Chapter Twenty Five

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Autumn

Es wäre eine Lüge zu sagen, dass mich Calebs Erscheinen nicht überraschte. Gerechnet hatte ich nicht damit. Eigentlich hatte ich mich auf einen tristen Abend mit mir allein eingestellt. Meine Eltern würden in den nächsten paar Stunden zwar eintrudeln, doch bis dahin blieb genug Zeit mich zu langweilen und selbst zu bemitleiden. Ich konnte nicht leugnen, dass ich mich wieder schlechter fühlte. Allerdings musste ich auch zugeben, dass ich selbst daran schuld war. Caleb hatte mir geraten im Bett zu bleiben und mich auszuruhen. Beides Dinge, die ich nicht getan hatte. Denn statt mich nach den Frühstückvorbereitungen wieder hinzulegen, hatte ich die Zimmer geputzt, die heute frei geworden waren und im Büro die Bestelllisten überprüft und abgeschickt. Ich konnte also niemandem außer mir selbst die Schuld geben und musste mit den Konsequenzen leben.

Ich hatte Caleb mit Absicht den Vortritt gelassen. So würde ihm hoffentlich nicht auffallen, wie schwer es mir in Wahrheit fiel auf den Beinen zu bleiben. Einen Fuß vor den anderen zu setzen. Eine Predigt seinerseits wollte ich mir nicht anhören. Er musste es einfach nicht erfahren und wir wären alle glücklich und zufrieden. Ich stand teilnahmslos daneben und hielt die Theke umklammert, während Caleb das Essen auspackte und Teller aus den Schränken nahm. Ich zwang mich wenigstens das Besteck aus der Schublade zu holen. »Worauf hast du Lust?«, stützte Caleb sich mit den Ellenbogen auf der Anrichte ab und musterte mich ungeniert. Ich kam mir dabei irgendwie blöd vor. Ich sah beschissen aus. Ungemachte Haare, eine einfache Leggings, ein zerknittertes Shirt, keinen BH, dafür aber unauffällig, prüfende Blicke, ob man irgendwas durchsah. Das ergab sicherlich nicht das Bild, was Jungs gerne sehen wollten.

»Ähm...«, war ich überfordert von der vielen Auswahl. »Was möchtest du davon denn essen? Schließlich hast du es gekauft«, wollte ich noch immer nicht glauben, dass er für uns beide Essen geholt hatte. Einfach so. Ohne, dass wir verabredet waren oder andere Bedingungen. »Du hast freie Wahl. Ich esse alles davon. Sonst hätte ich es ja nicht geholt«, machte Caleb es mir nicht gerade leichter. »Ich mache dir einen Vorschlag. Ich mach das mit dem Essen und du suchst derweil einen Film raus. Abgemacht?«, hielt er mir ernsthaft die Hand hin. »Überredet«, schlug ich schmunzelnd ein und lief ins Wohnzimmer. Mit vorsichtigen Schritten und dem Bewusstsein, dass Caleb mich beobachtete und eins und eins zusammenzählte. Ich richtete die unordentlich verteilten Kissen und schnappte mir die Fernbedienung. Eingemummelt in eine weiche Decke, öffnete ich Disney Plus.

Ich hatte die Angewohnheit, wenn ich krank war oder es mir schlecht ging, Disneyfilme zu sehen. Verurteiltet mich dafür, aber ich stand dazu. Sie heiterten mich jedes Mal auf und ließen mich fast vergessen, dass ich mich nicht gut fühlte. Sie katapultierten mich zurück in meine unbeschwerte Kindheit. In die Zeit, in der ich noch normal war und keinen Knacks weg hatte. »Ihre Essenslieferung My Lady«, war ich so vertieft in die Filmauswahl, dass ich zusammenzuckte, als Caleb plötzlich neben mir auftauchte. Er stellte mir einen vollbeladenen Teller auf den Schoß, seinen eigenen auf den Tisch, bevor er nochmal in der Küche verschwand und ich mich fragte, wer das alles essen sollte. Damit hätte man vermutlich vier Personen satt bekommen. Aber ich wollte mich nicht deswegen beschweren. Ich fand es schön, dass er an mich gedacht hatte. Es löste ein angenehmes Kribbeln in meiner Magengegend und in der Region weiter unten aus.

Ein leises Lachen konnte ich mir nicht verkneifen, als ich sah, was er für eine Lösung gefunden hatte. Nämlich jedes einzelne Gericht zu teilen, damit jeder von jedem etwas hatte. »Was hast du ausgesucht?«, tauchte er wieder auf. In seinen Händen zwei Tassen Tee. Er stellte beide auf dem Tisch ab und ließ sich neben mir nieder, wo er seine Weste auszog. Er legte sie auf die Lehne neben sich und griff nach seinem Teller. »Du hast die Wahl zwischen Disney und Disney. Und ich akzeptiere keine Widerworte«, hob ich mahnend den Finger. Halb ernst gemeint. Vermutlich würde ich heute sogar eine Ausnahme machen und ihm zuliebe etwas anderes schauen, weil er sich um mich kümmerte, ohne, dass er es tun müsste. »Dann nehme ich wohl Disney«, hielt sich seine Begeisterung in Grenzen. Trotzdem versuchte er nicht mich umzustimmen. Und ich beschloss, dass es okay für ihn war.

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