Kapitel 89. Etwas

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„Wie geht es dir?", fragte sie einige Stunden später. Die Höhle hüllte sie still und unverändert ein wie schwarzes Wasser.

„Wie du hören kannst, bin ich nervös." Beowulf deutete sich auf Brust, wo sein Herz hämmerte. Er hatte es schon lange nur mehr mit Glück unter Kontrolle.

„Ja, ich auch. Körperlich, meinte ich."

„Oh. Es geht, aber ich befürchte, das wird nicht lange so bleiben."

„Und deine Hand kannst du noch immer nicht benutzen", seufzte sie. Die wird nicht mehr, dachte er, sagte aber nichts. Nun, wenigstens spürte er sie noch, das kam ihnen jetzt entgegen.

Sie schluckte und stopfte den Rest ihrer undefinierbaren Mahlzeit zurück in den Korb. In ihrer Nische gab es kein Wasser, mit dem Turid sie hätte hinunterspülen können – ein Grund mehr, sich nicht länger zu verstecken. „Du bist dir sicher?" Der Blick, den sie ihm zuwarf, entfachte in ihm eine Wärme, die es an einem Ort wie diesem nicht geben sollte. Noch weniger passte sie zu ihrem bleichen Gesicht, das er nicht aufhören konnte anzustarren.

„Ja", sagte er.

„Es tut mir leid", sagte sie nur.

„Halb so wild."

„Wie genau willst du..."

„Lass das meine Sorge sein, ja?" Er beugte sich über das Loch, durch das sie gekrabbelt waren, und sah die Lichtrinne vor seinem inneren Auge. Memme, schimpfte er sich.

„Ich habe Angst", sagte Turid sachlich.

„Frag mich." Hatte er mehr Angst um sich oder um sie? Er zögerte, nicht, weil er sich vor der Spalte fürchtete, sondern weil er das Gefühl von Sicherheit in seinem Rücken nicht verlieren wollte. Vor allem, da er fest davon überzeugt war, dass weder er noch Hadubrand für die rätselhaften Ereignisse verantwortlich waren – auch, wenn er Turid etwas anderes erzählt hatte. Er sah zu ihr, die schon fertig bepackt in der Dunkelheit stand und mit finsterer Miene zu Boden stierte. „Also", sagte er. „Dann müssen wir wohl."

Sie trat vor und umarmte ihn.

Beowulf erlaubte sich, es kurz zu genießen, und als er sich zurücklehnte, um sie betrachten zu können, rebellierte etwas in ihm. „Ich komme. Versprochen."

„Und wenn nicht?."

Er schüttelte den Kopf. „Hadubrand will dich um jeden Preis. Um mich kann er sich später kümmern." Gerade wollte er sich von ihr lösen, da packte sie ihn am Kragen. Jedes Haar auf seiner Haut stellte sich auf. „Was ist?"

„Wir dürfen nicht. Er weiß etwas, das wir nicht wissen! Warum sonst ist er noch nicht gekommen?"

„Meine Anwesenheit hindert ihn daran. Es tut ihm weh."

„Warum hat er dich dann überhaupt hergebracht, anstatt mich einfach zu ködern und zu verschlingen, sobald ich aus meiner Deckung gehe? Es ist nicht so, dass er jemanden schicken kann, der die Drecksarbeit für ihn erledigt!"

„Er hat immer seinen Grund." Er lächelte traurig. „Vielleicht will er, dass ich zusehe, wenn er dich..."

„Kein Spiel kann ihm so viel wert sein. Es ergibt keinen Sinn."

„Wir haben keine Wahl."

Sie senkte den Blick, nickte und drückte ihn zum Loch. Sie wollten alle beide mit den Füßen voran hineinsteigen – um in Hadubrands Gruselkammer so schnell wie möglich die Beine in die Hand nehmen zu können. Nicht, dass das irgendetwas ausgemacht hätte.

Turid und die FinsternisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt