Kapitel 67

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Andre

„Jan?" Er hört mich nicht, weil er die Kopfhörer auf hat und schneidet.

„Dsche!" Ich tippe ihm ungeduldig auf die Schulter.

„Was?", murrt er, unterbricht seine Arbeit aber nicht. Also nehme ich ihm kurzerhand die Kopfhörer ab. Er seufzt auf.

„Ich brauche mal kurz deine Hilfe..." Ich lege meine Hand auf die Lehne seines Schreibtischstuhls.

„Bei was denn?"

„Bei... einem Problem mit der Kamera", behaupte ich. Cengiz, der Jan gegenüber an seinem PC sitzt und zockt, wirft uns einen fragenden Blick zu.

„Ist sie kaputt?"

„Nein, es ist nur was wegen dem Mikrofon. Eigentlich eine Kleinigkeit." Ich mache ein wegwerfende Handbewegung.

„Und dafür muss ich das hier unterbrechen? Das Video soll doch noch heute online kommen!", beschwert sich Jan, steht aber trotzdem auf.

„Nur zehn Sekunden, ok?"

„Na dann. Deine Zeit läuft..." Prompt beginnt er zu zählen. „Eins, zwei, drei..."

„Mann, Dsche..." Ich schiebe ihn in Richtung meines Zimmers und schließe die Tür hinter uns.

„Ich denke, ich habe mich doch anders entschieden...", sage ich leise, sobald wir alleine sind.

„Wegen dem Mikrofon?" Jan zieht eine Augenbraue nach oben.

Ich verdrehe die Augen. „Nein, natürlich nicht."

„Hä?"

„Wegen der Sache mit..." Ich muss schlucken und senke automatisch die Stimme. „... meinem Vater."

Jan reißt erstaunt die Augen auf. „Waaas?"

„Ja, du weißt schon..." Nervös knete ich meine Finger und starre auf den Boden.

„Was hast du vor?" Sein Blick ruht auf meinem Gesicht.

„Ich werde ihn besuchen."

„Wirklich?" Er klingt erfreut.

Ich nicke. Irgendwie suche ich nach einer Erklärung für den plötzlichen Sinneswandel.

„Ich glaube, ich sollte echt mal mit ihm reden... Also ich denke halt nur, dass...", ich verstumme, weil ich mir selbst nicht sicher bin, was genau ich mir von diesem Treffen erwarte.

„Ich bin froh, dass du dich anders entschieden hast." Ich sehe Jans Lächeln und weiß, dass ich es sogar allein deswegen getan hätte.

„Wann wirst du hingehen?", erkundigt er sich.

„Morgen?", antworte ich mit einer Gegenfrage und schaffe es endlich, ihm wieder in die Augen zu schauen. Das leuchtende Blau beruhigt mich auf eine Art und Weise wie noch nie.

„Ok." Er legt eine Hand auf meine Schulter und sein Blick verliert sich in meinem. „Willst du, dass ich mitkomme?"

Ich wusste, dass er das fragen wird. Blitzschnell fliegen die Gedanken durch meinen Kopf, während ich mir die Situation ausmale. Eigentlich möchte ich nicht, dass er meinem Vater begegnet. Andererseits weiß ich, dass ich es ohne ihn nicht durchstehen werde. Nach kurzem Abwägen entscheide ich mich dafür.

„Ja."

„In Ordnung." Er löst den intensiven Blickkontakt und wendet sich zur Tür. „Dann fahren wir morgen gegen Mittag zum Krankenhaus."

Durch seine Augen noch immer in den Bann gezogen, muss ich Blinzeln und meine Schulter kribbelt an der Stelle, an der eben noch seine Hand lag. Ich brauche einige Sekunden, um mir darüber klar zu werden, was mir da bevorsteht. Doch als ich Jans Vorschlag bestätigen möchte, ist er schon aus meinem Zimmer raus.

Ich werfe mich aufs Bett und starre an die Decke. Ich denke, ich werde Jan vor der Klinik warten lassen. Obwohl ich schon immer alles mit ihm und Cengiz geteilt habe, und die beiden wie Brüder für mich sind, will ich auf keinen Fall, dass er meinem Vater begegnet. Ich weiß auch nicht warum, aber bei dem Gedanken daran, empfinde ich so etwas wie Scham. Vor allem, weil Jan weiß, was er damals mit mir gemacht hat. Und dass ich in gewisser Weise wie er bin, auch wenn wir uns ansonsten in keinem Punkt ähneln. Hoffe ich zumindest. Bisher war das alles kein Problem für mich, da mein Vater weit weg war, kein Gesprächsthema mehr, weil wir schon so oft darüber diskutiert hatten. Es war alles geklärt. Mit Jan und Cengiz. Mit meinen Geschwistern. Mit meiner Mutter. Bis dieser Brief kam. Und mit ihm diese Stimme in mir, die immer da war und von Tag zu Tag lauter wurde und die von mir verlangt, dass ich ihn treffe. Ich will nur noch ein mal mit ihm reden und sei es nur, um festzustellen, dass er noch immer das gleiche miese Arschloch wie damals ist.


 

Cengiz (seltene Perspektive, aber hier mal eingebaut)

Nach ungefähr zehn Minuten kommt Jan zurück und lässt sich wieder auf seinen Schreibtischstuhl fallen. Ich beende mein Game und beobachte ihn, wie er weiter schneidet. Er scheint ganz gute Laune zu haben. Nicht, dass er sie davor nicht hatte, aber jetzt lächelt er stumm vor sich hin, ohne es zu merken. Keine Frage, wer der Grund dafür ist. Ich warte ja ehrlich gesagt immer noch darauf, dass die beiden endlich mit der Wahrheit herausrücken, aber im Moment haben sie es nicht eilig, wie mir scheint.

„Und, habt ihr das Mikrofon repariert?"

Er schaut auf und ich sehe das fette Fragezeichen, das für ungefähr zwei Sekunden in sein Gesicht geschrieben steht, bevor er hastig nickt.

„Ja, das war wirklich nicht schwer."

„Dann ist es ja gut..." Ich grinse und er lächelt ein wenig unsicher zurück.

„Was war denn los?"

„Ach, Andre hatte es nur nicht richtig eingesteckt, du weißt ja, wie vergesslich er manchmal ist..." Er schaut auf den Bildschirm.

„Ja, natürlich weiß ich das!" Ich nicke. Und außerdem weiß ich genau, wann du mich anlügst, Jan Christoph Meyer...

Wir schweigen eine Weile.

„Sag mal, weißt du, wer neulich diese extra große Packung Kondom gekauft hat, die in der Küche bei den Einkäufen lagen und dann plötzlich spurlos verschwunden sind?", provoziere ich ihn weiterhin ein bisschen.

„Ähhhhmmm... nein, ich habe keine Ahnung..." Ich sehe, wie er rot wird und unruhig auf seinem Stuhl herumrutscht. Volltreffer!

„Erwartet der liebe Andre etwa Damenbesuch?", lasse ich nicht locker.

Und wie schon gedacht runzelt er bei dieser Vorstellung die Stirn und schüttelt unmerklich den Kopf.

„Für was sollte er sie denn sonst gekauft haben?"

„Keine Ahnung. Frag ihn doch selbst." Seine gute Laune ist dahin, er setzt wieder die Kopfhörer auf und starrt stur auf den Bildschirm, als ich ihm versichere, dass ich das demnächst mit Sicherheit tun werde.

„Eigentlich ist es seine Sache. Ich frage dich ja auch nicht, wann und wie oft du es mit Sarah treibst..." Aha, er will also nicht, dass ich mit Andre darüber rede.

„Du hast ja recht, Dsche...", lenke ich ein, „Und falls du es wissen willst: ich glaube nicht, dass Andre in absehbarer Zeit Damenbesuch erwartet. Jedenfalls nicht für diesen Zweck."


Er zuckt mit den Schultern, doch ich sehe genau das winzige Lächeln, das seine Lippen umspielt.


 


Na, ihr Lieben, seid ihr für mehr Kapitel aus Cengiz' Sicht? Macht mir irgendwie echt Spaß die Gedanken des Cengolen zu beschreiben... <3

Habt ihr schon das Songs in Real  und den Prank an Jan gesehen? :D :D :D Also ich muss sagen, der Dsche hat mir schon ein wenig leid getan, wie er da so verzweifelt vor dem PC saß und dachte, seine ganze Arbeit wäre einfach so futsch... ;) ;) ;)

Wir sind ja kurz vor 30k Reads, das heißt: höchstwahrscheinlich kommt nächsten Samstag die Lesenacht. Ich hoffe ich schaffe es bis dahin, genug Kapitel vorzuschreiben.

Wer schaut heute Fußball? Dumme Frage eigentlich. :) Wohl eher: Schaut irgendwer kein Fußball? ;) Also ich bin auf jeden Fall am Start, auch wenn die Chancen für Deutschland gegen Italien meiner Meinung nach nicht allzu gut stehen, leider :(. Naja, mal schauen, wie sich die Jungs so machen :D



Memories never die | JandreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt