, tat es dann aber doch nicht.

×××

An Bill's Haus angekommen, stellte ich überrascht fest, dass tatsächlich sechs Fahrräder vor der Garage lagen. Bill's Fahrrad 'Silver' stand vermutlich in der Garage.
Ich klingelte und Bill öffnete.
"C-cool, dass du es auch gesch-schafft hast", begrüßte er mich mit einem schwachen Lächeln. Er führte mich in's Wohnzimmer, wo der Rest der Loser bereits war.

Bill's Wohnzimmer war nur schwach beleuchtet. Die Jalousien waren geschlossen, nur der flackernde Lichtschein einer alten Tischlampe warf gespenstische Schatten auf die Wände. Einige der Losers saßen auf dem Sofa, so wie ich, andere auf dem Boden. Die Atmosphäre war angespannt und die Stimmung gedämpft, als Bill anfing zu sprechen: "W-wir müssen reden! Ich weiß, wir ha-haben uns alle verletzt und w-w-wir haben Fehler gemacht. Aber wir sind d-der Losers-Club. U-und das bedeutet etwas!" Ernst blickte er in die Runde.
Wir alle schwiegen, ein paar von uns den Blick auf den Boden gerichtet. Dann durchbrach Beverly die Stille: "Bill hat recht! Wir können nicht einfach auseinanderfallen. Wir müssen wirklich darüber reden, Leute!"
Ein sarkastisches Seufzen kam von Richie. "Oh großartig. Ein 'Wir müssen reden'-Moment. Was kommt als nächstes? Ein Kaffeklatsch?", entgegnete er mit einem ironischen Unterton.
"Es ist wichtig, Richie", warf ich ein "Also sei nicht so zynisch!"
Wütend schob sich Richie die Brille weiter auf die Nase. "Du warst doch garnicht dabei, also was mischst du dich jetzt hier ein?!", gab er giftig zurück. Mit einem Satz sprang Stan von seinem Sessel auf und blickte Richie wütend von oben herab an. "Siehst du? Genau deswegen sind wir in dieser Situation. Weil du ein so mieses Großmaul bist. Außerdem hat Allie dir gar nicht's getan!"

Sanft griff ich nach Stan's Arm und sah ihm in die Augen, um ihn zu beruhigen. Er ging darauf ein und ließ sich von mir zurück in den Sessel ziehen. Irgendwie fand ich es süß, dass er mich verteidigte, aber in dieser Situation war es nicht wirklich hilfreich.
"Wir sollten uns wirklich alle beruhigen und darüber nachdenken!", meinte Beverly. Zustimmendes gemurmel ging durch den Raum. Nur Richie und Eddie schienen nicht der gleichen Meinung zu sein.
"Ja, ja, ich versteh schon!", sagte Richie erneut sarkastisch " 'Kumbaya, mein Herr', und so weiter, richtig?"
"Ich.. ich bin mir nicht sicher", kam es zögerlich von Eddie "Meine Mutter meint halt...", weiter redete er nicht. Trotzdem verstanden wir alle, worauf er hinaus wollte.

"Es tut mir leid". Überrascht sah ich Stan an, der traurig in seinen Schoß starrte. "Allie, und auch ihr anderen.. ich hoffe ihr wisst, dass ich das nicht wollte!"
"Es ist okay, Stan", versicherte ich ihm und legte meine Hand auf die Seine. Er blickte auf und sah mich an. "Wir alle haben Fehler gemacht", ergänzte ich und lächelte ihn sanft an.
"Genau", warf Mike ein und klatschte entschlossen in die Hände "Und genau deswegen sind wir ja hier"
"Wir müssen uns gegenseitig vertrauen können", stand Ben ihm bei "Wenn wir ES besiegen wollen, müssen wir zusammenstehen"

Eine kurze Stille legte sich über den Raum. Jeder von uns schien in Gedanken versunken und überlegte die Worte und Taten der letzten Zeit.
"Wir m-müssen unsere Differ-r-renzen beiseite legen", erklärte Bill dann bestimmt, trotz seines Stotterns "Es geht um mehr als nur u-uns. Es geht um alles, w-wofür wir stehen"
"Also gut", seufzte Richie, wenn auch leicht genervt "Für den Club und so"
"Für den Club", murmelte Eddie zögerlich. Einer nach dem anderen, nickten wir zustimmend. Die Versöhnung war vielleicht noch nicht vollständig, aber es war ein Anfang.

×××

Es war Zeit zu gehen. Die Nacht hatte bereits begonnen und allmählich wurde jeder von uns müde.
Gerade hatte ich das Fahrrad von der steinigen Einfahrt der Denbrough's aufgehoben, als Stan auf mich zukam.
"Kann ich- kann ich dich nachhause begleiten?", fragte er zögerlich.
"Klar", entgegnete ich verwundert "Aber, musst du nicht eigentlich in eine ganz andere Richtung?"
Er machte eine Bewegung, die eine Mischung aus Kopfnicken und Achselzucken war, als ob er 'Ja, na und?' sagen wollte.

Die ersten paar Hundert Meter, schoben wir bloß schweigend unsere Fahrräder nebeneinander her.
Schließlich aber durchbrach Stan das Schweigen mit einem Räuspern.
"Äh... Dein- dein Kleid, eh.. du siehst wirklich hübsch aus", stammelte er. Ich spürte, wie meine Wangen rosig wurden. "Danke", erwiederte ich verlegen.

Wieder schwiegen wir einige Minuten lang, bis Stan sich erneut zu Wort meldete: "Allie, ich... ich hab' dir ja schonmal gesagt, dass ich dich wirklich, wirklich gerne mag. Und ich möchte, dass du weißt-". Er unterbrach sich selbst, als er merkte, dass ich stehen geblieben war. An einer Straßenlaterne befestigt, wehte eine Vermisstenanzeige von Patrick im Wind. Ich konnte nicht anders, als stehen zu bleiben und dieses Poster zu begutachten. Wo war er nur..?
Das Bild auf dem Poster, entsprach förmlich Null seiner wahren Erscheinung. Es war fahl und ausdruckslos, ganz anders als der Patrick, den ich kennengelernt hatte.

"Oh, ich verstehe", kam es von Stan. Aus meinen Gedanken gerissen, sah ich ihn an. "Hm?", machte ich und setzte einen fragenden Gesichtsausdruck auf.
"Du empfindest etwas für den, oder?", fragte er mit brechender Stimme.
"Was? Für Patrick? Nein. Ich hab bloß.." Ich schluckte. War das denn wirklich die Wahrheit? Gedanken verloren sah ich hinab zu meinem Handrücken. Im Schein der Laterne konnte man die verheilte Narbe gut erkennen.

War es die Wahrheit?

"Du solltest wissen", begann Stan erneut, etwas bitteres lag in seiner Stimme, als er näher auf mich zu kam "Dass es Leute gibt, die sich wirklich um dich Sorgen". Mein Blick wanderte hoch, zu seinem Gesicht. Trotz seines bitteren Tonfalls, war sein Gesicht sanft, wenn auch mit Besorgnis erfüllt.

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I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt