Kapitel 7

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Allys Sicht:

"Mach's gut." sage ich zu Kiki und drücke sie ganz fest. "Rede mit ihm über das, was du fühlst, okay?" flüstert sie. Ich nicke. "Bis dann, Süße. Meldest du dich später bei mir?" Ich nicke erneut. "Gut. Tschüss, Marco." verabschiedet sie sich und er winkt ihr lächelnd. "Und? Wie war euer Tag?" fragt er mich und küsst mich. "War schön." antworte ich wahrheitsgemäß. Er hebt mich aus dem Rollstuhl und setzt mich ins Auto. Anschließend verstaut er den Rollstuhl im Kofferraum und steigt dann selber ins Auto. "Was ist los? Du bist so ruhig." Er streichelt mir kurz über die Wange. Er macht sich Sorgen. Ich will aber nicht, dass er sich Sorgen macht. "Es ist alles in Ordnung." versichere ich ihm. "Na schön. Lass uns erst einmal Hannah und Marah abholen und dann fahren wir nach Hause und reden, okay? Du kannst mir nicht erzählen, dass alles gut sei, Ally. Wir sind seit 16 Jahren zusammen, seit fast 8 Jahren verheiratet. Mittlerweile solltest du wissen, dass ich dich in und auswendig kenne." Ich lächle. Ja, da hat er definitiv recht. "Ich liebe dich, Schatz, und das weißt du auch. Genauso wie auch weißt, dass du mir mir über alles reden kannst." Ich nicke. Natürlich kann ich mir ihm über alles reden. Das konnte ich immer. Aber im Moment fällt es mir schwer. Ich sehe aus dem Fenster. Sie Stadt zieht an mir vorbei und meine Gedanken spielen verrückt. Ich weiß nicht, ob ich Marco wirklich davon erzählen soll. Aber er wird mich eh so lange nerven, bis ich damit rausrücke. Aber vielleicht sollte ich erst mit Mama darüber reden. Die wird mich wahrscheinlich am besten verstehen können.

Marco steigt aus dem Auto und hilft mir dann auch beim Aussteigen. Ich fahre mit meien Rollstuhl Richtung Eingang, aber dort ist schon das erste Problem. Wie soll ich die drei Stufen vor der Haustür hoch kommen? Ich werde mir von Papa helfen lassen. Marco klingelt und will mich gerade hochheben, als ich ihn aber weg drücke und den Kopf schütttle. Ich habe meinen Eltern gestern schon am Telefon erzählt, was passiert ist und dass ich nicht mehr laufen kann. Ich wollte nicht mit der Tür ins Haus fallen und so im Rollstuhl bei ihnen auftauchen, ohne etwas gesagt zu haben. Die Tür geht auf und mein altes Twixibaby kommt mir entgegen. Das alte Mädchen ist schon ganz grau am Kopf und die Schnellste ist sie auch nicht mehr. (Ich weiß immer noch nicht, ob Twix eine Hündin oder ein Rüde ist!:'D) Ich hebe sie vorsichtig hoch und setze sie auf meinen Schoß. "Na Süße? Wie geht's dir?" Ich streichle sie und sie legt sich hin, während sie es genießt von mir gestreichelt zu werden. Es ist total schön, dass sie so alt ist. Carla hat nicht so lange gelebt. Sie ist vor ein paar Jahren gestorben. Coco ebenfalls.

"Da seid ihr ja." lächelt Mama uns an. Ich nicke. "Dann kommt mal rein." sie tritt beiseite. "Kannst du Papa rufen? Ich möchte, dass er mir hilft." Mum lächelt mich an und nickt, ehe sie nach Papa ruft, der daraufhin sofort angelaufen kommt. "Hey." lächelt er und kommt zu mir. Er setzt Twix auf den Boden und küsst dann meine Wange, ehe er mich hoch hebt und ins Haus trägt. Marco trägt uns den Rollstuhl hinterher, in den ich dann auch gleich wieder gesetzt werde. "Oh Schatz." seufzt Mama traurig und sieht mich an. Ich schüttle kaum merklich den Kopf, und sie versteht sofort. "Macht ihr uns Kaffee? Ally und ich gehen auf die Terrasse." lächelt Mum und schiebt mich durch die Stube nach draußen auf die Terrasse. "Ich nehme lieber Tee!" rufe ich meinem Mann und meinen Vater zu, woraufhin Mama lacht. "So, mein Kind, raus mit der Sprache." Ich seufze nur. "Das ist für dich viel schwerer, als du es zu gibst, habe ich recht?" Ich nicke und sehe runter auf meine Hände, die in meinem Schoß liegen. "Es gibt so vieles, was durch den scheiß Rollstuhl kaputt gemacht wird." murmle ich bedrückt. "Und was genau?" "Zum Beispiel unsere weitere Familienplanung. Du weißt, dass ich noch mehr Kinder möchte und Marco ja auch. Aber dank des Rollstuhls geht das nicht mehr. Ich kann meine Beine nicht mehr spüren, Mom! Wie soll ich denn da noch Kinder auf die Welt bringen und großziehen, geschweige denn mit meinem Mann schlafen?" "Weißt du, Schatz, es gibt so viele Frauen auf der Welt, die das gleiche Problem haben. Und trotzdem haben sie ein normales Liebeslenen und bringen Kinder zur Welt. Ich denke, dass du mit Marco darüber reden solltest. Ich bin mir sicher, dass ihr sehr wohl noch miteinander schlafen könnt. Es wird anders sein, da bin ich ganz ehrlich zu dir, aber es ist doch nicht unmöglich! Ich glaube, dass du dich da zu sehr hinein steigerst. Komm, wir schauen mal im Internet nach." Sie rückt näher zu mir und holt ihr Handy hervor. Mir ist es überhaupt nicht peinlich mit Mom da drüber zu reden. Wieso denn auch? Sie ist meine Mama und ich kann mit ihr über alles reden. "Hier." sagt sie und beginnt etwas vorzulesen: "Auswirkungen der Rückenmarksverletzung auf die Sexualität (Frauen)" Skeptisch sehe ich sie an. "Oh, warte kurz." Sie steht auf und schließt die Terrassentür, damit Marco und Papa uns nicht hören. "Bei Frauen bleibt je nach Läsionshöhe die Lubrikation, das heißt das Feuchtwerden der Scheide, aus. Die Sensibilität unterhalb des Lähmungsniveaus und die Orgasmusfähigkeit sind eingeschränkt. Keinen Einfluss hat die Rückenmarksverletzung auf Fruchtbarkeit und Empfängnis, da Eireifung und Eisprung hormonell gesteuert sind, und die Eizelle durch unwillkürliche Muskelkontraktionen des Eileiters und durch die Bewegung der Flimmerhärchen in die Gebärmutter gelangt. Sollte trotz sexueller Stimulation das Feuchtwerden der Scheide ausbleiben, kann diese fehlende Lubrikation einfach mit einem geeigneten Gleitmittel ausgeglichen werden, was eventuellen Verletzungen und möglichen Infektionen vorbeugt und das Eindringen durch den Partner erleichtert." "Oh man." murmle ich. "Was oh man? Bisschen Gleitgel und schon ist alles supi. "Mom!" sage ich entsetzt und schnappe etwas erschrocken nach Luft. Das ist dann doch etwas unangenehm. "Ach Ally. Was willst du denn noch hören? Es funktioniert durchaus! Und Babys kannst du auch im Rollstuhl austragen." "Aber das will ich nicht. Wie soll das denn gehen? Ich werde mein Baby nicht nach oben ins Bett bringen können, ich werde nicht mit meinem Baby spazieren gehen können, ich kann es nicht alleine großziehen! Wie soll ich das denn bitte schaffen?" "Wer sagt denn, dass du es alleine großziehen sollst?" Ich zucke zusammen und fahre herum. Marco lehnt in der nun offenen Terrassentür und sieht mich an. Ich senke den Blick. "Schatz, selbst wenn du nicht im Rollstuhl sitzen würdest, würdest du es nicht alleine großziehen müssen. Ich bin doch auch noch da!" "Ich weiß." seufze ich. Er stellt sich vor mich und geht dann in die Hocke, ehe er meine Wange streichelt. "Wir kriegen das schon hin. Zur Not müssen wir uns eben ein neues Haus bauen lassen, was Rollstuhlgerecht ist." Ich schnaube. "Sicherlich nicht, Marco. Weißt du wie viel das kostet?" "Der Umbau unseres jetzigen Hauses wird auch nicht viel billiger." Ich schüttle den Kopf. "Wir haben so einen schönen Hof, so ein schönes Haus. Der Baum ist schon ordentlich gewachsen, unser Teich ist so wunderschön. Das alles würden wir kaputt machen. Dann müssen wir das Haus eben einfach umbauen." murmle ich. "Ja, da hast du wohl recht." lächelt er mich an und küsst mich. "Mach dir keine Sorgen, Ally.  Wir bekommen das hin. Aber offenbar müssen wir noch über einiges reden, hm?" Ich nicke bedrückt und senke mal wieder den Blick. "Denk nicht so viel nach. Ich liebe dich." haucht er und küsst meine Stirn.

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