Sekiz ( Acht)

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23.12.2024

Hallo liebes Tagebuch,
mein Selbstmordversuch ist gescheitert. Es fühlt sich seltsam an, das hier zu schreiben, als wäre es ein fremdes Leben, das ich beobachte. Aber es ist mein Leben, und ich bin immer noch hier, obwohl ich mir so sicher war, dass ich es nicht mehr schaffen wurde. Fast ein ganzes Jahr habe ich nun in der Rehabilitationsklinik verbracht. Die Tage sind ineinander verschmolzen, ein endloser Strom aus Therapie, Schmerzen und dem Versuch, das, was ich war, wieder zusammenzusetzen. Ich musste alles neu lernen - selbst das Laufen war eine Herausforderung, die mich oft an den Rand der Verzweiflung gebracht hat.

Es fällt mir immer noch schwer, mich an die einfachsten Dinge zu erinnern oder sie zu tun. Nichts ist mehr wie vorher, und manchmal frage ich mich, ob ich je wieder die Person sein werde, die ich einmal war. Doch heute ist ein besonderer Tag, denn heute werde ich endlich abgeholt. Ich darf die Klinik verlassen und meine Tochter wiedersehen. Der Gedanke daran erfüllt mich mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung.
Kerem weiß jetzt Bescheid. Erst gestern habe ich es ihm erzählt, dass ich versucht habe, mir das Leben zu nehmen. Seine Reaktion war anders, als ich erwartet hatte. Kein Vorwurf, keine Wut - nur Verständnis und die feste Zusage, dass er alles tun wird, um mir zu helfen. Er hat mir verspro-chen, Zümra nach Istanbul zu bringen und sie mir dort zu übergeben. In einer Woche wird sie drei Jahre alt, und ich kann kaum glauben, dass ich diesen Tag erleben darf.

Baris besteht immer noch auf dem Vaterschaftstest, und ich weiß, dass ich ihm den geben muss. Doch alles zu seiner Zeit. Es gibt so vieles, was ich erst in Ordnung bringen muss, bevor ich mich dieser Konfrontation stellen kann. Am meisten fürchte ich mich davor, das Sorgerecht für Zümra zu verlieren. Sie ist mein Ein und Alles, der einzige Lichtblick in all der Dunkelheit, die mich umgibt.
Aber ich werde kämpfen. Für sie, für uns beide. Vielleicht gibt es doch noch eine Chance, dass wir eines Tages ein normales Leben führen können.

Ich wartete vor der Klinik, zusammen mit einer Krankenschwester, darauf, abgeholt zu werden.

Es dauerte nicht lange, bis Cenk und Elif ankamen. Ich wusste, dass die kommenden Wochen und Monate viel Kraft und Nerven kosten würden, aber der Gedanke, bald bei meiner Tochter zu sein, gab mir die nötige Stärke. Niemand wird uns mehr trennen können.

Ich habe mir fest vorgenommen, nach Istanbul zurückzukehren, einen Job zu finden – all das, was ich schon so lange tun wollte. Nur dieses Mal werde ich es wirklich durchziehen. Ich möchte mein Leben leben. Ich möchte Mama sein. Ich möchte keine Angst mehr haben.

Ich möchte frei sein. Doch der Gedanke, dass meine Mutter mich gestern angerufen hat, weil sie von meinem Selbstmordversuch erfahren hat, lässt mich nicht los.

Die Medien und die Presse berichten darüber, aber niemand interessiert sich wirklich dafür, wie es mir geht.

Der Flug nach Istanbul dauerte fast 10 Stunden.

Ich wollte mein Tagebuch herausholen – mein Notizbuch, das fast überquoll vor all den Dingen, die ich in der letzten Zeit hineingeschrieben hatte. Mein ganzes Herz und meine ganze Seele sind in dieses Buch geflossen.

Niemand darf es jemals lesen. Es ist der letzte Teil von mir, der noch mit der Vergangenheit verbunden ist.

Als wir endlich in Istanbul landeten, wurde ich im Rollstuhl durch den ganzen Flughafen geschoben. So eine große Strecke konnte ich noch nicht laufen.

Ich wollte mich nicht zu sehr belasten, aber der Gedanke daran, dass meine Tochter nur noch ein paar Stunden von mir entfernt ist, erwärmte mein Herz.

Doch plötzlich, als wir am Ausgang des Flughafens ankamen, sah ich Barış. Er sah mir in die Augen, und ich konnte ihm die Erleichterung ansehen, doch ich verstand es nicht. Was suchte er hier? Was wollte er?

Ich stand auf und beschloss, dass ich jetzt laufen möchte. Ein bisschen Belastung durfte ich mir zutrauen. Ich ging an ihm vorbei, doch er packte mich am Handgelenk, und ich sah zu ihm.

„Was willst du von mir?"fragte ich ihn.

Er sah mir tief in die Augen und sagte: ,,Ich möchte, dass wir zusammen zu unserer Tochter gehen."

"Unsere Tochter?" fragte ich ihn überrascht. "Du hast uns rausgeschmissen. Du hast mich angeschrien. Du hast mich fertig gemacht, und jetzt auf einmal ist sie deine Tochter?"

"Ja, das ist sie," antwortete er bestimmt.

Ich fragte mich, ob er wusste, bei wem sie war, doch er beantwortete sich die Frage schnell selbst.

"Kerem hat mich gestern kontaktiert,"sagte er, "sie ist bei ihm, und du brauchst dir keine Sorgen zu machen."

"Ist das dein Ernst?Wieso übergibst du unsere Tochter ihm?" Ich konnte mich nicht mehr zurückhalten. Ich schrie ihn nur noch an:
,,Du hast uns rausgeschmissen! Du wolltest sie nicht, als ich sie dir übergeben wollte! Du hast mein Leben zerstört! Du hast alles zerstört! Ich hasse dich! Verschwinde aus meinem Leben!" Die Tränen liefen mir über die Wangen.
Das Gespräch hatten wir doch schon.

Ich konnte mich nicht zurückhalten, ich konnte nicht anders. Natürlich meinte ich das alles nicht so, aber ich ging einfach weg, zu Cenk und Elif, und stieg ins Auto ein.

Die Fahrt dauerte vielleicht zwei Stunden.
Die Zeit verging wie im Flug und gleichzeitig quälend langsam.

Es fühlte sich an wie Jahre, bis wir endlich vor dem Haus standen, in dem meine Tochter sein würde. Ich fing an zu weinen, als ich das Haus von Cenk und Elif sah.

Ich ging hinein und sah Zümra auf dem Boden sitzen und spielen.

Sie sah mich mit ihren großen Augen an, doch sie zeigte keine Reaktion. Ich nahm sie in meine Arme und bedeckte ihr Gesicht mit Küssen. Ich hatte sie so sehr vermisst.

Ich hatte ihren Duft vermisst. Sie ist alles für mich. Sie ist so groß geworden.

Ich sah zu Kerem, und ihm war die Sorge anzusehen. "Danke, Kerem. Danke. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich bin dir so dankbar dafür, dass du auf sie aufgepasst hast. Es tut mir so leid, dass ich dir die Wahrheit nicht früher erzählt habe. Ich..."

Er unterbrach mich und sagte: "Kein Problem. Ich mache alles für dich. Du kannst mir alles erzählen. Ich bin immer für dich da. Wenn dir etwas auf dem Herzen liegt, erzähl es mir."

Doch das Einzige, was für mich zählt, ist, dass ich wieder bei meiner Tochter bin.

Aşkın Maçı: Yeni Bir BaşlangıçWo Geschichten leben. Entdecke jetzt