Fassungslos starrte ich auf die verknitterte Notiz in meiner zitternden Hand. Wieder schoss mir die gleiche Frage wie so häufig durch den Kopf; Was hatte er vor?
Und was sollte ich jetzt tun? Wenn es nach meinem Verstand gehen würde, würde ich einfach nicht raus gehen um ihn zu treffen. Natürlich wollte ich wissen, was er von mir wollte und warum er mich dorthin bestellte, aber es wäre dumm, diesem nachzugehen. Doch mein Gefühl sagte mir, dass es verehrende Folgen haben würde, wenn ich nicht um halb Neun an dieser Brücke auftauchen würde.
Mit einem Seitenblick auf meine verletzte Hand wusste ich, dass ich das nicht wollte.
Doch was war, wenn Patrick einen Hinterhalt geplant hatte und ich diesmal wirklich entführt wurde?
So oder so würde nichts positives für mich dabei herauskommen, dachte ich. Schließlich ging es hier um Patrick Hockstetter...Nach weiterem langen hin und her Grübeln, entschied ich mich dazu, seiner 'Bitte' nachzugehen, denn ich kam zum Schluss, dass es wahrscheinlich schlimmer für mich aussah, wenn ich es nicht tun würde.
Verbittert knüllte ich das Papier in meiner gesunden Hand zusammen und ließ es zu Boden fallen.
Dieser Junge... immer wieder schaffte er es, das zu bekommen, was er wollte.
Mistkerl!Um fünf Minuten vor halb Neun, stieg ich leise die Treppe hinab, da ich nicht erwischt werden wollte, wenn ich das Haus verließ. Mir war es nicht verboten um diese Zeit nochmal rauszugehen, dennoch würde ich gefragt werden, würde man mich sehen. Und es wäre nicht gerade vorteilhaft für mich, wenn ich erklären müsste, warum ich mich Abends mit einem Jungen traf. Und das auch noch an der Brücke, wo sich meistens Pärchen aufhielten.
Es war ja schon merkwürdig genug, warum er überhaupt an so einem Ort auf mich warten wollte, doch ich hatte mich dazu entschieden, es einfach nicht zu hinterfragen. Es würde sich ja doch nicht lohnen.Draussen war es noch einigermaßen hell, obwohl die Sonne schon sehr tief am Himmel stand. Mit jeder Minute die verging, wurde es aber dunkler. Ich würde es nicht rechtzeitig zum Treffpunkt schaffen, aber beeilen wollte ich mich auch nicht. Ich war dankbar für jede Sekunde, die ich nicht mit Patrick verbringen musste.
Der Himmel war dunkellila, als ich an der Brücke ankam. Schon von weitem sah ich Patrick lässig an einem Holzpfeiler lehnend, wie er mit seinem Feuerzeug spielte. Immer wieder beleuchtete das Licht der Flamme sein blasses Gesicht, ging dann wieder aus nur um wenige Sekunden später wieder aufzuleuchten.
Als ich näher kam, sah er auf. Ein schiefes Lächeln umspielte seine Lippen, während er sein Feuerzeug erneut zuklappte. Schon fast elegant, stieß er sich leicht von dem Pfeiler ab und kam auf mich zu.
"Du bist zu spät", sagte er und kam näher. Fast hätte ich gesagt 'Ist mir egal', jedoch konnte ich mich von dieser Dummheit abhalten.
Weniger als einen halben Meter von mir entfernt, blieb er stehen und sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu mir hinunter. "Ich mag es nicht besonders gerne, wenn man mich warten lässt!", sagte er so leise, dass es schon fast ein Flüstern war. Es klang zwar wie eine Drohung, doch fühlte es sich nicht an wie eine.
'Was willst du?', wollte ich fragen, aber mein Mund wollte sich nicht öffnen, also stand ich einfach nur vor ihm und sah ihn an.Stille...
Ununterbrochen sah er mir in die Augen. Erst nach einer kurzen Weile wanderte sein Blick weiter an mir hinunter und blieb letztendlich an der Hand mit dem Verband hängen. Ich sah, wie er seine Hand danach ausstreckte. Instinktiv wich ich vor ihm weg, schließlich hatte ich keine sehr guten Erfahrungen damit gemacht, wenn er das tat. Doch er lächelte bloß und griff erneut nach meiner Hand. Und aus irgendeinem Grund ließ ich es dann doch zu. Vermutlich, weil ich mich wiedermal nicht bewegen konnte. Mein Körper sollte es sich abgewöhnen, mich in den unmöglichsten Momenten in eine Schockstarre zu versetzen.
Sanft, schon fast liebevoll, nahm er meine Hand in die seine und begutachtete sie.
"Ich hatte eigentlich nicht vorgehabt, dich zu verletzen", erklärte er, ohne seinen Blick von meiner bandagierten Hand zu nehmen. Überrascht sah ich ihn an. Diesen Satz hätte ich niemals von ihm erwartet. Er lachte kurz und leise auf "Heh, Naja... Henry hat mich aber sogesehen dazu gebracht"
Klar, dachte ich verächtlich. Bowers hatte ihn jetzt aber nicht wirklich dazu überreden müssen.
Und dennoch... Konnte es wirklich sein? War Patrick vielleicht doch garnicht so schlimm wie er sich sonst immer gab?
Tatsächlich hätte ich ihm das fast geglaubt, doch sein Blick hatte sich verändert. Aus dem eben noch so sanften Lächeln, war ein psychotisches Grinsen geworden. "Zugegeben aber, ich habe es genossen!"Natürlich! Wie konnte ich auch nur denken, dass er wirklich ein vernünftiger Mensch sein konnte?
Erschrocken von dieser plötzlichen Wandlung der Dinge, zog ich meine Hand von ihm weg und entfehrnte mich einige Schritte nach hinten. Entgeistert sah ich ihn an.
"Was soll das alles?", kam es endlich aus meinem Mund. Zorn, Angst und Verwirrung lagen in meiner Stimme.
Patrick versuchte, wieder näher zu mir zu kommen, aber ich wich weiter vor ihm zurück.
"Henry hat es dir doch Gestern erklärt", entgegnete er "Mit diesem Schnitt habe ich dich 'Markiert'. Du gehörst jetzt zu mir!"×××
Ich rannte.
Zwar wusste ich nicht, wo ich lang lief, doch das war mir in diesem Augenblick egal! Alles was ich wollte war, so weit wie möglich weg von Patrick zu sein.
Einige Minuten meinte ich ihn aus dem Augenwinkel zu sehen, doch irgendwann gab er auf. Hoffte ich jedenfalls.
Meine Hüften stachen und mein Atem ging schnell und unkontrolliert. Die kalte Nachtluft schnitt mir schmerzhaft durch die Lungen. Meine Füße taten weh und meine Ausdauer war längst aufgebraucht. Aber ich rannte einfach weiter.
Sowas hätte ich schon früher machen sollen. Einfach vor Patrick weglaufen. Das war das schlauste, was man machen konnte, dachte ich.Nach einiger Zeit spürte ich, wie mich meine Kraft endgültig verließ. Es war Stockdunkel und ich wusste nicht, wo ich war, dennoch blieb ich stehen. Erschöpft ließ ich mich auf die Knie sinken und schnappte verzweifelt nach Luft.
Dann plötzlich, spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ich erschrack so heftig, dass ich schrie.
Hatte Patrick mich eingeholt? Oder noch schlimmer; war es ES?"Hey! Hey, alles ist gut!", versuchte mich die Person zu beruhigen. Die Stimme war sanft, aber auch tief. Und ich kannte sie irgendwo her. Vorsichtig nahm ich die Hände von meinem Gesicht, da ich sie eben vor Angst auf meine Augen gedrückt hatte.
Vor mir war die Gestalt eines Jungen, aber ich erkannte ihn nicht, da es dunkel war.
Der Junge sprach erneut: "Es ist alles gut! Ich bin's nur"."S-stan?", stotterte ich. Meine Augen gewöhnten sich allmählich an die Dunkelheit und tatsächlich. Vor mir erkannte ich Stan's Lockenkopf und sein besorgt lächelndes Gesicht.
Aber wenn er hier war und ich hier war, bedeutete das, dass ich fast am anderen Ende von Derry war... Wenn ich denn wirklich am Block war, in dem er wohnte.
"Was machst du hier?", fragte er mich. "Was ist denn überhaupt passiert"
"Ich - also äh", begann ich stammelnd. Komplett überfordert von der Situation und allem anderen auch, konnte ich kein klares Wort mehr sprechen. "Der Zettel.. und-und ich war an der Brücke und d-dann war.. ich meine ich konnte nicht- was ich sagen will ehm..".
"Hey, alles ist gut!" Beruhigend lächelte Stan mir zu "Steh erstmal auf!", sagte er und reichte mir seine Hand.
"Es ist kalt hier draussen", sprach er weiter "Wir sollten rein gehen!" Er deutete auf ein kleines Häuschen in der Nähe, in dem bloß ein Licht an der Vordertür brannte.
"Aber - ist das denn in Ordung für deine Eltern?", erkundigte ich mich.
Er winkte ab: "Jaja, die sind sowieso nicht da"Drinnen war es gemütlich und warm. In einem alten verrußten Kamin, flackerte ein Feuer, welches das Wohnzimmer der Familie Uris in ein orangenes Licht tauchte.
Stan setzte sich auf das braune Sofa in der Mitte des Raumes, welches mit weißen Spitzendeckchen geschmückt war, und wies mir an, mich neben ihn zu setzten, was ich tat.
Trotz der gemütlichen Atmosphäre, zitterte ich noch immer am ganzen Leib vor Schock.
"Kannst du mir jetzt erzählen, was passiert ist?", fragte Stan erneut nach einer kurzen weile. Ich nickte und versuchte mich zu sammeln, um das soeben Erlebte zu erzählen.×××
"Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.. Stan, ich habe Angst!" Tränen bildeten sich in meinen Augen, als ich die Geschichte mit diesen Sätzen abschloss.
Stan sah mich nur an, sagte nichts. Diese Stille überforderte mich, aber ich sah ihn auch einfach nur an.
Kurz schloss ich die Augen, was dazu führte, dass mir eine einzelne Träne die Wange hinab kullerte.
Als ich die Augen wieder öffnete, umarmte er mich. Das kam so plötzlich, dass ich garnicht wusste, was ich tun sollte. Also tat ich das Erste, was mir in den Sinn kam und schlang meine Arme um seinen Rücken. Ich spürte seinen warmen Atem an meiner Schulter, doch anders als bei Patrick, war mir dies nicht unangenehm. Seine dunkelblonden Locken striffen über meine Wange und fühlten sich weich an.Das Zeitgefühl hatte ich verloren. Ich wusste nicht, wie lange wir schon so hier saßen und uns umarmten. Genauso wie es hätte eine Minute sein können, hätten es auch Zehn Minuten oder sogar mehr sein können.
Dann löste Stan sich aus der Umarmung und sah mir erneut in die Augen.
"Es ist schon spät", sagte er dann. "Der Weg zu dir nachhause ist zu weit und vorallem zu gefährlich für dich. Ich denke es ist das Beste, wenn du heute Nacht hier übernachten würdest!"🎈
DU LIEST GERADE
I wanna be real || Patrick Hockstetter {ES}
Fanfic𝙷𝚎 𝚜𝚎𝚝 𝚏𝚒𝚛𝚎 𝚝𝚘 𝚝𝚑𝚎 𝚠𝚘𝚛𝚕𝚍 𝚊𝚛𝚘𝚞𝚗𝚍 𝚑𝚒𝚖 𝚋𝚞𝚝 𝚗𝚎𝚟𝚎𝚛 𝚕𝚎𝚝 𝚊 𝚏𝚕𝚊𝚖𝚎 𝚝𝚘𝚞𝚌𝚑 𝚑𝚎𝚛. Angst. Jedes Mal, wenn er sie berührte, ihr an den Haaren zog, ihr hinterherlief. Angst, wenn er sie auch nur ansah und grinste...