Kapitel 41

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Marahs Sicht:

Mit Longboard in der Hand gehe ich auf die Umkleide zu. Heute ist endlich wieder Fußballtraining. Ich öffne die Tür zur Umkleide und gehe hinein. Es stört mich nicht, dass ich mittlerweile das einzige Mädchen hier bin. Früher waren wir noch sechs Mädchen hier aber die sind alle nach und nach gegangen, weil sie sich in eine andere Richtung entwickelt haben. Ich aber nicht. Ich werde immer ein Mädchen bleiben, das Fußball und Skaten liebt. So bin ich eben. Es ist manchmal schwer sich in der Mannschaft durchzusetzen, aber das ist okay. Beim Fußball bin ich anders als in der Schule. Außer es geht um Dale. Er schüchtert mich einfach ein. Und Max ebenfalls. Ich ziehe mich um und binde meine langen blonden Haare zu einem hohen Zopf zusammen. Anschließend gehe ich nach draußen auf den Platz, wo sich bereits ein Teil der Mannschaft versammelt hat. Der Rest ist halb Mädchen und braucht Stunden beim Umziehen. Ich schmunzle über meinen Gedanken und trete einen Stein weg. "Hey! Wie war dein Name noch? Marah?" Ich drehe mich um und sehe Dale an. "J-ja.", stottere ich und senke eingeschüchtert den Blick. "Ich hab gesehen, dass du einen Hund gefunden hast." Ich sehe auf und muss kurz den Atem anhalten. Er sieht aus, als hätte er sich übel geprügelt. "Es ist meiner." Meine Augen werden groß. "Deiner?" Dale nickt und mustert mich. "Wie hast du es geschafft, dass er mit dir kommt? Normalerweise greift er alles und jeden an, der nicht meine Wenigkeit ist." Ich runzle die Stirn und zucke mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Ich habe ihm einfach seine Wunde verbunden und ihm gesagt, dass er mitkommen soll. Aber er hat meine Familie angebellt und angeknurrt." Dale schmunzelt. "Das klingt schon eher nach Sirius." Ich kichere. "Was ist so witzig?", "Du hast den Hund nachher einem Stern benannt?" Er schüttelt den Kopf. "Nach Sirius Black. Mein Hund sieht aus wie er in Gestalt des Grimms." Meine Augenbrauen heben sich verwundert. Er hat recht. "Ich mag ihn. Wir mussten ihn vom Tierarzt aber betäuben lassen, damit der Arzt ihn versorgen kann. Er wollte ihn immer wieder angreifen. Aber es geht ihm gut. Er ist bei mir Zuhause im Schuppen und erholt sich. Die Wunde an seinem Bein war ganz schön groß." Dale seufzt. "Fuck.", murmelt er und fährt sich durch die Haare. "Betäubt und vom Tierarzt versorgt? Die Rechnung kann doch kein Mensch bezahlen!", fährt er mich an. Ich zucke zusammen. "Mein Papa hat die Rechnung übernommen und hat gesagt, dass der Besitzer sich da auch keine Sorgen machen muss. Du musst es nicht zurückzahlen.", murmle ich mal wieder total eingeschüchtert. "Ich komme nach dem Training mit dir." Ich sehe ihn mit großen Augen an. "Mit zu mir?" Er lacht laut. "Bilde dir nichts ein, ich will nur meinen Hund abholen." Ich senke wieder den Blick. Diesmal drehe ich mich um und gehe weiter zum Trainer. Max ist auch hier und spielt hier Fußball. Das nervt mich ganz schön, denn durch ihn werde ich hier beim Fußball auch manchmal fertig gemacht. Er stiftet die anderen manchmal dazu an, mitzumachen.

Nach dem Training gehe ich mich in der Umkleide duschen. Das ist das Gute. Dadurch, dass ich das einzige Mädchen bin, bin ich auch in der Dusche alleine. Früher bin ich hier nicht duschen gegangen, weil es mir peinlich war. Heute ist niemand hier, dass ich mich schämen muss. Ich wickle mir mein Handtuch um den Körper und gehe zurück in den Umkleideraum. Aber der ist leer. Und mit leer, meine ich auch leer. Meine Sachen sind weg. Alles. Meine Schultasche, meine Sporttasche, meine Trainingsklamotten, meine normalen Klamotten, mein Longboard. Einfach alles. Ich halte mir geschockt die Hand vor den Mund. "Fuck.", murmle ich und sehe mich zur Sicherheit noch einmal um. Vielleicht wurden sie einfach hier versteckt. Aber nichts. Ich setze mich auf meinen Platz, wo normalerweise meine Sachen liegen und beginne zu schluchzen. Ich habe nicht einmal mein Handy hier. Das ist nämlich auch weg. Verzweifelt ziehe ich die Knie an die Brust und schlinge meine Arme um meine Beine. Das ist so demütigend. Ich weine weiter, weiß nicht, was ich tun soll. Wie soll ich denn hier wegkommen? Nach uns hat heute niemand mehr Training und ich kann ja wohl schlecht lediglich mit Handtuch bekleidet nach Hause laufen.

Jemand klopft laut gegen die Tür und ich zucke vor Schreck zusammen. Schnell stehe ich auf und gehe ängstlich zurück, bis ich mit dem Rücken gegen die Wand komme und zucke erneut zusammen. Wieder wird laut gegen die Tür gehämmert. "Ey! Beeil dich mal! Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!" Es ist Dale. Oh nein. "I-Ich k-kann ni-nicht.", stottere ich schluchzend. Kaum habe ich den Satz ausgesprochen reißt er die Tür auf und kommt rein. Ich kralle meine Fingernägel in das Handtuch, damit es mir auf keinen Fall vom Körper rutschen kann. Dale runzelt die Stirn und mustert mich von Kopf bis Fuß und zurück. Ich schlucke schwer. "Kannst du dich mal anziehen? Ich will meinen Hund haben.", murrt er genervt. "G-Geht nicht. M-Meine Sachen..." Wieder läuft mir eine Träne über die Wange. "Was denn? Was ist mit deinen Sachen, hm?", "Jemand hat m-meine S-Sachen geklaut. A-Alles weg." Dale sieht sich im Raum um und runzelt erneut die Stirn. Dann seufzt er und verlässt die Frauenumkleide. Ich lasse mich an der kalten Wand herunterrutschen. Erneut beginne ich zu schluchzen. Aber dann geht die Tür wieder auf. "Hier sind deine Sachen." Ich sehe auf und entdecke Dale, der meine Taschen und mein Longboard auf der Bank abstellt. Ich sehe ihn mit großen Augen an. "Wo waren sie?", "War alles draußen in der Papiertonne. Eine Idee, wer es gewesen sein könnte?" Ich nicke vorsichtig. "Wer?" Nun schüttle ich den Kopf und stehe langsam auf, das Handtuch halte ich ganz fest. Dale seufzt. "Ich warte vor der Tür." Und schon geht er. Ich ziehe mich ganz schnell an und durchsuche alles. Ob etwas fehlt? Nach ein paar Minuten steht es fest. Mein Handy und meine Kopfhörer fehlen. Mom und Dad reißen mir den Kopf ab. Beides war unglaublich teuer! Meine Socken wurden total zerschnitten. Das war definitiv Max. Ich seufze und stopfe die kaputten Socken in meine Sporttasche. Ich verlasse die Kabine und gehe zu Dale, der bereits draußen wartet. Er mustert meine Beine und runzelt die Stirn. "Wo sind Socken-Marahs Socken?" Ich senke den Blick. "Sie sind kaputt geschnitten.", murmle ich. "Zerschnitten? Ist sonst noch was kaputt?", "Ähm, nein, aber mein Handy und meine Kopfhörer wurden gestohlen." Dale schnaubt. "Welcher Wichser war es? Sag es mir." Ich schüttle den Kopf. "Warum soll ich es dir sagen? Du kannst mich doch nicht einmal leiden." Dale lacht leise. Ich mag sein Lachen irgendwie. "Wieso sagst du, dass ich dich nicht mag?" Ich zucke mit den Schultern. "Niemand mag mich. Zumindest niemand aus dieser Gottverdammtend Schule, auf die meine Eltern mich ja unbedingt schicken mussten.", "Du hast recht. Da bist du das Opfer. Ich verstehe zwar nicht, warum, aber ist mir egal. Für mich bist du ein Mädchen, welchem ich ab und zu über den Weg laufe. Nicht mehr, nicht weniger. Weder mag ich dich, noch mag ich dich nicht. Ich kenne dich nicht. Also kann ich gar nicht darüber urteilen, ob ich dich mag oder eben nicht." Ich sehe ihn verwirrt an. Ich hab noch nie so mit ihm geredet. "Naja, früher warst du ziemlich gemein zu mir.", rutscht es mir heraus. Und zu meinem Übel, hört er es auch. Dale sieht mich irritiert an. "Damals. Als wir Kinder waren.", versuche ich ihn zu erinnern. "Was war da?", "Ich war wegen dir im Krankenhaus. Du hast mich gefoult. Dabei habe ich mir das Fußgelenk gebrochen, die Hand verstaucht und eine leichte Gehirnerschütterung hatte ich auch." Dale lacht. "Stimmt, das warst du." Ich nicke und er sieht mich belustigt an. "Bist du nachtragend? Bist du noch immer sauer auf mich deswegen? Ich schüttle den Kopf. "Nein, das ist Jahre her. Wir müssen hier links.", murmle ich. Dale nickt und wir gehen weiter durch Dortmund.

Zuhause angekommen, schließe ich die Tür auf. "Ich bin Zuhause! Und ich habe den Besitzer gefunden!", rufe ich. Mein Papa kommt um die Ecke und mustert Dale. "Ich kenne dich. Du bist der aus Marahs Mannschaft, habe ich recht?", "Ja, Sir.", nickt Dale und reicht meinem Vater die Hand. Sir? Na nu' geht's los. Papa reicht mit den Schlüssel zum Schuppen. "Dein Hund ist ziemlich aggressiv, Junge." Dale seufzt. "Er ist es nicht gewohnt, dass jemand außer mir versucht ihm etwas zu sagen. Er ist ein sehr misstrauischer Hund. Ich habe ihn von der Straße. Vermutlich ist er einfach nur verängstigt und versucht sich zu verteidigen." Das klingt sogar logisch. "Komm, Ich bringe dich zu ihm.", murmle ich und gehe nach draußen zum Schuppen. Dale folgt mir und ich schließe die Tür auf. "Ihr musstet ihn einsperren?", "Ja, er hat meine Familie angegriffen. Ich habe zur Sicherheit die Tür zugeschlossen, damit nichts passiert. Ich habe ihn vorher hier auf dem Hof laufen lassen und ihm Futter und Wasser gegeben." Dale nickt. Kaum ist die Tür auf, springt Sirius auf und knurrt, doch als er mich sieht, hört er auf und wedelt mit dem Schwanz. Als Dale dann um die Ecke guckt, ist er nicht mehr zu halten. Er rennt auf Dale zu quietscht vor Freude. "Ist ja gut, du alter Streuner.", lacht Dale und knuddelt ihn durch. Immer darauf bedacht, dass er ihm nicht wehtut. "Ich bin dir was schuldig Marah.", sagt Dale ernst. Ich sehe ihn überrascht an. "Was schuldig?" Er nickt. "Zum Beispiel könnte ich den Kerl verprügeln, der deine Tasche in die Tonne geworfen hat und dein Handy geklaut hat." Ich seufze. "Nein, ist schon okay. Das ist nicht nötig.", "Ich werde schon herausfinden, wer es war." Und mit diesen Worten verlässt Dale zusammen mit Sirius unser Grundstück.

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