Olivia

92. Erste Schritte

Nächster Tag: Dienstag

09:35 Uhr

Olivias Zustand wird durchgehend besser. Sie hat die gesamte Nacht ruhig geschlafen, wodurch auch ich ein paar Stunden schlafen konnte. Seit 9 Uhr ist sie wach. Auch wenn sie aufgrund der Schmerzen nicht wirklich reden möchte, hört sie mir aufmerksam zu wenn ich wieder irgendetwas erzähle.

Das Krankenhausessen lässt zu wünschen übrig, weshalb ich ihr aus dem Lebensmittelgeschäft im Erdgeschoss ein Jogurt und paar Müsliriegel besorgt habe.

Es klopft an der Tür und beide unsere Blicke hasten in die Richtung. Eine sportlich bekleidete Dame betritt das Zimmer. Sie begrüßt Olivia mit einem warmen Lächeln, und nickt auch mir begrüßend zu.

„Guten Morgen Olivia. Ich bin deine Physiotherapeutin. Heute wollen wir einen kleinen Schritt nach vorne machen", sagt sie sanft, aber bestimmt. „Wir werden versuchen, dich aus dem Bett zu bekommen und auf die Beine zu stellen, damit du ein paar Schritte gehen kannst."

Olivia sieht sie mit einem Ausdruck aus Angst und Erschöpfung an.

„Es ist wichtig, dass du wieder etwas in Bewegung kommst. Auch wenn es nur kleine Schritte sind.", sagt die Therapeutin entschlossen.

„Kann ich irgendwie helfen?", frage ich und stehe von meinem Sessel auf.

„Sehr gerne, du kannst helfen, indem du Olivia mit mir gemeinsam stützt. Aber sei darauf vorbereitet, dass es nicht leicht wird. Ihr Kreislauf wird sehr sehr schwach sein."

Ich nicke entschlossen, ohne einen Moment zu zögern.

„Gut Olivia, wenn du bereit bist, würden wir anfangen.", sagt die Therapeutin woraufhin Olivia etwas unbegeistert nickt.

Ich stelle mich auf die eine Seite des Bettes, die Therapeutin auf die andere. Gemeinsam bringen wir Olivia langsam in eine sitzende Position. Ich spüre, wie ihr Körper gegen die Bewegung protestiert – jeder Muskel, jede Faser scheint sich anzuspannen. Ihre Augen sind fest geschlossen, und sie atmet flach und schnell durch die Nase, um die Schmerzen zu ertragen. Ich rede beruhigend auf sie ein, versuche, ihre Aufmerksamkeit auf meine Stimme zu lenken.

„Alles gut, du machst das toll..", flüstere ich ihr zu. Ihre Beinen hängen nun vom Bett, bereit die letzten Zentimeter zum Boden zu überwinden und aufzustehen.

„Okay, Olivia, jetzt versuchen wir, dich zum Stehen zu bringen", sagt die Therapeutin sanft. „Stell deine Füße auf den Boden, ganz langsam. Aiden, halte sie gut fest."

Ich spüre das Zittern in Olivias Körper, als sie sich an mir festklammert. Ihre Füße berühren den kalten Boden. Langsam, mit meiner Unterstützung auf einer Seite und der der Physiotherapeutin auf der anderen, beginnt sie sich aufzurichten.

„Du machst das toll, Süße.", flüstere ich ihr zu.

Kaum steht sie, fällt ihr Kopf leicht nach vorne, und ich spüre, wie ihr Gewicht stärker auf mir lastet. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich merke, dass ihr Kreislauf zu kollabieren droht.

„Atme langsam und tief durch, es ist ganz normal, dass der Kreislauf schwach ist.", sagt die Therapeutin entspannt.

Mit unendlicher Mühe hebt sie ihren Kopf wieder und öffnet die Augen. Ihre Atmung ist flach, aber regelmäßig. Ihre Beine zittern unter dem Gewicht, und ich spüre, wie sehr sie kämpft, um nicht wieder in sich zusammenzusinken.

„Das ist großartig, Olivia", ermutigt die Therapeutin. „Ganz ruhig, einen Moment noch stehen bleiben. Aiden, halte sie fest."

Ich tue, wie mir gesagt wird, lege meinen Hand noch fester um ihre Hand und auf ihren Rücken. Ich spüre die Anstrengung ihres Körpers, der verzweifelt versucht, sich an diese neue Anstrengung zu gewöhnen.