Teil 55

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~Samu~

„Danke."

Er hatte gar nicht bemerkt, die Sonnenbrille verloren zu haben, aber bei der stürmischen Begrüßung von Kaisa war das eigentlich kein Wunder gewesen, dass sie ihm vom Kopf gefallen war, was jedoch nicht schlimm war. Außerdem hatte er in diesem Moment etwas anderes im Kopf gehabt als seine Sonnenbrille.

Samu konnte gar nicht beschreiben, wie schön es war, wieder seine Familie um sich zu haben, allen voran seine kleine Nichte Kaisa, die er wirklich abgöttisch liebte. Wobei sie gar nicht mehr so klein war. Wie er schon vermutet hatte, war sie in den vergangenen Wochen, seit er zuletzt in Helsinki gewesen war, ein ganzes Stück gewachsen und ihre Haare waren auch etwas länger. Es war so schön gewesen, sie endlich wieder in seine Arme zu nehmen und es war fast noch schöner zu sehen, wie sehr Kaisa sich freute, ihren Onkel wiederzusehen. Natürlich freute Samu sich auch darüber, seine Schwester wiederzusehen, die ihm direkt mitgeteilt hatte, dass er in etwa einem halben Jahr nochmal Onkel wurde, was ihn komplett aus den Socken haute. Seinen Bruder hatte er auch wahnsinnig vermisst. Erst jetzt, als Samu sie alle wiedersah, merkte er, wie sehr er sie alle vermisst hatte. Selbst Jukka, der sich anscheinend auf Anhieb gut mit Jessica verstand und sie direkt mal zulaberte, wie es nunmal seine Art war. Samu grinste leicht, als er es sah. Manche Dingen änderten sich wohl nie. Da er Jukka jedoch nur zu gut kannte und genau wusste, dass er manchmal Dinge ausplauderte, die er nicht ausplaudern sollte, ging Samu lieber mal zu ihnen rüber. Jukka machte so etwas jedoch nie mit Absicht. Er war einfach eine Labertasche und dachte beim Quatschen nicht darüber nach, was er gerade alles so erzählte. Erst nachher, wenn es zu spät war, fiel es ihm dann auf und es war ihm jedes Mal ziemlich peinlich. Trotzdem lernte er nie daraus. Aber ohne diese Macke wäre Jukka nunmal nicht Jukka.

Soweit Samu die Situation erblickte, hatte er Jukkas Redefluss mal wieder gerade noch rechtzeitig gestoppt, denn eine Sekunde später und Jukka hätte Jessica brühwarm davon erzählt, dass er, Samu, in sie verliebt war. Okay, so schlimm wäre es nicht gewesen, wenn Jessica davon erfahren hätte, denn er hatte ja eh vor, es ihr spätestens nach diesen zwei Wochen zu sagen, aber genau das war der Punkt. Er wollte es ihr selber sagen und vor allen Dingen unter vier Augen und nicht, wenn die ganze Familie samt Freunde um sie herumstanden.

Samu begrüßte Sami, Raul, Osmo und Riku ebenfalls mit einer kurzen Umarmung, wobei Riku ihm ein „Das war ja ganz schön knapp" ins Ohr raunte und stellte anschließend Jessica Kaisa vor. Er sah Jessica an, dass sie sich sofort in die Kleine verguckt hatte, was er völlig verstehen konnte. Ihm selbst war es nicht anders ergangen, nachdem er Kaisa kurz nach ihrer Geburt zum ersten Mal auf dem Arm gehabt hatte. Es war wirklich ein unbeschreibliches Gefühl gewesen und Samu war sich sicher gewesen, dass er die Kleine nicht mehr lieben könnte, wenn sie sein eigenes Kind und nicht seine Nichte gewesen wäre.

„Okay, dann lasst uns mal alle wieder reingehen. Der Grill ist inzwischen sicher bereit," riss die Stimme seiner Mutter ihn aus seinen Gedanken. Verwirrt sah er sich kurz um. Wow, er war diesmal mit seinen Gedanken ziemlich weit weg gewesen. Für einen Moment war ihm sogar durch den Kopf gegangen, wie es wohl wäre, endlich eigene Kinder zu haben und ob er sie dann zusammen mit Jessica haben würde. Samu wunderte sich sehr, woher dieser Gedanke kam, denn er hatte bisher nie daran gedacht, eigene Kinder zu haben. Doch, wenn er ehrlich war, hatte er doch daran gedacht, aber er war sich immer sicher gewesen, dass so etwas nicht in sein Leben passte. Allein schon deshalb, weil er bisher so gut wie kein Glück mit Frauen gehabt hatte, aber das schien sich ja hoffentlich mit Jessica geändert zu haben. Eigene Kinder waren deshalb doch nicht mehr so abwegig, obwohl dieser Gedanke natürlich sehr voreilig war. Bis jetzt wusste Jessica noch nicht mal etwas von seinen Gefühlen für sie und er hatte keinen blassen Schimmer, ob Jessica etwas für ihn empfand. Außerdem lief es gerade mit Sunrise Avenue echt super und Samu wusste nicht, ob er es schon aufgeben wollte, seinen Traum zu leben. Gott, war das alles kompliziert. When will this fairytale get easy?

„Ist alles okay mit dir?" hörte er Jessica plötzlich fragen und spürte ihre Hand auf seinem Arm. Mist, er war schon wieder mit seinen Gedanken abgedriftet. Was war nur auf einmal mit ihm los? Das mußte echt aufhören.

Er blickte Jessica an und musste über ihren besorgten Gesichtsausdruck schmunzeln.

„Ja sicher bin ich okay. Ich war nur in Gedanken und ziemlich davon überwältigt, meine Familie wiederzusehen. Das kommt im Moment alles zusammen," erklärte er lächelnd.

„Ach so. Na, das kann ich verstehen," erwiderte Jessica ebenfalls lächelnd.

„Okay, Kaisa. Du gehst jetzt am besten zu deiner Mama," sagte er dann zu Kaisa, der das gar nicht gefiel, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und ließ sie runter.

„Aber wir spielen nach dem Essen 'Verstecken', versprochen."

Kaum hatte er es ausgesprochen, strahlte Kaisa wieder über das ganze Gesicht und lief hinter Sanna her ins Haus. Samu sah ihr noch schmunzelnd nach.

Die anderen, bis auf seine Mutter und sein Bruder, waren schon längst wieder im Hause verschwunden, nachdem seine Mutter angekündigt hatte, dass der Grill bereit sei. Wahrscheinlich stritten sich Sami und Riku mal wieder darum, wer den Grillmeister spielte und Riku würde sicher wieder den Kürzeren ziehen. Wäre nicht das erste Mal.

„Ich habe dir dein Zimmer übrigens schon fertig gemacht, Samu, und Jessica kann das Zimmer nebenan nehmen, wenn das okay ist," informierte seine Mutter ihn, während sie gemeinsam zum BMW gingen. Der Wein musste, bevor er getrunken werden konnte, unbedingt vorher noch ein bißchen kühl stehen.

„Natürlich ist das okay," meinte Jessica, bevor er selbst etwas dazu sagen konnte, und er war etwas verwirrt. Hatten sie nicht während der Fahrt besprochen, dass sie sich ein Zimmer teilen wollten? Doch dann sah er, wie Jessica ihm schmunzelnd zuzwinkerte und ihm wurde alles klar.

„Jepp, das ist okay, aber haben wir überhaupt genug Platz? Die Jungs bleiben doch sicher über Nacht," warf Samu dann wie nebenbei ein und schloss das Auto auf, ehe er Santtu den Karton mit den Weinflaschen in die Hand drückte.

„Also Raul mit Freundin hat schon angekündigt, dass sie nicht bleiben, weil sie wohl irgendwas gebucht haben. Osmo hat morgen einen frühen Termin, Jukka muss zurück ins Studio und Sanna und Miikka fahren heute Abend auch mit Kaisa nach Hause, weil sie morgen arbeiten müssen," erklärte Eve und nahm die Laptop- und Kameratasche, die Samu ihr hinhielt. Jessica nahm sich währenddessen die beiden Gitarrentaschen und ihre Reisetasche, ehe Samu etwas sagen konnte. Zumal er gerade andere Sorgen hatte.

„Kaisa bleibt nicht hier?" fragte er etwas enttäuscht. Er hätte gerne noch ein paar Tage mehr mit Kaisa verbracht und natürlich auch mit Sanna und Miikka, denn mit ihm konnte er, neben Santtu, wenigstens ausgiebig über Eishockey diskutieren. Naja, aber die beiden hatten nunmal ihr geregeltes Leben und Samu verstand, dass sie nicht alles stehen und liegen lassen konnten, wenn er mal wieder von einer Tour auftauchte. Trotzdem war er enttäuscht darüber.

„Nein, leider nicht. Glaub mir, ich finde es auch schade, aber die drei kommen am Wochenende nochmal vorbei," antwortete seine Mutter. Na gut, das musste er dann wohl so akzeptieren. Samu nahm seinen Koffer aus dem Kofferraum und schloss das Auto wieder ab, nachdem er die Klappe geschlossen hatte. Zumindest hatte er noch ein paar Stunden mit seiner Familie und die würde er genießen.

You can try to find strength in my armsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt