Kapitel 43

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(immer noch Andre)

*Zeitsprung*

Den ganzen Mittag und den halben Nachmittag bin ich unterwegs. Das Auto fährt sich ausgezeichnet. Ein weißer Sportwagen mit ziemlich viel PS, allerdings bringt mir das rein gar nichts, da zu meinem Pech kurz vor mir ein Unfall auf der A2 passiert ist, daraufhin die gesamte Autobahn gesperrt wurde, ich für einige Stunden im Stau stand und mich schließlich mithilfe des Navis auf den kleinen Bundesstraßen vorankämpfen musste. Obwohl ich wahrscheinlich so ziemlich alle Geschwindigkeitsbegrenzungen überschritten habe, brauche ich statt zweieinhalb fast vier Stunden bis nach Stadthagen. Meine Laune befindet sich auf dem Tiefpunkt. Gleichzeitig werde ich mit jedem Kilometer, den ich meinem Ziel näher komme, unruhiger. Ich drehe die Musik voll auf, um den Kopf frei zu bekommen, doch es hilft nicht viel. Mein Herz klopft wie wild, als ich nach der langen Fahrt erschöpft vor Jans Elternhaus anhalte.

Mir fällt sofort auf, dass etliche Autos auf der Einfahrt parken - mehrere Kleinwagen und auch drei sehr protzige Schlitten - jedoch fehlt von Jan, seiner Familie und den übrigen Gästen jede Spur. Ich klingele und warte einige Minuten, doch nichts rührt sich. Höchstwahrscheinlich sind sie schon alle auf dem Friedhof.

Rasch ziehe ich mich hinter dem Auto um und fahre mir durch die Haare, welche ich mir auf dem Weg hierher mithilfe des kleinen Spiegels der Sonnenblende im Auto, den sonst nur die Ladies benutzen, ordentlich nach hinten gekämmt und mit Haarspray fixiert habe. Das mit der Krawatte hatte ich auch schon versucht, als ich auf der A2 feststeckte. Ohne Erfolg. Jetzt habe ich das ganze irgendwie hin gefummelt. Toll sieht es zwar nicht aus, aber es zählt ja bekanntlich der gute Wille, oder nicht?

Ich atme nochmals tief ein und aus und mache mich zu Fuß auf zum St.Martin-Friedhof (den gibt's übrigens wirklich in Stadthagen), der sich keine fünf Minuten von hier entfernt befindet. Wenn mich nicht alles täuscht, liegen dort auch Jans Urgroßeltern begraben.

Ich ertappe mich auf dem Weg immer wieder dabei, wie ich nervös auf meiner Lippe herum beiße. Eigentlich habe ich mir das abgewöhnt, aber im Moment hat meine Angst die Gewalt über mich. Die ganze Fahrt über habe ich nachgedacht. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich im Grunde nichts Verbotenes getan habe. Immerhin sind Jan und ich kein Paar oder so. Offiziell sind wir beide nur Kumpels. Aber inoffiziell? Ich kann nicht leugnen, dass ich mich in seiner Gegenwart wohl fühle. Sehr sogar. Wenn er nicht bei mir ist, vermisse ich ihn schrecklich und will das sofort ändern. Ich mag es, wenn er neben mir in meinem Bett liegt oder ich ihn im Arm halten kann. Es ist schön, wenn er mich küsst, oder mich berührt. Dann spüre ich ein heftiges Kribbeln in meinem ganzen Körper vor lauter Glück. So stark habe ich noch nie für jemanden empfunden. Ich will eindeutig mehr von ihm als Freundschaft. Und er? Wären wir bereit, gemeinsam bis ans Äußerste zu gehen? Mein Herz flüstert „ja". Doch mein Kopf schreit „NEIN!!!".

Im Moment ist der Kopf stärker. Noch. Glaube ich zumindest. Ich bin mir aber nicht sicher. Ich betrete zögernd den Friedhof. Am anderen Ende entdecke ich eine beachtliche Gruppe von Menschen, so um die fünfzig Leute. Alle in schwarz gekleidet. Mit leisen Schritten trete ich näher und lasse meinen Blick über die Menge schweifen. Irgendwann bleiben meine Augen hängen und ich halte unwillkürlich den Atem an. Das ist er. Die schlanke, fast zierliche Gestalt mit den blonden Haaren und den roten Schuhen. Er trägt den Anzug, den er auch bei der James Bond Premiere anhatte. Er steht ihm wirklich ausgezeichnet. Obwohl er wie alle anderen mit dem Rücken zu mir gewandt ist, sehe ich, dass sein Blick auf den Boden gerichtet ist. In der rechten Hand hält er einen kleinen Strauß aus weißen Blumen gebunden, den er gedankenverloren hin und her dreht. Mein Herz wird ganz schwer, wie er dort vor mir steht. Langsam gehe ich zu ihm und schiebe vorsichtig meine Hand in seine.

Er zuckt zusammen und scheint wie aus einem Traum gerissen. Seine Augen wechseln innerhalb von Sekunden zwischen verschiedensten Emotionen. Erst Erschrockenheit, dann Ungläubigkeit, dann Freude, Sehnsucht und Schmerz in einem, bis hin zu Unverständnis und Erleichterung. Er versucht nicht, das zu verbergen, so wie ich es immer tue. Ich hatte damit gerechnet, dass er mich fragt, was ich hier mache oder warum ich hergekommen bin, doch er schweigt, sieht mir tief in die Augen und hält meine Hand ganz fest. So stehen wir da und die anderen sprechen Gebete gemeinsam mit dem Pfarrer, während wir vollkommen still sind. Irgendwann wendet sich der Priester direkt an Jan, seine Schwester und seine Eltern. Alle Blicke ruhen nun auf uns. Eilig löse ich meine Hand aus Jans und lege ihm stattdessen den Arm um die Schulter. Das ist nicht ganz so verdächtig, sondern sieht wie eine einfache, freundschaftliche Geste aus.

Als der Pfarrer mit seiner Ansprache fertig ist, gehen alle nacheinander zum Grab und werfen mit einer Schaufel Erde darauf. Das tut man immer, soweit ich weiß. Auch Jan ist an der Reihe. Langsam löst er sich von meiner Seite und tritt ein paar Schritte nach vorne. Ich sehe, wie er taumelt und würde ihn am liebsten festhalten. Wie unglaublich schwer dieser Gang für ihn sein muss. Er greift nach der Schaufel mit der Erde. Ich spüre, was für ein großes Gewicht sie hat, als würde ich sie selbst in der Hand halten. Mit letzter Kraft wirft er die Erde in das dunkle, rechteckige Loch im Boden. Ich schaue zu, wie seine Lippen sich bewegen, als er sich flüsternd verabschiedet. Er atmet tief durch, verharrt für einige Sekunden regungslos und mit geschlossenen Augen, bevor er sich unsicher umdreht und zu mir zurückkommt.

Ich sehe ihm an, dass er mit den Tränen kämpft. Seine blauen Augen sind ganz glasig und wirken matt und farblos, beinahe grau, vor Traurigkeit. Ohne zu zögern trete ich ihm einen Schritt entgegen und fange ihn auf, als er mir schier in die Arme fällt. Ganz fest drücke ich ihn an mich. So eng, wie niemals zuvor umschlinge ich seinen Körper. Wenn es nach mir geht, werde ich ihn nie wieder loslassen. Wie gerne würde ich diesen Moment für die Ewigkeit festhalten. Er in meinen Armen, sein Gesicht an meiner Brust vergraben. Ich streiche ihm sanft durch das helle Haar, versuche ihn mit meinen Händen, die schützend auf seinem Kopf und in seinem Nacken liegen, von all den mitleidigen Blicken der anderen abzuschirmen. Von der ganzen Welt da draußen, die nicht an ihn heran, ihm nicht wehtun soll. Dabei bin ich allein doch derjenige, der ihn am meisten verletzt.


Trauriges Kapitel... (war vorgeschrieben). Hab mir heute voll am Fuß wehgetan (mein armer großer Zeh) und kann daher höchstwahrscheinlich am Sonntag nicht zu meinem Volleyball Turnier. Außerdem kann ich nicht zur Tubecon morgen, dabei will ich UNBEDINGT die Apes treffen. :( Aber der Fakt, dass Wochenende ist und ich (hoffentlich) zur Gangtour gehen kann, beeinflusst meine Stimmung sehr positiv... :D


Wie fandet ihr die heutige Crimetime, falls ihr sie schon gesehen habt? (Davon gehe ich mal aus, als #trueCRIMEmembers... Meiner Meinung nach war sie MEGAGEIL, vor allem durch den Cengolen Dad... ;)


 


 

Memories never die | JandreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt