Kapitel 95. Die dunkelste Stunde

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Disclaimer: Sexuelle Handlungen in diesem Kapitel.

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Der Schwung riss sie mit und sie prallten zu Boden wie zwei, die um ihr Leben ringen. „War das dein erster Kuss?", wollte er wissen.

Ihr Herz hämmerte so laut, dass es das Meeresrauschen übertönte. Sie nickte.

„Meiner auch."

„Ehrlich?"

„Du denkst, ich habe mich einmal durchs Frankenreich geschlafen, nicht wahr?" Beowulf verlagerte sein Gewicht. „Es war eher so: Die eine war aus meiner Heimat und die andere... Hexen küssen nicht."

„Haben die Frauen im Norden Trollblut in den Adern oder was willst du damit sagen?"

Er lachte und ihre Mundwinkel zuckten. „Die sind einfach aus einem anderen Holz geschnitzt", flüsterte er, beugte sich hinunter und küsste sie noch einmal. Turid, zäher als sie alle, bewegte sich nicht.

„Das ist schon etwas eklig", meinte sie, als er ihre Unterlippe losließ.

„Gefällt es dir nicht?"

„Nein. Dir?"

„Oh. Ich dachte... das muss man mögen. Schließlich machen es alle so."

Sie schüttelte ratlos den Kopf.

„Ich gebe zu, es ist anders, als Haut zu küssen." Und damit legte sich erwartungsvolle Stille über die Felsspalte, die er sich ewig wünschte, nur um Turid länger betrachten zu können.

Sie hielt den Atem an. „Wenn du möchtest", antwortete sie kaum hörbar.

Das Herz in ihrer Brust erzählte eine andere Geschichte. Seufzend drehte er sich auf den Rücken. „Verzeih. Ich wusste nicht, dass du immer noch Angst davor hast."

„Ich habe keine Angst davor, mit dir zu schlafen! Ich mag dich, verdammt nochmal."

„Sicher?"

„Hör schon auf", schnaubte sie.

„Noch hast du Zeit, dich zu entscheiden." Wie beiläufig führte Beowulf ihre Hand an seine Hemdknöpfe. Auch wenn er sich in dieser dunkelsten Stunde nichts sehnlicher wünschte, als sich mit ihr im Vergessen zu wälzen, entging ihm nicht, wie sie sich versteifte. „Wir können auch nur beieinander liegen", schlug er vor.

„Ja?" Turid zog den Stoff vorsichtig auseinander.

„Selbstverständlich. Ich würde alles für dich tun."

Sie strahlte und sein Herz machte einen Satz. „Das hast du weiß Gott oft genug bewiesen. Ich würde auch alles für dich tun – du wirst schon sehen."

„Hoffentlich zählst du das hier nicht dazu", sagte Beowulf, doch sein Grinsen fiel beim Anblick ihrer Miene ab wie eine Maske. „Nein", stieß er hervor. Die Finsternis drängte sich zwischen sie, als er zurückwich, und mit ihr kam die Erinnerung daran, dass sie Hadubrand zu ihnen bringen würde, so wie der Sturmwind den Winter mit sich trug. Sicher spürte Turid es, denn ihre Wangen waren noch weißer als sonst, wie Schnee.

„Ich – ich mache es gerne für dich", sagte sie mit weit aufgerissenen Augen.

Er hätte es wissen müssen. „Schlaf, solange du kannst", entgegnete er nur und wandte sich ab.

Sie stützte sich auf die Unterarme, um nach seiner Hand zu greifen. „Versteh doch. Einem Mann, den ich nicht liebe, würde ich mich nicht hingeben!"

„Hingeben?!", wiederholte er. „Hingabe ist nichts für mich. Du solltest es wollen, spätestens jetzt, da du keine Jungfrau mehr bist, aber du – du würdest dich am liebsten wie ein totes Stück Fleisch benehmen!"

Turid und die FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt