Kapitel 35

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Allys Sicht:

Mom setzt sich neben mich und schaut mich besorgt an. "Weshalb habt ihr euch gestritten?" Ich seufze und kneife die Augen zusammen, da die nächste Wehe kommt. "Genau darüber. Habe heute früh etwas Schmerzen gehabt aber das waren keine Wehen. Keine Ahnung, was das war. Und ich habe das ignoriert und es auf die leichte Schulter genommen. Und vorhin hat er dann gemeckert, wie sehr ihn mein Leichtsinn aufregt und so weiter. Naja, und dann hat es sich immer weiter hochgeschaukelt, bis ich ihm mal wieder vorgeworfen habe, fremdzugehen. Das war dumm von mir. Aber ich bin im Moment sowieso komisch. Die Hormone machen mich wahnsinnig, Mom." Mama nickt wissend. "Aber jetzt siehst du mal, was ihr davon habt. Eure Kinder werden 12 Wochen zu früh auf die Welt kommen. Statt dass ihr euch einmal zusammen reißt und ordentlich redet. Du weißt, dass ich deswegen jetzt etwas sauer bin, Schatz. 12 Wochen, Ally! Das ist viel zu früh. Und jetzt ist der Herr nicht einmal hier.", meckert sie mich leicht an. Ich verdrehe die Augen. "Du und Papa streitet euch auch manchmal. Kann ich riechen, dass ich nach einem Streit sofort Wehen bekomme?" Mama verzieht leicht verärgert das Gesicht. Die nächste Wehe überkommt mich und ich schreie all den Schmerz heraus. "Okay, Frau Reus, wir schauen mal nach, wie die zwei liegen. Wir gehen aber davon aus, dass wir einen Kaiserschnitt machen müssen.", sagt die Ärztin und zieht sich ein paar Handschuhe über die Hände. "Werden meine Kinder überleben? Es ist so früh.", murmle ich mit zittriger Stimme. Die Ärztin lächelt etwas. "Wir werden alles dafür tun, dass Ihre Babys überleben. Mit moderner Technik ist fast alles möglich. Haben Sie keine Angst, Frau Reus. Sie und die Kinder sind hier in besten Händen." Ich nicke etwas beruhigt. Das war meine größte Angst. Ich atme tief durch und lege mich auf den Rücken, damit die Ärztin einen Ultraschall machen kann. "Oh, der Junge ist aber deutlich größer. Schwerer garantiert auch. Das Mädchen scheint noch sehr klein und leicht für diese Schwangerschaftswoche." Ich nicke. "Das hat meine Frauenärztin auch bereits festgestellt.", "Okay, also sorge ich dafür, dass ein Spezialistenteam vor Ort ist, um die Kinder zu empfangen und zu versorgen. Sie liegen auch nicht richtig, ein Kaiserschnitt ist damit also beschlossene Sache." Ich nicke. Ich will auch nicht noch einmal Zwillinge normal auf die Welt bringen müssen. Das war bei Hannah und Marah schon schlimm genug. In diesem Fall hier ist es schlimm, dass Marco und ich noch keine Namen ausgesucht haben. Das Kinderzimmer ist auch noch lange nicht fertig - gerade mal die Wände sind gestrichen - und Kinderwagen und Babyschalen haben wir auch noch nicht. Hannahs und Marahs haben wir damals gespendet. Außerdem sah das auch viel zu mädchenhaft aus. Wir brauchen jetzt einen neutralen Wagen und verschiedene Babyschalen. Aber das ist jetzt gerade mein kleinstes Problem.

Für den Kaiserschnitt wird alles vorbereitet und dann kann es losgehen. Ich werde in den OP geschoben und die Ärzte bereiten sich vor. Mama erscheint neben mir sieht mich traurig an. "Marco ist immer noch nicht da." Ich weine innerlich darüber, da ich weiß, wie gerne er bei der Geburt dabei sein wollte. Wir beide haben es gründlich verkackt, was das betrifft. "Egal. Hauptsache es ist jetzt jemand bei mir. Danke, Mom.", murmle ich. Mama lächelt mich liebevoll an und küsst meine Stirn. "Spüren Sie das, Frau Reus?" Ich runzle die Stirn. "Was denn?", "Okay. Dann können wir anfangen.", höre ich einen der Ärzte sagen. Mama luschert ab und zu an dem Vorhang vorbei und verzieht das Gesicht. Und dann ist ein quengeliges Schreien zu hören. Ich sehe Mama mit großen Augen an und sie strahlt zurück. "Sorgen Sie dafür, dass der kleine Mann sofort an die Geräte angeschlossen wird.", sagt jemand und dann sehe ich, wie eine Schwester mit meinem Baby davon läuft und die Kinderärzte meinen Sohn in Empfang nehmen. "Wieso darf ich ihn denn nicht sehen?", schluchze ich schon fast. "Ganz ruhig. Frau Reus, ihr Sohn ist halt sehr klein und nun zu früh auf die Welt gekommen. Wir müssen ihn sofort untersuchen und an die Geräte anschließen.", redet eine Schwester auf mich ein. Ich nicke atme tief durch. "Sie atmet nicht. Sorgen Sie dafür, dass das Kind sofort beatmet wird!", ruft der gleiche Arzt von eben und schon rennt die nächste Schwester mit meiner Tochter davon. "Sie atmet nicht? Mama!", ich sehe panisch meine Mutter an, die zu den Ärzten starrt. "Ganz ruhig, Frau Reus, sie müssen ruhig bleiben. Die Kleine atmet nicht von alleine. Sie ist sehr sehr klein und sehr leicht. Sie muss vorerst künstlich beatmet werden, bis sie in der Lage ist, das alleine zu tun." Eine Träne läuft mir über die Schläfe. "Alles wird gut. Die Ärzte bekommen das hin. Ihrer Tochter geht es gut. Genauso wie ihrem Sohn." Ich nicke und wische mir schnell die Träne weg.

Als ich in ein Zimmer gebracht werde, nachdem ich in einem Aufwachenraum gelegen habe, bis die Betäubung verschwunden ist, lehne ich mich zurück und starre an die Decke. Noch darf ich nicht zu meinen Kindern. Sie sind wohl noch nicht ganz damit fertig, sie an alles anzuschließen. Meine armen Babys. Meine Eltern sind mit Lenni kurz nach Hause gefahren und jetzt warte ich darauf, dass ich endlich meine Kinder sehen darf. Ich teile mir das Zimmer mit einer anderen Frau, die allerdings noch schwanger ist. Ebenfalls Zwillinge. Weshalb genau sie hier ist, habe ich noch nicht herausgefunden. Es klopft an der Tür und nur eine Sekunde später geht sie auf und mein Mann betritt das Zimmer. Ich setze mich auf und sehe ihn mit großen Augen an. Er kommt auf mich zugestürmt und nimmt mich in den Arm. "Es tut mir so leid. Ich wollte das alles nicht. Ich betrüge dich doch überhaupt nicht, Ally. Und das weißt du. Ich habe es in letzter Zeit übertrieben, was die Arbeit betrifft." Ich schüttle den Kopf. "Mir tut es leid. Ich war einfach in Rage." Marco lächelt und sieht sich um. "Wo sind denn die Kinder?" Ich seufze. "Unten auf der Frühchenstation. Es sind immerhin 12 Wochen zu früh. Ich habe die Zwei noch nicht gesehen. Sie wurden sofort in die Hände irgendwelcher Spezialisten gegeben." Ich atme tief durch. "Wir brauchen Namen. Und zwar dringend." Marco nickt und zieht sich einen Stuhl an mein Bett. "Ich habe bereits nachgedacht. Wie findest du Elliot?" Ich lächle. "Der Name klingt sehr schön. Und wie nennen wir unsere winzige Prinzessin?" Marco lächelt nachdenklich. "Leonie.", murmle ich. Marco beginnt zu strahlen und da weiß ich, dass der Name perfekt ist. "Dann heißen unsere Kinder also Elliot und Leonie?" Ich nicke lächelnd. Die Tür geht auf und die Schwester von vorhin kommt in das Zimmer. "So, Frau Reus, wollen Sie ihre Kinder sehen?" Ich nicke. "Okay, dann aber bitte erst einmal in den Rollstuhl." Ich lächle. "Ich kann eh noch keine langen Strecken laufen. Ich habe meinen eigenen Rollstuhl hier." Sie sieht mich überrascht an. "Ich hatte einen Unfall und war querschnittsgelähmt.", "Ach Gott. Na gut, dann nehmen Sie ihren eignen." Marco hilft mir in meinen Rollstuhl und schiebt mich der Schwester hinterher. Wir fahren mit dem Fahrstuhl nach ganz unten, wo sich die Frühchenstation befindet. Wir desinfizieren unsere Hände und gehen den Gang entlang. Überall sind Räume, in denen Babys in Brutkästen liegen. Meine beiden liegen bestimmt auch in solchen Brutkästen. Wir gehen in einen Raum, wo zwei dieser Teile stehen. In ihnen liegen meine Kinder. Als ich meine Tochter sehe, bleibt mir die Luft weg. "Um Gottes Willen, wie groß ist sie?", fragt Marco etwas geschockt. "Die Kleine ist 28 Zentimeter groß. Und der kleine Mann ist 34 Zentimeter groß." Was für ein Unterschied. "Und wie viel wiegen sie?", "Das Mädchen wiegt 390 Gramm und der Junge 895 Gramm." Mir klappt der Mund auf. Wie bitte? So wenig wiegen sie? Das ist grauenhaft. Sie sehen aus wie kleine nackige Vögelchen, die gerade geschlüpft sind. Die haut ganz rot und noch irgendwie etwas durchsichtig und ganz dünne Arme und Beine, kleiner Blähbauch. Aber trotzdem sind sie die schönsten Babys der Welt. In meinen Augen sind sie das. "Und wie sieht es jetzt mit Füttern aus? Muss ich alle vier Stunden hier sein und stillen?" Die Schwester schüttelt den Kopf. "Stillen wird nichts. Dafür sind sie zu klein. Sie müssen die Milch abpumpen und dann müssen sie mit einer Spritze gefüttert werden. Brustwarze oder Fläschen ist zu groß. Davon mal abgesehen, können sie noch nicht so gut saugen." Ich nicke. "Und wie lange müssen die beiden hier bleiben?", "Man sagt immer ungefähr bis um den eigentlichen Geburtstermin herum. Also zehn Wochen bestimmt." Ich sehe Marco traurig an. So lange? Aber wir bekommen das hin.

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