Part 142

740 60 30
                                    

Rebekkas Sicht

Als ich zu der Truppe im Wohnzimmer dazustoße, liegt Tom bäuchlings auf dem Sofa, während die Augen von Phil und Alex an den Wunden haften.
Ich bin überrascht, dass er sich sofort freiwillig dieser Kontrolle hingegeben hat, ohne dass ich nochmals etwas sagen muss.

Ich setze mich zwischen Leo und Stephan, die beide einen unglücklichen Gesichtsausdruck aufgelegt haben und Tom anstarren.
Zugegebenermaßen sieht er schlimmer aus, als erwartet und ich habe mich bei seinem Anblick im Badezimmer selbst erschrocken.
Ich will mir gar nicht vorstellen, was Viktor und John mit ihm gemacht haben und welche Schmerzen er ertragen musste, obwohl ich die Aussagen der Männer, die sie für ihren Anwalt gemacht haben, längst gelesen habe.
Was in der zweiten Nacht passiert ist, können wir alle nur vermuten, da bisher weder Marc noch Tom und darüber Auskünfte gegeben haben.

Um die Situation etwas zu entspannen und die Aufmerksamkeit von Herrn Mayer abzulenken, greife ich ein Thema auf, dass zwar noch etwas Zeit hätte, jetzt aber sicherlich zumindest Zoey und Leo gedanklich positiv beschäftigen wird:
"Leo, Zoey? Habt ihr euch schon überlegt, welche Farben ihr in euren Zimmern wollt?"
Das Fräulein dreht ihren Kopf zu mir und sieht sofort begeistert aus:
"Eigentlich noch nicht so richtig, aber ich schätze, dass Leo und ich uns schnell entscheiden werden, denn viel Spielraum haben wir nicht. Die Farben, die uns gemeinsam gefallen, sind Blau, Grün, Grau und Schwarz. Wobei letzteres als Zimmerfarbe nicht in Frage kommt."
"Nein, das ist keine optimale Wandfarbe", stimme ich ihr zu, worauf Leo sich seiner Freundin zuwendet:
"Ich habe vor kurzem so ein mattes Blau gesehen, das mir gut gefallen hat. Wenn wir das mit einem Grauton zusammen an die Wand klatschen, könnte das meiner Meinung ganz gut aussehen!"
"Ein mattes Blau? Meinst du so ein Taubenblau?", will Zoey wissen und verwirrt ihren Freund mit der Frage:
"Keine Ahnung, Blau halt. Seit wann sind denn Tauben bitte blau?"
"Boah, Leo ..." Zoey stöhnt genervt auf und versucht Herrn Britz die genannte Farbnuance näher zu erläutern.
Währenddessen beobachte ich die Männer auf der gegenüberliegenden Seite.
Phil und Alex haben bemerkt, dass Tom gerade schwer damit zu kämpfen hat, wach zu bleiben.
Um ihm ein kleines Gefühl der Sicherheit zu geben, ist Alex schon wieder so weit aufgerutscht, dass die Seite seines rechten Oberschenkels Toms Kopf berührt.

Phil erhebt sich aus der Hocke und setzt sich seitlich auf das Sofa, sodass sein linker Oberschenkel dicht am Oberkörper des Polizisten anliegt.
Als hätten die beiden Notärzte somit einen Schalter umgelegt, klappen Toms Augenlider zu und öffnen sich nicht wieder.
Mir wird bei diesen Gesten ganz warm ums Herz.
Das zeigt, wie verbunden diese WG tatsächlich miteinander ist und dass das hier nicht nur ein paar x-beliebige Menschen sind, die einfach nur zusammen leben.
Herr Funke überprüft, nachdem Tom kurz gezuckt hat, seinen Gesichtsausdruck und nickt darauf Alex zufrieden zu.
Herr Hetkamp wendet sich anschließend an mich:
"Du bleibst über Nacht, oder?"
"Natürlich!"
"Nur als kleine Info: Lass irgendein Licht an, wenn ihr schlafen geht. Tristan hat gesagt bekommen, dass die Männer mit voller Beleuchtung geschlafen haben. Na ja, mehr oder weniger geschlafen. Falls er wach wird, ist es besser, wenn er seine Umgebung sofort im Blick hat!"
"Werde ich machen!" Ich lächle Alex nickend zu und werde kurz darauf wieder von Zoey beansprucht:
"Hat er Angst, wenn es dunkel ist? Hat er dir irgendetwas erzählt? Tom hat es in der Dunkelheit noch nie etwas ausgemacht! Was hat dieser Arsch nur mit ihm gemacht?"
"Nicht aufregen, Zoey! Es wird eine Weile dauern, bis Tom das alles aufgearbeitet hat, aber wenn wir ihm seelischen Beistand leisten, wird das wieder werden!"
"Wie können wir ihm denn helfen?", will sie wissen, da sie ganz genau weiß, dass Tom nur zu gerne abblockt, wenn es um seine Gefühlswelt geht.
"Indem ihr einfach für ihn da seid und ihm durch unbewusste Nähe etwas Sicherheit bietet!"
Zoey zieht die Augenbrauen zusammen:
"Unbewusste Nähe?"
"Ja. So wie Phil und Alex. Die beiden haben ganz nebenbei Körperkontakt hergestellt, was auf Tom aber eher wie Zufall gewirkt hat. So fühlt er sich nicht bemuttert oder einer extra fürsorglichen Behandlung unterzogen, sondern nimmt die gebotene Zuwendung einfach hin. Siehst du, wie entspannt er ist? Er spürt, dass er nicht alleine ist und das ist wohl im Moment das Wichtigste!"
"Es wäre einfacher für ihn, wenn er das sagen würde, wenn er jemanden bei sich braucht...", nuschelt Zoey vor sich hin.
"Natürlich, aber er kommt gerade nicht mit sich selbst klar und wenn ich mich nicht täusche, dann schämt er sich auch ein klein wenig."
Leo schüttelt ungläubig den Kopf:
"Warum sollte er sich denn schämen?"
"Weil er so offensichtlich verletzlich ist. Er steckt in einem Zwiespalt fest. Eigentlich möchte er gerne stark sein und das ganze Geschehen verdrängen, aber das ist nicht so einfach, wenn man solche Erlebnisse hinter sich hat. Er weiß selbst, dass er darüber reden muss, aber er möchte uns als Angehörige nicht zu sehr belasten!"
"Den Psychologen hat er schon abgewimmelt", seufzt Phil vor sich hin.
"Nein, nein. Ich habe mit Adam noch am selben Abend telefoniert und er bleibt am Ball. Bei Marc hatte er den Eindruck, dass der Wille da ist, er nur seine Unsicherheit überwinden muss. Selbst bei Tom hatte Adam nicht den Eindruck, dass er total auf Barrikaden geht. Es muss ihm nur bewusst werden, dass es in Ordnung ist, dass er sich helfen lässt und nur so die Geschehnisse richtig verarbeiten kann. Ich werde die Tage mit ihm reden!"

Leben verbocken; Jetzt geht es als "Mayer" weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt