Kapitel 73

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Bitte unbedingt das Lied anhören!!!! <3 Lyrics sind im Video und die Übersetzung am Ende!!! :* Viel Spaß! ;)

Jans Erinnerung

Ich blicke auf das dunkle Holz. Eiche, hat man mir gesagt. Cengiz und ich habe es gemeinsam mit seiner Mutter ausgesucht. Blank poliert und glänzend steht er dort unten. Der matte Lichtschein spiegelt sich in seiner Oberfläche. Es regnet in Strömen. Die Tropfen prasseln unablässig auf das Holz. Passender könnte das Wetter an diesem Tag nicht sein. Das Wasser rinnt auch meine Wangen herab. Regen vermischt mit meinen Tränen. Ich schaue in Cengiz' Gesicht. Unter seinen Augen sind dunkle Ringe, die sonst stets rosig Haut sieht grau und fahl aus. So mitgenommen habe ich ihn noch nie gesehen, seit ich ihn kenne. Ich überlege, wie ich wohl aussehen muss. Ich möchte es mir lieber gar nicht vorstellen. Seit Tagen meide ich jeden Spiegel, aus Angst mich selbst nicht mehr zu erkennen. Ein Teil von mir fehlt. Es wurde mir entrissen. Ich fühle mich nicht mehr vollständig. Ein Teil von mir liegt dort unten. Unerreichbar. Für immer verloren.

„In unseren Gedanken wird er stets weiter leben...", murmelt Cengiz neben mir. Habe ich das eben laut gesagt?

„... und in unseren Träumen", ergänzt Sarah leise.

„Nun darf jeder sich ein letztes Mal von ihm verabschieden", höre ich die Stimme des Pfarrers von weit weg. In Wahrheit steht er keine drei Meter entfernt, aber ich nehme alle Menschen um mich herum wie durch einen riesigen Wattebausch wahr.

Als hätten wir nicht schon längst Abschied genommen. Vorgestern durfte ich ihn das letzte Mal ansehen. Die vertrauten, markanten Gesichtszüge, die Lippen blutleer und blass rosa, genau wie die Wangen. Die Haare ordentlich gescheitelt und streng zur Seite gekämmt. Andre hätte sich strikt geweigert, so eine Frisur jemals zu tragen. Der schwarze Anzug ist maßgeschneidert. Da lag er vor mir. Die Hände ordentlich aufeinander, so wie man es immer bei Toten macht. Ich betrachtete die feinen Lienen des Tatoos auf der oberen Hand. Eine rote Rose habe ich in seinen Sarg gelegt. Die Blume der Liebe. Ich wusste, dass er eine spöttisch Bemerkung gemacht hätte. Und sich insgeheim trotzdem gefreut hätte.

Ich seufzte tief. Sie haben mich hinaus geschickt. Irgendwann, als ich zu lange allein bei ihm gewesen bin. Ich habe protestiert, aber sie haben nur gesagt, dass ich schon zwei Stunden vor dem Sarg gesessen hätte. Kann das sein? Ich weiß es nicht. Ich habe seit Kurzem jegliches Zeitgefühl verloren. Ich habe einen Kuss auf seine kalten Lippen gedrückt. Ich habe einen Blick auf sein schönes Gesicht geworfen und dann bin ich gegangen, ohne zu verstehen, dass es der letzte Kuss und der letzte Blick für immer waren. Und nun stehe ich hier und würde alles dafür geben, noch ein mal sein Gesicht zu sehen, ihn noch ein mal zu berühren. Noch ein mal in diese dunklen Augen schauen, an die ich mich immer erinnern werde. Noch ein einziges Mal sein Lächeln sehen. Mein Herz ist gebrochen. Und ebenso man ganzes Ich.

Still sehe ich zu, wie nach und nach alle seine Verwandten und unzählige unserer Freunde zum Grab gehen und nacheinander eine Schaufel voll mit Erde auf den Sarg werfen. Ich sehe, wie er mehr und mehr verschwindet. Und mit ihm verschwinde ich. Jede Schaufel voll Erde ist wie ein Schlag ins Gesicht für mich, wie ein Messerstich in die Seele. Ich zucke zusammen, als Cengiz mir die Schaufel in die Hand drückt.

„Du bist der Letzte, Jan", sagt er und sieht mir in die Augen. Automatisch nicke ich und gehe ferngesteuert wie ein Roboter die wenigen Schritte bis zu der Öffnung im Boden. Ich starre auf die schlammige Erde, die den Sarg schon fast vollständig bedeckt.

„Leb w..." Meine Stimme versagt. Ich bücke mich und hebe ein wenig Erde mit der Schaufel an. Sie scheint plötzlich Zentner zu wiegen. Mit letzter Kraft halte ich sie über den Sarg und drehe sie um, damit die Erde nach unten fällt. Und mit ihr fällt mein letztes Bisschen ICH  in die dunkle, kalte Öffnung im Boden.

Lange stehe ich einfach nur da und rühre mich nicht vom Fleck. Der Regen verwandelt das Grab nach und nach in eine Art... Schlammgrube. Mir fällt kein anderes Wort für den Anblick ein.

„Jan?" Ich drehe den Kopf und stelle fest, dass nur noch Cengiz hinter mir auf dem Friedhof steht. Alle anderen sind bereits gegangen.

Da ich nicht antworte, greift er nach meiner Hand.

„Jan... ich weiß das ist furchtbar!" Er hält meine Hand fester und zögert, bevor er weiter spricht. „Für dich ist es sogar noch schlimmer als für mich, das weiß ich, auch wenn ich es mir nicht vorstellen kann, wie es sich für dich anfühlen mag."

Ich schweige weiterhin. Er wartet eine Weile, dann spricht er weiter.

„Aber, Jan... du wirst mich doch jetzt nicht auch noch zurück lassen oder? Du lässt mich doch nicht alleine? Jan, bitte versprich mir, dass..." Seine Stimme zittert gewaltig. Ich hebe den Kopf und sehe ihm in die Augen.

„Tut mir leid."

Ich sehe, wie ihm Tränen übers Gesicht laufen.

„Aber... du kannst doch nicht... Jan... bitte!!!" Ich fühle seine Verzweiflung und sein Flehen tut mir weh. Trotzdem steht mein Entschluss fest. Das tut er schon seit langem. Genau genommen von der Minute an, als sie angerufen haben und mir mitgeteilt haben, dass er einen Unfall hatte. Dass er sofort ins Krankenhaus gebracht wurde, sofort in den OP Saal und sie dennoch nichts mehr für ihn tun konnten. Dass er tot ist. Genau da habe ich mich entschieden.

„Leb wohl, Andre. Wir werden uns bald wieder sehen. Das verspreche ich! Lass mich zu dir kommen. Lass mich endlich wieder nach Hause zurückkehren!"


Ich bin halb weg,
wir haben lange genug gekämpft,
lange genug

Und wir hielten Verbindungen,
aber aufgeknöpft, um zu lieben
aufgeknöpft um zu lieben, zu sagen

Wenn wir einen Moment hätten, den wir entfachen könnten
Stattdessen scheint es als würden wir stark versuchen, einen Kampf zu beginnen
Entlang dieser Straßen liest du meine Worte in der Nacht
Du hörst mich rufen


Lass mich zu dir zurückkehren
Lass mich zu dir zurückkehren
Lass mich dich nicht auch verlieren

Dein Lächeln schallt immer noch durch meinen Kopf

Lass mich zu dir zurückkehren
Lass mich zu dir zurückkehren
Lass mich dich nicht auch verlieren

Sag mir, würdest du mich wieder hereinlassen?

Zurückkehren
Zurückkehren


Ich verliere Licht,
sieh mich ausbrennen,
ausbrennen

Ich schätze, all diese Nächte werden einsame Stunden sein,
einsame Stunden daran denkend


Wenn wir einen Moment hätten, den wir entfachen könnten
Stattdessen scheint es als würden wir stark versuchen, einen Kampf zu beginnen
Entlang dieser Straßen liest du meine Worte in der Nacht
Du hörst mich rufen

Lass mich zu dir zurückkehren
Lass mich zu dir zurückkehren
Lass mich dich nicht auch verlieren

Dein Lächeln schallt immer noch durch meinen Kopf

Lass mich zu dir zurückkehren
Lass mich zu dir zurückkehren
Lass mich dich nicht auch verlieren

Sag mir, würdest du mich wieder hereinlassen?

Zurückkehren
Zurückkehren


Was würdet ihr tun, wenn ich euch sage, dass DAS das Ende dieser FF ist?

(Ich sage es schon mal, damit ihr nichts Falsches denkt: ES IST NOCH NICHT DAS ENDE!!!!!!!!) Nächster Teil kommt am Samstag oder Sonntag! <3


Memories never die | JandreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt