You can try to find strength in my arms

Teil 2

~Samu~

Das Licht im Kinosaal ging in dem Moment aus, als er sich in seinen Sitz setzte und dafür war Samu sehr dankbar. Es war für ihn schon eine Art Spießrutenlauf gewesen, einigermaßen unerkannt vom Tourbus ins Kino zu gelangen, da seit dem frühen Morgen Fans auf dem Gelände herumliefen, von denen ihn natürlich ein paar erkannt hatten, trotz Käppi und Sonnenbrille. Allerdings hatten sie ihn glücklicherweise nicht wegen Fotos oder Autogrammen angesprochen, was wahrscheinlich an seiner Körpersprache gelegen hatte. Er traf gerne Fans und er war auch immer gerne bereit, mit ihnen Fotos zu machen, ihnen Autogramme zu geben und sich mit ihnen zu unterhalten, aber er brauchte ab und zu auch mal seine Ruhe. Und deswegen wollte er noch weniger, daß es durch ihn vielleicht noch einen Aufruhr im Kinosaal gab. Ein Saal mit geschätzten 200 Personen und nur einer breiten Doppeltür als Fluchtmöglichkeit, die im Falle einer Massenpanik sicher zur Größe eines Mauselochs schrumpfen würde.

Das Einzige, was Samu nun brauchte, war ein wenig Ruhe vor dem Konzert, das am Abend auf dem Programm stand. Den Soundcheck hatte er bereits am Morgen mit der Band hinter sich gebracht. Es kam ihm gerade recht, daß es im MediaPark, wo sie auftreten sollten, dieses Kino gab. Er wollte auch nicht immer nur im beengten Tourbus hängen und die Wände anstarren. Das war einfach nichts für ihn, auch wenn sie im Bus jede Menge Unterhaltungselektronik zur Verfügung stehen hatten. Außerdem war Samu schon immer gerne ins Kino gegangen, doch in den letzten Jahren, seit der Erfolg mit Sunrise Avenue immer größer geworden war, hatte er immer weniger Zeit dafür gehabt, geschweige denn für andere Freizeitaktivitäten. Er schaffte es gerade noch so, ein bißchen Zeit für sich freizuschaufeln um ab und zu mal ins Fitnessstudio zu gehen um ein bißchen zu trainieren und Dampf abzulassen. Beinahe hätte es noch nicht mal geklappt, ins Kino zu gehen, da die Dame an der Kasse ihm gesagt hatte, daß diese Vorstellung wohl nur für Ticketgewinner gedacht war, doch nachdem er seinen Charme ein bißchen hatte spielen lassen, hatte sie sich doch noch erweichen lassen und hatte ihm eine Karte verkauft. Natürlich hätte er sich auch einen anderen Film ansehen können, aber die meisten Filme, die im Moment in diesem Kino liefen, interessierten ihn nicht sonderlich und mit einem „Fluch der Karibik" – Film konnte man eigentlich nie etwas falsch machen. Er wußte, daß er zwar nicht alles verstehen würde, da seine Deutschkenntnisse etwas begrenzt waren, aber es würde schon reichen. Zumindest konnte er ein bißchen abschalten, was er dringend mal brauchte.

Samu sah sich gerade mit den anderen Kinogästen die Vorschau von Filmen an, die er aus Zeitgründen sowieso nie im Kino würde sehen können, geschweige denn zu Hause auf DVD, und versuchte seine Gedanken vom bevorstehenden Konzert zu befreien, als er im Augenwinkel wahrnahm, wie sich die Tür zum Kinosaal öffnete und einen hellen Lichtstrahl hineinließ, gefolgt vom Kinomitarbeiter und einer jungen Frau. Samu beobachtete, wie der Mann ihr den Weg zu ihrem Platz zeigte und Samu war etwas überrascht, als sie sich dann ausgerechnet neben ihn setzte, obwohl diese Reaktion eigentlich völliger Schwachsinn war. Er war immerhin in einem Kino und da passierte es nunmal, daß sich jemand neben ihn setzte, zumal der Platz neben ihm einer der wenigen war, die noch frei waren.

Samu lenkte seinen Blick wieder auf die Leinwand und versuchte sich darauf zu konzentrieren, was dort gerade gezeigt wurde, aber der Lufthauch, der entstand, als die junge Frau sich neben ihn gesetzt hatte, wehte einen Hauch ihres Parfüms zu ihm herüber, der ihn sofort in den Bann zog. Es war ein angenehm blumiges Parfüm und Samu schloß für einen Moment die Augen um diesen Duft zu genießen. Ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, als ihm bewußt wurde, was er da gerade machte und er sah wieder zur Leinwand. Es war ja nicht so, daß er keinen Kontakt zu Frauen hatte und daß diese Frauen kein Parfüm trugen, aber dieser Duft hatte ihn so unvorbereitet getroffen, daß es ihn für einen Moment wirklich umgehauen hatte. Das war ihm bisher noch nie passiert. Außerdem konnte es wirklich Schlimmeres geben als das. Zum Beispiel, daß sie ihn vielleicht erkannte, vielleicht auch noch ein Fan von Sunrise Avenue war und vor lauter Aufregung allen anderen erzählte, wer hier mit ihnen im Kinosaal saß. Samu war natürlich nicht gerade so berühmt wie Michael Jackson es gewesen war, aber er wußte, daß es ein totales Chaos geben würde, denn Fans konnten überall sein. In der Dunkelheit des Kinos fühlte er sich jedoch relativ sicher.

Einige Augenblicke später fühlte er sich jedoch nicht mehr so sicher, als er aus den Augenwinkeln heraus sah, wie ihn die Frau neben ihm unauffällig musterte oder zumindest schien sie zu glauben, daß es unauffällig war. Aber Samu war einfach schon zu lange in diesem Business um nicht zu merken, wenn er beobachtet wurde. Man wurde eigentlich die ganze Zeit beobachtet und das machte einen schon fast so paranoid, daß man wirklich immer dachte, daß es jemanden gab, der einen im Auge hatte. So merkte man schon fast nicht mehr, wenn man mal nicht beobachtet wurde. Dazu kam noch, daß er scheinbar eine gewisse Wirkung auf das weibliche Geschlecht hatte. Er wußte zwar nicht warum, aber diese Wirkung war nunmal nicht von der Hand zu weisen. Nicht, daß er eingebildet war, aber in manchen Situationen war er überrascht gewesen, wenn sich mal keiner für ihn interessierte und er mal nicht angesprochen wurde. Sowas passierte nicht oft, aber es passierte und er fand es jedes Mal auf eine ungewöhnliche Art erholsam.

Vorsichtig riskierte er einen Blick neben sich und sah, daß die Frau sich wieder auf die Leinwand konzentrierte. Entweder hatte sie ihn nicht erkannt oder sie hatte ihn erkannt und es interessierte sie einfach nicht, daß er neben ihr saß. Das war auch etwas, was nicht oft passierte, aber wenn, gefiel es ihm ziemlich gut. Obwohl er zugeben mußte, daß es seinem Ego schon einen kleinen Knacks verpasste, wenn jemand wußte, wer er war, sich aber nicht für ihn interessierte. Ja, er war schon manchmal seltsam. Samu zwang sich dazu, sich endlich mal zu entspannen und sah erneut zur Leinwand, die jedoch im gleichen Moment schwarz wurde. Das Licht im Saal wurde angeschaltet und während er ein kleines Stück in seinem Sitz runterrutschte, hoffte er wieder, daß seine Anwesenheit keinen Tumult auslösen würde.

~Jessica~

Das Licht im Saal ging wieder an und Jessica kniff geblendet ihre Augen zusammen, bis sie sich an die plötzliche Helligkeit gewöhnt hatten. Sie ließ ihren Blick schweifen und bemerkte, daß der Kinosaal voller war, als sie zuerst angenommen hatte. Sie hatte einen der letzten Plätze erwischt. Jessica riskierte einen kurzen Blick neben sich zu ihrem Sitznachbarn und mußte schmunzeln. Und dann hatte sie auch noch ausgerechnet einen Platz neben einem Mann bekommen, der ihr ausgesprochen gut gefiel. Heute mußte wohl doch ihr Glückstag sein. Erst hatte sie es gerade noch rechtzeitig ins Kino geschafft und dann das. Sie sah erneut kurz neben sich und sah schnell wieder weg, als sie bemerkte, daß ihr Sitznachbar sie ebenfalls musterte. Hilfe. Jessica hatte mit ihrer Vermutung Recht gehabt. Er hatte blaue Augen, noch dazu strahlendblaue und dieser kurze Blick, dieser Bruchteil einer Sekunde hatte ausgereicht, um ihr Herz zum Rasen zu bringen. Wobei nicht nur seine Augen an sich für ihren erhöhten Puls verantwortlich waren, sondern eher der Ausdruck, der in ihnen lag. Jessica merkte, wie sich ihre Arme mit einer leichten Gänsehaut überzogen. Was passierte hier bloß mit ihr?

Um nicht unhöflich oder arrogant zu wirken, rang sie sich nochmal dazu durch, kurz zu ihm zu sehen, nur um festzustellen, daß sein Blick immer noch auf ihr lag, und sie rang sich ein leichtes Lächeln ab, ehe sie wieder vor sich sah und die Kinomitarbeiter beobachtete, die Sektgläser und Popcorn an die Gäste verteilten. Warum beobachtete er sie? So interessant war sie doch gar nicht..