89. Krankenhaus

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Aiden P.O.V.

00:23 Uhr

„Schatz alles wird gut..", flüstert mir meine Mutter beruhigend zu, während sie mir über den Rücken streicht. Doch solange Olivia nicht gesund und unversehrt in meinen Armen liegt, glaube ich ihr kein Wort.

Schon eine gefühlte Ewigkeit gehe ich im Krankenhauszimmer auf und ab, während meine Mutter immer wieder vergebens probiert mich zu beruhigen.

„Setz dich wenigstens ein bisschen hin, Schatz.", sagt meine Mutter ruhig, und deutet mir auf den Sessel neben sich. Da mein Körper ohnehin erschöpft ist, höre ich auf sie und setze mich neben sie hin.

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07:08 Uhr

Das erste Tageslicht dringt bereits in den Raum, als Olivia von der Aufwachstation zurückgebracht wird. Als die Tür aufgeht, zucke ich zusammen.

Schnell springe ich von meinem Sessel auf und laufe zu ihrem Bett, welches gerade von einem Pfleger hereingeschoben wird. Mit ihr kommen unzählige piepsende Geräte ins Zimmer, die an ihr angeschlossen sind.

„Süße... hey...", flüstere ich mit schwacher Stimme, während mir Tränen über die Wangen laufen.

„Aiden... komm, lass ihr ein wenig Platz", sagt meine Mutter sanft und deutet mir, Abstand zu nehmen, bis das Bett richtig steht. Widerwillig lasse ich Olivias Hand los und trete ein paar Schritte zurück.

Kaum hat der Pfleger das Bett an die Wand geschoben, ziehe ich meinen Sessel so nah heran, dass ich ihre Hand wieder greifen kann. Behutsam hebe ich ihre Hand und lege sanft meine Lippen auf ihren Handrücken. Es dauert nicht lange bis ihre Haut nass von meinen Tränen ist.

„Ich liebe dich so sehr Olivia...", flüstere ich, obwohl ich weiß, dass sie es wahrscheinlich nicht hören kann.

Die Tür öffnet sich erneut, und ein Arzt betritt den Raum. Sofort richte ich meine Aufmerksamkeit auf ihn.

„Ist alles gut verlaufen?", frage ich fast hektisch, während ich Olivias Hand keine Sekunde dabei loslasse.

Der Arzt nickt. Sein Ausdruck ist dennoch ernst.

„Ja, die Operation ist gut verlaufen", beginnt er ruhig, „Aber es war sehr kritisch. Olivia hat fast 2 Liter Blut verloren. Die Kugel hat zum Glück keine großen Organe direkt getroffen, aber sie hat ein Gefäß verletzt, was den starken Blutverlust verursacht hat. Wir haben die Blutung unter Kontrolle bekommen und das verletzte Gewebe genäht. Sie hat mehrere Bluttransfusionen erhalten. Momentan ist sie stabil."

Der Arzt hält einen Moment inne, um sicherzugehen, dass ich alles verstehe.

„Das Risiko für Komplikationen wie Infektionen oder Nachblutungen ist noch nicht ganz vorbei..", fährt er fort, „..aber wir überwachen sie engmaschig und haben alles vorbereitet, um sofort eingreifen zu können, falls nötig."

Ich nicke langsam und versuche seine Worte zu verarbeiten.

„Sie braucht jetzt viel Ruhe. Sie wird mindestens 3 Wochen hierbleiben."

„Okay ich bleibe auch hier.", sage ich ohne zu Zögern.

Der Arzt sieht mich an, mustert meinen entschlossenen Ausdruck. Dann spüre ich die Hand meiner Mutter an meiner Schulter.

„Schatz, du hast die nächsten Wochen doch Unterricht für deine Abschlussprüfungen und solltest du dich nicht selbst ausruhen, immerh-"

„Mom.", unterbreche ich sie ernst, und werfe ihr einen eindeutigen Blick zu.

Sie seufzt einmal ein, nickt jedoch schließlich.

„Okay...Ich fahre gleich Nachhause und hole dir ein paar Sachen.", sagt sie ruhig und drückt mir einem Kuss auf die Wange.

Sie nickt dem Arzt verabschiedend zu und verlässt schließlich das Krankenhauszimmer.

„Sie können bei ihr bleiben, aber denken Sie auch an Ihre eigene Gesundheit.", sagt der Arzt ernst.

Ich nicke.

„Wenn Sie Fragen haben oder etwas brauchen, zögern Sie nicht, das Pflegepersonal zu informieren. Olivia ist in guten Händen."

Ich sehe zu Olivia, zu dem Menschen, der mir mehr bedeutet, als alles andere und spüre wie sich meine Augen wieder mit Tränen füllen.

„Danke, dass Sie ihr geholfen haben", sage ich leise, den Blick immer noch auf sie gerichtet.

Der Arzt lächelt leicht und verabschiedet sich dann leise aus dem Raum, während ich sie einfach nur ansehe. Mit ihrer Hand in meiner, verspreche ich ihr, nicht von ihrer Seite zu weichen, bis sie wieder vollkommen gesund ist.

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Ich schrecke aus einem unruhigen Schlaf hoch, als die Tür zum Krankenhauszimmer aufgeht. Noch etwas verschlafen sehe ich mich um. Ich halte Olivias Hand immer noch fest in meiner, während mein Nacken mir zu spüren gibt, dass die sitzende Position mit einem Kopf auf dem Rand des Bettes wohl nicht die beste war.

Schmerzverzerrt dehne ich meinen Nacken in beide Richtungen, als ich meine Mutter mit einer Reisetasche reinkommen sehe.

„Hallo Schatz.", sagt sie, mit einem gezwungenen Lächeln.

„Hi..", sage ich schwach und wende meinen Blick wieder zu Olivia, welche immer noch tief und fest schläft. „Wie spät ist es?"

„10:30 Uhr. Aiden ich finde du solltest mal etwas essen und dich umziehen. Nimm dir doch wenigstens 15 Minuten für dich, okay?"

Sofort schüttel ich den Kopf. „Ich will sie nicht alleine lassen..ich hab Angst, dass etwas passiert und ich nicht hier bin.", sage ich zittrig.

Meine Mutter atmet seufzend ein und kommt zu mir. Sie geht neben mir in die Hocke und legt ihre Hand auf meinen Unterarm.

„Ich bleib bei Olivia, während du weg bist okay?", sagt sie mit einer beruhigenden Stimme. „Ihr wird nichts passieren."

Ich zögere und überlege mehrere Sekunden lang. Schließlich nicke ich jedoch. Widerwillig lasse ich ihre Hand los. Meine Mutter lächelt mir ermutigend zu.

Langsam stehe ich vom Sessel auf, meine Beine fühlen sich schwer und müde an. Jeder Schritt weg von Olivias Bett fühlt sich an, als würde ich sie im Stich lassen. Meine Mutter setzt sich an den Rand des Bettes und nimmt Olivias Hand in ihre.

Mit einem letzten Blick auf Olivia gehe ich ins Badezimmer. Ich drehe die Dusche auf und stelle mich schließlich unter das angenehm warme Wasser. Nach der Dusche ziehe ich mir frisches Shirt und eine Jogginghose an. Ich werfe einen flüchtigen Blick in den Spiegel. Meine Augen wirken müde, dunkle Schatten haben sich unter ihnen gebildet, man sieht mir an wie schrecklich die letzten Stunden waren. Ein tiefes Seufzen entweicht mir, bevor ich mich entschließe, das Zimmer zu verlassen.

„Ich hole mir schnell was zu essen, soll ich dir was mitnehmen?", frage ich meine Mutter die immer noch Olivias Hand hält.

„Nein Schatz, aber lieb dass du fragst..", sagt sie und lächelt mir zu. Ich nicke ihr zu, verlasse das Zimmer und schließe die Tür hinter mir leise.

Die Luft im Flur ist kühl und riecht nach Desinfektionsmittel. Die sterile Umgebung des Krankenhauses fühlt sich erdrückend schwer an. Ich versuche, meine Gedanken zu ordnen, doch sie rasen wild durcheinander. Immer wieder sehe ich Olivias blasses Gesicht vor mir, das leise Piepen der Maschinen hallt in meinem Kopf nach.

Ich gehe den Gang entlang als ich plötzlich erstarre. Etwa 15 Meter weiter sehe ich Alina und Marcus in meine Richtung kommen. Fast abrupt stoppen sie in ihrer Bewegung als sie mich sehen. Sie stehen da, beide mit leeren Blicken, ihre Gesichter gezeichnet von Erschöpfung und Sorge.

Ich spüre, dass wir alle dasselbe fühlen. Dieselbe Angst, dieselbe Verzweiflung. Dann löst sich die Starre, und wir gehen zügig aufeinander zu. Ohne Worte fallen wir uns in die Arme. Tränen brennen in meinen Augen, während ich Alina und Marcus fest an mich drücke.

OliviaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt