Kapitel 20

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Lennis Sicht:

Katniss setzt sich ihren großen Rucksack auf den Rücken und lächelt mich an. Heute geht es nach Wohlenberg. Das ist ein Urlaubsort in Mecklenburg-Vorpommern direkt an der Ostsee, der im Sommer mehr als beliebt ist. Da wir jetzt aber schon September haben, dürfte es schon etwas weniger Urlaub dort geben. Naja, nachher mit Kat und mir zusammen wieder zwei mehr. Wir werden drei Nächte dort bleiben und schlafen werden wir auf einem Campingplatz in einem Zelt. Wir haben alles mit, was wir so brauchen. Sogar Badesachen. Es ist immerhin noch ziemlich warm draußen und ich werde da definitiv baden gehen. Außerdem haben wir auch noch unsere Fahrräder dabei, damit wir dort mit dem Fahrrad überall hinfahren können. Ich habe mir von meinem Sparbuch etwas Geld geholt, damit wir über das Wochenende kommen. Naja, am Montag fahren wir erst wieder zurück. Wenn wir einen Tag unentschuldigt in der Schule fehlen ist das auch egal. Kat hat zu ihrer Heimleiterin gesagt, dass sie das Wochenende bei mir verbringen wird und Montag Abend wieder im Heim ist. Die Alte hat mich ziemlich streng angeguckt, am Ende aber zum Glück ja gesagt. Meine Eltern wissen gar nicht bescheid. Die denke ich sitze gerade irgendwo draußen mit meinen Freunden oder bin bei Kat. Naja, ich bin ja auch bei Kat. Nur nicht eben bei ihr im Heim, so wie meine Eltern es wahrscheinlich vermuten.

"Da kommt unser Zug.", ruft sie ganz aufgeregt und schnappt sich ihr Fahrrad. Zuerst werden wir mit dem Zug bis nach Hamburg fahren. Anschließend fahren wir bis zur Hansestadt Wismar und ab da geht es noch ein paar Kilometer weiter nach Wohlenberg. Ich bin gespannt, ob es Katniss gefällt und ob die Strecke zum fahren nicht doch zu weit ist aber wir sind beide sehr sportlich also von daher ist es auch machbar, schätze ich. Wir steigen schnell ein und dann ein paar Minuten später fährt der Zug auch schon los. "Ich bin so aufgeregt, Lenni! Aber wir werden unglaublich viel Ärger bekommen.", seufzt sie und setzt sich etwas niedergeschlagen neben mich. Ich ziehe sie an mich und zucke mit den Schultern. "Und wenn schon. Wir sind doch jetzt jung und haben das Recht auf Mist bauen und nicht in 20 Jahren." Sie kichert und setzt sich wieder auf. "Habe meinen Eltern einen Zettel geschrieben.", lache ich. Sie sieht mich entsetzt an. "Was? Ich dachte du hast ihnen gesagt, dass du bei mir bist?" Ich schüttle den Kopf. "Nee, habe ich nicht. Zettel liegt auf dem Bett in meinem Zimmer." Kat schüttelt empört den Kopf. "Das macht man nicht, Lenni.", "Soll ich sie anlügen?" Sie sieht mich an und verzieht dann das Gesicht. "Nein.", "Na also.", lache ich und ziehe sie wieder zu mir. "Jetzt entspann dich endlich und denk da dran, dass wir heute Abend mit dem Arsch in der Ostsee sitzen." Sie lacht mit mir, doch dann ist sie still und starrt vor sich hin. "Was ist los?" Sie sieht mich traurig an. "Ich kann nicht baden gehen. Zumindest nicht im Bikini." Ich verdrehe die Augen. "Ich guck dir schon nichts ab, Kat. Und fett oder hässlich bist du auch nicht.", "Danke für das Kompliment, aber ich bin hässlich. Meine Beine und Arme sind voll mit Schnitten und Narben, Lenni. So kann ich doch nicht im Bikini herumlaufen." Okay, das habe ich nicht bedacht. "Dann gehen wir eben abends baden, wenn niemand mehr da ist. Wir kriegen das schon hin, Kat, mach dir mal keinen Kopf. Wo hast du die auf den Beinen denn?" Sie seufzt leise. "Oberschenkel.", "Schienbeine auch?", "Etwas. Nicht doll." Ich nicke. "Du hast aber kurze Hosen mit, oder?" Kat schüttelt den Kopf. "Nur lange." Ich seufze. "Habe paar kurze Trainingshosen mit, die du anziehen kannst. Sollten dir bis zu den Knien gehen, denke ich mal. Ist das okay?", "Ja", lächelt sie mich an. Ich liebe ihr lächeln so sehr. Es macht mich irgendwie glücklich.

In Hamburg angekommen steigen wir schnell aus und rennen zum nächsten Zug, da wir ein paar Minuten Verspätung hatten und deswegen jetzt nur 3 Minuten zum umsteigen. Als wir aber drinnen sind atmen wir durch und lassen uns wieder in die sitze fallen. "Meine Eltern haben mich schon 27 mal angerufen.", seufze ich und schiebe mein Handy zurück in meine Hosentasche. "Du solltest den nächsten Anruf annehmen und mit ihnen reden. Sie machen sich sicher Sorgen." Ich zucke mit den Schultern. "Ich bin alt genug, um auf mich aufzupassen, Kat. Und ich bin auch alt genug, um auf uns beide aufzupassen." Sie verdreht die Augen. "Und dennoch solltest du mit ihnen reden.", "Ich rufe sie an, wenn wir da sind, ja?" Sie nickt zufrieden.

Nachdem wir etwas über 5 Stunden mit dem Zug unterwegs waren, sind wir endlich in Wismar und steigen aus. "Weißt du denn überhaupt wo wir lang müssen?", fragt Kat mich unsicher. Ich nicke sofort und deute auf mein Handy, das mit gerade sagt, dass wir geradeaus müssen. "Okay." seufzt sie. Ich hoffe, dass sie noch genug Kraft hat, um die Strecke noch zu fahren. Ist schon noch ein ganzes Stück. 16,5 Kilometer, um genau zu sein. Wenn nicht, dann weiß ich auch nicht genau. Müssen wir eben einen Bus suchen. Aber ich bin zuversichtlich. Wir steigen auf unsere Fahrräder und fahren einfach los. Die Stadt ist recht schön. Viele alte Häuser und man kann das Salzwasser riechen. Der Hafen ist gut besucht und die vielen Segelboote wiegen sanft in den Wellen. Es ist einfach nur ein total geiler Anblick. "Schön, oder?", frage ich Kat lächelnd. Sie nickt verträumt und sieht sich um. Irgendwann verlassen wir Wismar und kommen auf einen Fahrradweg, der an endlos vielen Feldern entlang läuft. Hier und da kann man mal das Wasser sehen, ein paar Autos fahren auf der Straße und Trecker fahren auf den Feldern. Es ist schön hier und der Großstadtlärm ist der ländlichen Stille gewichen. Ich war früher schon einmal mit meiner Oma und meinem Opa hier. Sie haben oft mit uns Urlaub an der Ostsee oder an der Nordsee gemacht. Und dieser Ort hier ist mir in Erinnerung geblieben. Ich muss ihn Kat einfach zeigen.

Nach einer halben Stunde kommen wir in Wohlenberg an. Katniss ist kaputt und müde, was man ihr ganz doll ansieht und ich bin es ebenfalls. Der Tag hat es auch in sich gehabt. Aber es hat sich gelohnt. Jetzt sind wir auf dem Campingplatz und bauen unser Zelt auf. Die Sonne ist dabei unterzugehen und ich habe mir fest vorgenommen, Kat den Sonnenuntergang noch zu zeigen, bevor wir schlafen gehen. "Pumpst du die Luftmatratze auf?" Kat nickt und pumpt sie auf, während ich dir Heringe in den Boden schlage. "Fertig.", verkündet sie lächelnd und legt die Matratze ins Zelt. Anschließend breitet sie unsere Schlafsäcke und Kissen darauf aus und verstaut unsere Rucksäcke. "Und nun?", fragt sie mich und sieht mich erwartungsvoll an. "Nun gehen wir an den Strand. Komm.", lächle ich und nehme ihre Hand. Sie strahlt mich an und küsst meine Wange. Also eins steht fest. Das hier wird nicht unser letzter Ausflug an die Ostsee.

Wir überqueren die Straße und sind dann direkt am Strand, wo wir uns in den Sand setzen und zum Horizont sehen, wo die Sonne gerade unter geht. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas hier machen würde, dass ich so kitschig wäre, aber ich finde es gerade einfach nur schön. Und das alles nur wegen des Mädchens, das neben mir sitzt. "Danke, Lenni.", murmelt sie. Ich sehe sie fragend an. "So etwas wie das hier, hat noch nie jemand für mich gemacht. Und dafür danke ich dir." Ich schüttle den Kopf. "Es gibt nichts, was ich lieber tun würde als mit dir hier zu sitzen. Nichts.", versichere ich ihr uns küsse sie.

Family is foreverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt