Kapitel 10

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Allys Sicht:

Ich hätte ihn bitten sollen, bei mir zu bleiben. Ich hätte zu ihm sagen sollen, dass ich nicht möchte, dass er jetzt geht. Aber ich habe nur gelächelt und gesagt, dass er ruhig gehen soll, da ich schon zurecht komme. Einen Scheiß tue ich. Ich bekomme rein gar nichts auf die Reihe. Ich bin ganz alleine Zuhause und habe keine Ahnung, wie ich mir jetzt etwas zu essen machen soll. Lenni ist bei seiner Mitschülerin Zuhause und lernt angeblich Mathe. Wer's glaubt wird selig. Und Hannah und Marah sind jetzt eine Woche lang mit Marcos Eltern im Urlaub. Es klingelt an der Tür und ich seufze laut. Plötzlich höre ich einen Schlüssel, der die Haustür aufschließt und dann ist auch schon das schrille "huhu" meiner Schwester zu hören. Ich seufze wieder laut. Nicht auch das noch. Ich fahre mit meinem Rollstuhl in den Flur und entdecke meine beiden Geschwister, die sich gerade die Schuhe ausziehen. "Hey." lächelt Tommy und kommt zu mir. "Hey." sage ich und verziehe keine Miene. "Oh man! Ich hab doch gesagt, dass wir nicht zu ihr fahren soll, weil sie schlechte Laune bekommt, wenn sie uns sieht." jammert Emma. Ich verdrehe die Augen und fahre zurück in die Küche. "Marco meinte, dass du vielleicht unsere Hilfe gebrauchen könntest." sagt Tommy und geht nicht weiter auf Emma ein. "Ach! Hat er das?" schnaube ich und öffne den Kühlschrank. "Ally, nun sei doch nicht so. Er hat nun mal diesen Job und er verdient damit immerhin ordentlich viel Geld." "Das Geld ist mir doch scheiß egal." antworte ich trotzig. "Wow. Heute mit dem falschen Bein aufgestanden?" murmelt er. Ich halte in meiner Bewegung inne. "Nein, Tommy." sage ich und schließe den Kühlschrank, um die Küche verlassen zu können. "Idiot! Den Kommentar hättest du dir echt klemmen können! Sie kann überhaupt nicht mit dem falschen Bein aufstehen!" höre ich Emma Leiche zischen. "Ach Fuck eh." brummt Tommy und dann höre ich Schritte hinter mir. "Tut mir leid, Ally." murmelt er und hält den Rollstuhl fest, sodass ich nicht weiter vorwärts komme. Er stellt sich vor mich und geht dann in die Hocke. "Ich will dir doch nur helfen, Schwesterchen." Ich nicke. "Das weiß ich. Aber im Moment bin ich einfach nur frustriert." "Und das darfst du auch sein." antwortet er mir und nimmt mich in den Arm. Ich schließe die Augen und genieße diese Umarmung. Es tut unglaublich gut. "Na komm, wir gehen in die Küche. Ich werde dir etwas leckeres kochen und du kannst mit Emma irgendwas anderes machen." Ich lächle etwas. "Ich hätte Lust ein einfaches Brettspiel zu spielen." "Oh ja! Ich hole Mensch ärgere dich nicht!" ruft sie da auch schon und läuft nach oben. Vermutlich wird sie das der Kinder von oben holen. Ich lege viel Wert darauf, dass meine Kinder mit solchen Spielen groß werden. Ich halte von der Technik nicht viel. Tablets und Handys müssen manchmal einfach weggelegt werden. "Gefunden!" ruft sie plötzlich. "Die wird nie erwachsen." brummt Tommy und schiebt mich in die Küche. "Was hättest du denn gerne?" Ich überlege kurz, zucke dann aber mit den Schultern. "Musst mal nachsehen, was sich mit dem Inhalt meines Kühlschranks noch machen lässt." Er nickt lächelnd und schlendert zum Kühlschrank rüber. Emma setzt sich mir gegenüber und packt das Brettspiel aus. "Ich will rot sein!" ruft sie und schnappt sich die roten Spielfiguren. "Na schön. Und ich will blau sein." brumme ich und hole mir eine Flasche Wein aus dem Weinregal. Tommy lacht, während Emma die Augen verdreht, mir aber die gelben Spielfiguren gibt. "Jeder einen Würfel oder reicht einer?" "Einer reicht." Sie nickt und holt einen Würfel aus dem Karton. "Okay. Darf ich anfangen?" quietscht sie. Ich nicke, woraufhin sie mit dem Würfeln anfängt. Das kann ja was werden. Ich nehme ganz schnell einen großen Schluck Wein und sehe ihr dann zu. Schon beim ersten mal würfelt sie wie jedes mal eine 6. Ich habe keine Ahnung, wie sie das immer macht. Aber wirklich jedes mal würfelt sie gleich beim ersten mal eine 6. Wenn man so will, dann bräuchte sie das 3 mal Würfeln am Anfang also gar nicht.

"So, Essen ist fertig." verkündet Tommy und stellt den Herd aus. Plötzlich klingelt mein Handy und ich sehe drauf. "Es ist Marco." murmle ich. "Geh ran." sagt Tommy, stellt mir einen Teller mit einer Kartoffelsuppe hin und geht aus der Küche raus. Emma folgt ihm. Ich seufze und nehme mein Handy, um den Anruf anzunehmen. "Hey." sage ich und nehme den Löffel, um mit dem Essen anzufangen. "Hey, Ally." Er lächelt. Ich höre es an seiner Stimme und an seiner Atmung. Ich kenne diesen Mann in und auswendig. "Wo bist du gerade?" frage ich. "In Paris." Ich verschlucke mich an der heißen Suppe und huste ganz doll. "In Paris?" rufe ich entsetzt, als ich mich eingekriegt habe. "Ja." "Was machst du denn bitte in Paris?" Ich höre ihn seufzen. "Na ich mache doch hier einen Laden auf. Morgen ist die Eröffnung. Das habe ich dir doch erzählt." Wann soll das denn gewesen sein? "Vielleicht hätte ich es dir sagen sollen, als du nicht so durch den Wind warst. Tut mir leid, Schatz." seufzt er. "Paris... Und wann kommst du wieder?" "Das weiß ich noch nicht genau. Wenn ich hier fertig bin, dann muss ich ja noch die Geschäfte in Deutschland abklappern und dann komme ich nach Hause." Ich beiße mir auf die Lippen, damit ich nicht zu weinen beginne. "Schlechter Zeitpunkt, oder?" "Kann man so sagen." sage ich leise. "Oh Baby." haucht er leise, was mir aber den Rest gibt. "Ich lege jetzt auf. Ich muss essen." "Ally, nein! Leg bitte nicht auf. Was ist denn los mit dir? Rede bitte mit mir." Ich schluchze. "Ich weiß nicht. Im Moment ist es einfach zu viel. Dieser Unfall, dann Lennis Verhalten in der Schule und seine Noten, meine immer noch nicht existierende Schwangerschaft, die Hormontherapie. Einfach alles ist so... Ich weiß auch nicht. Nichts scheint zu funktionieren, ich habe nur noch Pech, alles ist mir zu viel. Dann bist du auch noch weg und ich bin nicht einmal in der Lage mir etwas zu Essen zu kochen, weil ich nicht an der Herdplatte ankomme. Ich weiß einfach nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Ich kann nicht mehr, Marco." Ich schluchze laut auf und lasse meinen Löffel einfach in den Teller plumpsen. "Schatz, hey, nicht weinen, okay? Weißt du, vielleicht sollten wir aufhören. Keine Therapien mehr. Das macht dich nur kaputt. Wir haben 3 wundervolle Kinder. Du solltest deinen Körper zur Ruhe kommen lassen und dann versuchen wir beide zusammen uns daran zu gewöhnen, dass du eben im Rollstuhl sitzt. Wenn du das verarbeitet hast, dann können wir überlegen, ob wir es noch weiter versuchen ein Baby zu bekommen. Aber wir sollten es vielleicht aufgeben. Zumindest fürs erste. Und mit Lenni rede ich noch. Und was mich betrifft..." er hält kurz inne. "Ich komme morgen nach der Eröffnung zurück, okay?" Ich schniefe. "Okay." "Gut. Und jetzt wirst du essen. Und wenn du fertig bist, dann gehst du in die Wanne. Tommy hilft dir garantiert." "Na gut." "Ich liebe dich, mein Schatz. Und nicht mehr weinen. Morgen Abend werde ich wieder bei dir sein." "Okay." "Gute Nacht, mein Engel, schlaf gut. Ich liebe dich." "Ich liebe dich auch. Gute Nacht." Ich lege auf und atme einmal tief durch. Er hat recht. Ich muss mit der Hormontherapie aufhören...

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ICH WÜNSCHE EUCH ALLEN FROHE WEIHNACHTEN!!!
HABT IHR WÜNSCHE FÜR DAS NÄCHSTE KAPITEL? AUS WESSEN SICHT SOLL ICH SCHREIBEN? --->KOMMIS c:

~Jassy

Family is foreverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt