Part 81

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Glücklicherweise sind die restlichen Sanis, inklusive Herr Dreier, ausgeflogen und ich kann mich bis zu deren Rückkehr etwas akklimatisieren.
Nick hat sich in den RTW zurückgezogen um, seiner Aussage nach, die Bestände aufzufüllen und Linus werkelt irgendetwas in der Küchenzeile herum.
Ich selbst habe mich auf das Sofa geschmissen und versuche an irgendetwas Schönes zu denken, was mir aber nicht richtig gelingen mag, da mir immer wieder dieses Lächeln des alten Mannes in den Sinn kommt.

Als Linus seine Tätigkeit beendet hat, platziert er sich auf dem kleinen freien Stück Sofa, das ich nicht mit meinem Körper eingenommen habe, direkt neben mich.
Ganz langsam schiebt sich ein einzelnes Kaubonbon, das in einem quietsch bunten Papier verpackt ist, in mein Sichtfeld:
"Nervennahrung?"
Obwohl mir Schokolade eigentlich lieber wäre, ich aber eh zwecks der Milch ablehnen müsste, greife ich nach der süßen Kaumasse und schenke dem Notarzt ein ehrliches Lächeln:
"Danke!"
"Kein Ding! Lass krachen, das ist gut für die Nerven!"
Herr Hoffmann stellt eine riesengroße Tüte der sehr leckeren Süßigkeit zwischen uns ab und schiebt sich kurz darauf selbst eines davon in den Mund.
Während er die Zuckermasse mit seinen Zähnen zerkleinert, rutscht er tiefer ins Sofa und legt seinen Hinterkopf auf der Rückenlehne ab.
Als er die Augen schließt, kann ich nicht anders und mustere interessiert sein Gesicht.
Eigentlich sieht er aus wie immer, allein seine Mundwinkel verraten, dass er gerade nicht voller Freude steckt.

"Alles gut?"
Ich erschrecke kurz, da ich nicht damit gerechnet habe, dass er mich anspricht und lenke meinen Blick auf den Fußboden:
"Denke schon!"
Mein Nebenmann öffnet wieder seine Augen und dreht seinen Kopf zu mir, um mich ebenfalls eine Zeit lang anzusehen.
Anschließend greift er in eine der Seitentaschen seiner Hose und zieht einen kleinen, zusammengefalteten Zettel heraus, den er mir entgegen streckt:
"Hier steht meine Telefon- und Handynummer drauf. Wenn die Tage doch noch Redebedarf auftauchen sollte, darfst du dich gerne bei mir melden. Du musst aber nicht, das ist nur ein Angebot. Ich weiß, du hast genug Herren, die dir für Gespräche zur Verfügung stehen, aber vielleicht hilft es dir ja auch, wenn du mit jemandem reden kannst, der die Situation ebenfalls hautnah miterlebt hat!"
Etwas erstaunt über dieses Angebot, greife ich nach der Notiz und verstaue sie in meiner Hosentasche:
"Danke. Lieb von dir!"
Mit einem Grinsen auf den Lippen kramt Herr Hoffmann in der Kaubonbontüte herum und scheint nach etwas ganz besonderem zu suchen.
"Kann man dir irgendwie helfen?"
"Ich mag nur die Dinger mit Kirschgeschmack und von denen gibt es kaum welche in der Tüte. Vielleicht sollte ich den Hersteller anschreiben und mich beschweren. Welchen Geschmack magst du am liebsten?"
"Zitrone oder Ananas!"
"Da hast du Glück! Geschätzt, jedes zweite Bonbon gehört zu der Geschmacksrichtung Zitrone. Schau mal... Hier... und das... und da..." Linus sortiert alle Zuckermasseklumpen, die mit einem gelben Papier umwickelt sind, aus der Tüte und wirft sie mir auf den Schoß:
"An deiner Stelle würde ich die gut verstecken! Wenn Florian zurückkommt und die ganzen Bonbons sieht, dann inhaliert er die sofort ein!"
"Ist der auch so schlimm? Hahaha"
"Schlimm wie wer?"
"Na, Alex ist ein Schokoladen- und Phil ein Gummibärchenjunkie. Wobei Phil noch einen ticken schlimmer ist, als Herr Hetkamp!"
"Hier hat jeder seine Macken! Jacky zum Beispiel, isst in jeder Schicht mindesten zwei Bum-Bum Eis, Ivo gönnt sich Chips in Massen, Nick isst verdammt gerne diese American Cookies, die in der Mitte einen Schokoladenkern haben und Franco verputzt pro Tag fast eine ganze Tüte Schokobons".
"Und du bist der Kaubonbon Typ?"
"Ne, eigentlich sind gesalzene Erdnüsse meine Favoriten, aber das lasse ich während des Dienstes lieber bleiben. Wenn ich einmal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören und du kannst dir bestimmt vorstellen, wie Durstig einen das macht! Bei meinem Glück bekomme ich dann aber mindestens vier Einsätze hintereinander rein und habe somit keine Zeit etwas zu trinken. Sehr unvorteilhaft für Rettungspersonal!"
"Ohja. Das gibt kein gutes Bild ab, wenn man den Patienten erklärt, dass sie viel trinken müssen, da das wichtig ist und man selbst kurz vor dem Verdursten steht. Hahaha."
Genau jetzt, wo ich mich so richtig wohl fühle und ein super Gespräch mit meinem ehemaligen Pulsbeschleuniger habe, fordert die Kölner Menschheit Linus' Typ.
Tief aufseufzend erheben wir uns von dem Sofa, lassen die Kaubonbons Kaubonbons sein und laufen schnellen Schrittes in die Fahrzeughalle.
Herr Bachmann sitzt schon startklar im Nef und wartet nur noch auf das Eintreffen unserer beiden Hintern.

Leben verbocken; Jetzt geht es als "Mayer" weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt