Kapitel 69 Teil 1

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Andre

Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich das Krankenhaus betrete. Der typische Geruch nach Desinfektionsmittel schlägt mir entgegen, der eindeutig zu den wenigen Dingen in meinem Leben zählt, die ich abgrundtief hasse. In Krankenhäusern habe ich mich noch nie wohlgefühlt. Als nächstes registriere ich die ellenlange Schlange an Menschen, die sich vor der Rezeption gebildet hat. Am liebsten würde ich auf der Stelle wieder umdrehen. Aber das kommt nicht in Frage. Schon allein wegen Jan werde ich das hier durchstehen. Und natürlich auch für mich selbst.

Fest entschlossen stelle ich mich an das Ende der Menschenreihe. Ich habe Glück, denn die Dame an der Rezeption ist wirklich sehr tüchtig. Blitzschnell tippt sie die Daten in den Computer ein und erteilt die gewünschten Auskünfte. So bin ich nach nicht einmal zehn Minuten schon dran.

„Wie kann ich Ihnen weiterhelfen, junger Mann?"

„Ich möchte einen... Patienten besuchen."

„Der Nachname?"

„Schiebler" Wildes Getippe ihrerseits, dann: „Es tut mir leid, aber Herr Schiebler hat uns mitgeteilt, dass er keinen Besuch wünscht, abgesehen von Familienangehörigen."

„Ich bin... sein Sohn." Es fällt mir schwer, das Wort Sohn über die Lippen zu bringen. In diesem Zusammenhang.

Die Dame schenkt mir ein Lächeln. „In dem Falle gebe ich Ihnen gerne Auskunft. Herr Schiebler befindet sich im Gebäudetrakt B7 im 3. Stock, Zimmernummer 235." Sie kritzelt alles auf einen Notizzettel und überreicht mir diesen, noch immer strahlend. Langsam beginnt mich ihre extrem gute Laune zu nerven, deshalb bedanke ich mich rasch und laufe hinüber zum Gebäudeplan, der unmittelbar neben der Rezeption an der Wand hängt, bevor sie anbieten kann, mir den Weg zu erklären. Der Trakt B7 befindet sich zwei Häuser weiter. Also verlasse ich den Eingangsbereich und überquere erneut den Vorplatz der Klinik, wo ich mich vorhin von Jan verabschiedet habe. Jetzt wünsche ich mir ihn doch an meiner Seite. Aber es ist besser, wenn er meinen Vater nicht kennen lernt. Ich will nicht, dass er mir noch ein Mal mein Leben ruiniert. Ich traue ihm durchaus zu, dass er das sogar kurz vor seinem Ende noch vom Krankenhaus Bett aus schafft. Und das würde ich ihm niemals verzeihen. Er kann mich von mir aus demütigen und verachten und niedermachen so viel er will, aber Jan bekommt er nicht!

Mit diesen düsteren Gedanken öffne ich die Tür zum Gebäude B7 und entscheide mich, die Treppe zu nehmen. Nicht aus dem Grund, dass ich ein sportbegeisterter Mensch bin, der immer was für seine Fitness tut, sondern einfach nur, weil ich hoffe, dass das länger dauert. Trotzdem erreiche ich nach wenigen Minuten den 3. Stock und stehe am Anfang eines langen Flures mit unzähligen Türen. Direkt vor meiner Nase ist Raum Nummer 230, links daneben 231. Ich laufe ein paar Schritte und stehe vor 235. Shit, wieso kann das Zimmer denn nicht am anderen Ende des Ganges liegen?

„Reiß dich zusammen, Andre!", ermahne ich mich selbst, „Sei nicht immer so ein Feigling, sondern stell dich der Situation!"

Ich trete noch näher heran und presse ein Ohr an die glatte Oberfläche der Tür. Drinnen ist kein Mucks zu hören. Ich lege eine Hand auf die Türklinke. Das kalte Metall schmiegt sich in meine verschwitzte Hand. Meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding und mein Puls rast. Ich atme tief durch und sage mir, dass mir eigentlich nichts passieren kann. Im Notfall kann ich jederzeit sofort wieder gehen. Doch dazu muss ich erst mal reingehen. „Jetzt oder nie, Andre!", sage ich zu mir selbst. Ich werde das hier nun verdammt noch mal durchziehen! Und so drücke ich wild entschlossen die Klinke herunter und trete ein...


Wollt ihr noch einen weiteren Teil? Käme dann um 0:45 Uhr...



 

Memories never die | JandreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt