Part 101

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Immer noch Leo's Sicht

"Warum steigst du nicht ein?" Ich werfe einen fragenden Blick zu der geöffneten Beifahrertüre und trommele mit meinen Fingern auf dem Lenkrad herum.
Allzu viel Zeit möchte ich nicht verstreichen lassen, denn ich bin auch nicht gerade in Topform.
"Bin mir gerade nicht sicher, ob da gleich was kommt oder nicht!", verkündet Sam und legt sich eine Hand auf den Bauch.
"Alter! Entweder gehst du nochmal aufs Klo oder schwingst deinen Arsch hier rein... Bevor ich wieder irgendwelche Magenkrämpfe oder unfreiwillige Magenentleerungen durchleben muss, würde ich echt gerne losfahren!"
"Jaaaa, aber weißt du.. Wenn da was daneben geht... Tom wird mich töten, und zwar auf die schlimmste Art, die ihm einfällt!"
Ich seufze laut auf und platziere meine Stirn auf dem Lenkrad:
"Dann geh Scheißen. Aber beeil dich!"
Anstatt sofort zu verschwinden, sehe ich im Augenwinkel seinen Arm auf mich zukommen.
"Was is denn jetzt noch?"
"Ich brauche den Schlüssel oder meinst du, dass ich meinen Arsch als Kanone benutzen und mit dem Durchfall die Türe wegätzen kann?"
Bei der bildlichen Vorstellung, Sams gesagter Worte, muss ich kurz auflachen und ziehe darauf sofort den Schlüssel aus dem Zündschloß:
"Sorry... Hier, mach hinne und lass die Türe ganz!"
Als Antwort bekomme ich nur das Knallen der Autotüre zu hören.
Ich atme tief durch, lasse mich gegen die Rückenlehne fallen und beobachte den Herrn, wie er wild zappelnd vor der Haustüre steht und die verschiedenen Schlüssel ausprobiert, um den Haustürzugehörigen zu finden.

Wenn er noch ein paar Sekunden länger...

Meine Gedanken legen einen Stopp ein, da mein Kumpel auf einmal völlig regungslos dasteht.

Bitte nicht...

Aus freundschaftlichem Pflichtbewusstsein heraus, schiebe ich meinen Hintern aus dem Auto und laufe auf den Ganzkörpererstarrten zu, um ihm den Schlüssel aus der Hand zu nehmen und die Türe zu öffnen.
Kaum ist die Barrikade aus dem Weg geschafft, läuft Sam komplett versteift und mit minimalistischen Schritten ins Badezimmer.
"Ich besorge dir frische Klamotten! Ging das alles nach unten oder hattest du die Zerstäuber-Funktion aktiviert?"
"Nur runter...", lässt Sam verlauten, bevor er die Badezimmertüre zufallen lässt.

Mit großen Schritten erklimme ich die Treppe, um kurz darauf vor meinem Kleiderschrank einzubremsen und für den Hosenscheißer frische Klamotten zu organisieren.
Nachdem eine Boxershorts, Socken und eine meine älteren Jogginghosen ihren Platz auf meinem Arm gefunden haben, laufe ich wieder zurück in den Flur und werde durch Phil erschreckt, der unerwartet seinen Kopf zur Tür herausstreckt:
"Leo? Alles okay? Was wanderst du hier rum?"
"Boah, erschreck mich doch nicht so! Muss Sam frische Klamotten bringen, der hatte nen Unfall!"
Herr Funke verzieht wissend sein Gesicht und mustert meine Wenigkeit etwas genauer:
"Wie geht es dir? Musstest du dich bisher nochmal übergeben?"
"Alles bestens bisher. Geh schlafen, du siehst nicht gut aus. Brauchst du was?"
"Mh, nein danke. Schaut zu, dass ihr wieder ins Bett kommt! Gute Nacht", gähnt der Notarzt vor sich hin und schließt die Türe.

Schnellen Schrittes begebe ich mich in das untere Stockwerk und betrete die Kammer der fauligen Gerüche:
"Boah! Das ist echt übel, Junge! Verwest du von innen oder schickt die Kanalisation eine Duftprobe durch die Rohre?"
"Alter, halt die Klappe!" Sam greift nach dem Fenstergriff, der sich rechts über seinem Kopf befindet, und öffnet die Pforten für die sehr angenehme Frischluftzufuhr.
"Deine Klamotten werfe ich am besten gleich in die Waschmaschine! Mach mal zwischendurch nen Spülgang, sonst kotz ich bald!"
Die lebende Stinkbombe betätigt die Klospülung und mustert mich kritisch:
"Weißt du, was viel besser hilft? Wenn du mal einen Abgang machen... Was ist denn da los?" Sam schiebt seine Beine auseinander, wirft einen Blick in die Kloschüssel und bekommt riesengroße Augen:
"Ach du Scheiße!"
"Was soll denn sonst da drin sein?", frage ich augenverdrehend und überlege mir, ob ich die Klamotten einfach so anfassen oder lieber zuerst Einmalhandschuhe anziehen sollte.
Als mir das erneute Betätigen der Klospülung und im gleichen Zug ein furchtbares Gejammere zu Ohren kommt, wende ich mich meinem Kumpel zu und Falle fast vom Glauben ab:
Während der Schwachmat auf der Schüssel sitzt, quillen unter seinem Hintern Unmengen von bräunlichem Wasser hervor und das einzige, das Sam macht, ist, mir einen hilfesuchenden Blick zuzuwerfen.
"STEH DOCH MAL AUF UND MACH IRGENDWAS!", blaffe ich gleich drauf los und stürme zu der in der Wand eingelassenen Spültaste.
Meine Augen erkennen sofort das Problem, während meine Füße das gleichzeitig auftretende Disaster am Boden erfühlen.
In Rekordgeschwindigkeit ereilt meinen Körper eine großflächige Gänsehautwelle, die an mein Gehirn weiterleitet, dass der Boden voller Abwasser und weiterer unschöner Substanzen geflutet wird.
Unter einem penetrant einsetzenden Würgen schubse ich meinen Kumpel von der Schüssel und reiße die Abdeckung von der Wand, um diesen unschönen Wasserfall zu stoppen.
"Hey!"
"Halt die Klappe und stell dich in die Dusche oder sonst wo hin. Ich muss die Überflutung stoppen!" Ungestüm reiße ich an dem ganzen Plastikkram herum, bis der Wasserfluss tatsächlich versiegt und ich wieder erleichtert aufatme.
"Deine Klamotten kannst du auch gleich mit waschen, Leo!"
"Ach, was du nicht sagst!", schnaube ich vor mich hin und schaue mir das genaue Ausmaß der stinkenden Flutwelle genauer an.

Leben verbocken; Jetzt geht es als "Mayer" weiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt