You can try to find strength in my arms

Teil 65

~Jessica~

Sie war bereits bei der ersten Träne, die Samu über die Wange gekullert war, überrascht darüber gewesen, wie überwältigt er von diesen Auszeichnungen zu sein schien. Als sie ihn schließlich umarmte, dauerte es nicht lange, bis seine Schultern anfingen, merklich zu zucken und sie begriff erst einige Augenblicke später, dass Samu nun richtig weinte. Einen Moment lang war Jessica mit der Situation etwas überfordert und sie hatte keine Ahnung, was sie machen sollte, doch dann beschloss sie, ihn einfach weinen zu lassen. Er würde sich schon wieder beruhigen und es war ja auch nicht schlimm. Es war nur so, dass sie Samu zum einen gar nicht so kannte und zum anderen, dass sie generell so etwas noch nie erlebt hatte. Sicher, Sarah hatte sich schon desöfteren bei ihr ausgeheult, aber das hier war etwas komplett anderes. Diesmal war es Samu, ein 35jähriger Mann, der völlig überwältigt vom Erfolg seiner Band war, und keine 26jährige, die nach 2 One-Night-Stands an einem Wochenende darüber jammerte, dass kein Kerl bei ihr blieb.

Sanft streichelte Jessica ihm über seinen Rücken und durch seine Haare, die überraschend weich waren. Kurz ging ihr durch den Kopf, dass sie seine Haare bisher noch nie berührt hatte und im gleichen Moment fragte sie sich, woher dieser unwichtige Gedanke kam. Sie schob ihn weg.

Nach einer Zeit schien Samu sich wieder zu beruhigen, was Jessica erleichtert registrierte, auch wegen ihrer Zehenspitzen und Waden, die inzwischen schon etwas protestierten, aber sie wollte Samu auch nicht loslassen.

Hinter sich hörte Jessica die anderen immer noch jubeln und zwischendurch das Klirren von Gläsern, als sie auf die Auszeichnungen anstießen. Irgendwer stimmte sogar ein Lied an, das dann alle mitgröhlten, aber Jessica konnte nicht verstehen, wovon sie sangen, denn es war wohl auf Finnisch. Sobald sie wieder zu Hause war, würde sie sich auf jeden Fall ein finnisches Wörterbuch zulegen und ein paar Vokabeln pauken. Sie wusste zwar nicht, wie sie das noch in ihren ziemlich vollen Hochschul-Stundenplan packen sollte, aber das würde schon irgendwie klappen. Vielleicht konnte sie Samu, wenn sie sich das nächste Mal trafen, mit ein paar Worten überraschen. Jessica musste schmunzeln, wenn sie sich sein überraschtes Gesicht vorstellte. Trotzdem würde sie es nicht nur machen, um Samu zu beeindrucken, sondern auch, um eventuell mal zu verstehen, was die Jungs so redeten, wenn sie auf Finnisch sprachen. Das würde sicher interessant werden.

„Ist alles okay mit ihm?" hörte Jessica auf einmal eine Frauenstimme neben sich fragen und ihr Blick fiel auf Sanna, die besorgt zu ihrem Bruder sah, der sich inzwischen jedoch wieder beruhigt hatte und sie lediglich weiter fest an sich gedrückt hielt, während er sein Gesicht in ihrer Halsbeuge versteckte.

„Ich denke schon. Es war wohl etwas viel auf einmal, glaube ich," antwortete Jessica, wobei sie ihm immer noch über die Haare streichelte. Sie konnte damit einfach nicht aufhören.

„Ja, das denke ich auch, aber er ist in guten Händen, wie ich sehe," schmunzelte Sanna, streichelte Samu kurz über den Rücken und ging dann wieder zurück zu den anderen.

Samu und sie standen noch einige Zeit nur so da, bis Jessica bemerkte, dass Samu seine Umarmung etwas lockerte und anschließend seinen Kopf anhob. Jessica löste daraufhin ihre Umarmung auch etwas, legte ihre Hände auf seine Schultern und sah Samu an, dessen Augen noch vom Weinen gerötet waren, aber zumindest lächelte er wieder, wenn auch sichtlich verlegen. Er wischte sich kurz die Tränenspuren von seinen Wangen, ehe er meinte: „Sorry, das.. Keine Ahnung. Das musste einfach raus."

~Samu~

Oh Mann, nun, nachdem er sich wieder halbwegs beruhigt hatte, war ihm dieser Gefühlsausbruch doch ziemlich peinlich. Gut, es hatte aus ihm herausgemusst, aber vielleicht hätte er sich dafür besser in sein Zimmer verkrochen. Es hätten zwar dann trotzdem alle gewusst, was los war, aber zumindest hätten sie dann nicht alle dabei zugesehen. Naja, er konnte jetzt eh nichts mehr daran ändern, außer sich bei Jessica zu entschuldigen, deren Shirt jetzt an der Schulter einen nassen Fleck hatte. Aber wieder reagierte sie ganz anders als Samu gedacht hatte. Jessica nahm ihre Hände von seinen Schultern und legte sie sanft auf seine Wangen, während sie ihn ernst ansah.