Andre
Ich muss hier raus. Ich halte es keine Sekunde länger an diesem Ort aus. Ich erhebe mich schwerfällig und stolpere durch die Gänge. Ich finde den Ausgang nicht. Irgendwann beginne ich zu rennen. Immer weiter und weiter, bis ich schließlich vor der Rezeption ankomme. Mein Atem geht hastig und mir fällt auf, dass die beiden Gebäude der Klinik irgendwie innerhalb miteinander verbunden sind, denn ich bin nicht über den Hof gegangen wie vorhin.
„Kann ich Ihnen behilflich sein?", fragt die Dame an der Rezeption und ihr Lächeln macht mich ganz verrückt. Wie kann sie nur immerzu lächeln?
„Nein!", sage ich heftig, mache auf dem Absatz kehrt und renne nach draußen. Dort atme ich die frische Luft gierig ein. Nach einigen Minuten schwirrt mein Kopf nicht mehr ganz so schlimm wie zuvor. Trotzdem bin ich immer noch total durcheinander. Ich kann keinen klaren Gedanken fassen. Ich sehe mich um und brauche lange, um mich zu orientieren. Ich überquere den Hof vor dem Krankenhaus und gehe in Richtung Straße. Zu meiner Rechten geht es in die Innenstadt, Richtung Hohenzollernbrücke. Zu meiner Linken befindet sich eine Unterführung. Oben fahren einige Autos. Der Lärm der Motoren kommt mir unheimlich weit entfernt vor. Wie in Trance blicke ich umher. Erst nach einigen Minuten entdecke ich das Taxi, welches auf der gegenüberliegenden Straßenseite hält. Von hier aus kann ich nicht erkennen, wer darin sitzt. Ein seltsamer Zufall, dass genau hier und jetzt ein Taxi hält, wenn ich eins brauche. Habe ich wohl mal Glück gehabt.
Dieser Gedanke kommt mir absurd vor, wenn ich daran denke, was ich gerade erlebt habe. Ich betrete die Fahrbahn, nachdem ich geschaut habe, ob kein Auto kommt. Wieder kommt mir in den Sinn, was die Krankenschwester gesagt hat. „Er war ein so liebenswürdiger Mensch..." Und dann die Erinnerung daran, wie er mich damals gepeinigt hat. Es passt nicht zusammen! Es passt einfach nicht. Ich höre erneut die Stimme der Schwester in meinem Kopf. „Er hat ununterbrochen von Ihnen geredet und wie sehr er sich wünscht, dass Sie ihn besuchen kommen." Ihr trauriges Lächeln, wenn sie von ihm sprach. Ich bleibe stehen. Seine Hand, wenn er ausholt, um mich zu schlagen, sein vor Wut verzerrtes Gesicht, rot angelaufen und hässlich wie eine Maske. Ich schließe die Augen und schüttle den Kopf. Kann sich ein Mensch derart verändern? „Er hätte sich sooo sehr gefreut, dass Sie nun doch da sind. Er konnte es wirklich kaum erwarten und hat jeden Tag darauf gehofft, wissen Sie..." Ihr mitfühlender Blick. Ich verstehe ihn nicht! Der Schmerz, wenn er mich aufs Bett stieß, mir die Klamotten vom Leib riss und ohne Erbarmen in mich eind...
Ein lautes Hupen reißt mich jäh aus meinen Gedanken. Ich fahre zusammen und schaue nach links. Aus dem Dunkel der Unterführung schießt etwas auf mich zu. Die weißen Lichter eines Lieferwagens blenden mich, sodass ich automatisch die Augen zusammen kneife und blinzeln muss, um überhaupt irgendwas zu erkennen. Dann wird mir innerhalb von wenigen Sekundenbruchteilen plötzlich die Gefahr der Situation bewusst. Nur noch wenige Meter. Der Wagen rast auf mich zu und ich begreife, dass ich es nicht mehr rechtzeitig schaffen kann. Wie gelähmt stehe ich da. Mein Schrei vermischt sich mit dem Quietschen der Bremsen und dem Streifen der Räder auf dem Asphalt. Ich weiß, dass es zu spät ist. Ich sehe den Wagen, schwer und massig und doch unaufhaltsam in seiner Bewegung. Es sind nur noch wenige Zentimeter. Ich kneife die Augen fest zusammen und mache mich auf den Aufprall gefasst. Als letztes sehe ich das Gesicht meines Vaters vor meinem inneren Auge. Ein letzter Gedanke flimmert in meinem Kopf wie ein Glühwürmchen in der Nacht. Gibt es ein Wiedersehen nach dem Tod? Dann wird alles schwarz.
Cengiz
Ich helfe Sarah beim Packen. So was tue ich eigentlich nie, aber ich weiß, wie schwer das alles für sie ist. Mehrere Wochen wird sie in der Klinik verbringen. Sie hat sich freiwillig dafür entschieden. Ich werde sie wahnsinnig vermissen. Wir alle. Aber ich am schlimmsten, das ist klar. Schließlich ist sie die Person in meinem Leben, die immer für mich da ist. Mein Fels in der Brandung, meine Zuhörerin, meine stetige Begleiterin, meine wahre Liebe. Ich könnte ihr so was nie vor jemand anderem sagen, das wäre viel zu peinlich. Doch jetzt sind wir nur zu zweit.
„Ich werde dich unglaublich vermissen, Bebi!"
Sie lächelt und ich sehe genau, wie ihr Tränen in die Augen steigen.
„Ich dich auch, Bebi!", sagt sie mit erstickter Stimme.
„Ich schreibe dir und wir telefonieren jeden Tag, ok?"
Sie nickt und ich nehme sie fest in den Arm.
„Du bist so stark, Sarah! Du wirst das schaffen und danach wirst du noch stärker sein!"
„Das hoffe ich..." Ich höre, wie sie schluchzt und bin selbst auch kurz davor zu weinen.
„Ich komme dich besuchen, ja? Uns trennt ja nicht die Welt..."
„Danke, Cengiz!" Sie löst sich von mir und sieht mich an. „Danke, dass du mich so unterstützt und immer zu mir stehst!"
Ich schlucke, wegen dem Kloß in meinem Hals. Normalerweise bin ich kein rührseliger Mensch. „Genau wie du immer für mich da bist, Bebi."
Sie schaut mir direkt in die Augen. Dann seufzt sie und wendet sichMurkey und Dexter zu, um sich von den beiden zu verabschieden. Regina und auchMelina sind bereits vor dem Mittagessen vorbei gekommen um Sarah alles Gute zuwünschen und auch Jan und Andre haben ihr schon ihren Segen mit auf den Weggegeben, bevor sie sich ein Taxi bestellt haben, um etwas Wichtiges mit unseremKameramann für die Bang EP zu besprechen, wie Jan erklärt hat. Ich verstehe nicht so ganz, warumsich mich nicht dabei haben wollten - schließlich gehen solche Treffen immer uns alle was an - doch ich gehe stark davon aus, dass sieZeit für sich brauchen und zu zweit etwas unternehmen wollen und außerdem mir ein wenig Zweisamkeit mit Sarah verschaffen wollten. Trotzdem will ich endlich wissen, was genau da zwischen den beiden los ist. Im Moment werdeich sie jedoch nicht zur Rede stellen, denn es gibt dringendere Dinge zuerledigen. Ich nehme Sarahs Koffer mit ihren Sachen und drücke ihr meinHandyladekabel in die Hand, da sie ihres schon seit Stunden erfolglos sucht. Dann machen wir uns auf denWeg.
damm... damm... damm... Ein dramatisches Kapitel, das gebe ich zu! ;) Sorry wegen der Verspätung, hätte eigentlich schon gestern kommen sollen, ich weiß...
Habt ihr Sarahs Video gesehen zu ihrer Krankheit und ihrem Krankenhausaufenhalt? Ich werde sie sehr vermissen und hoffe, dass es ihr danach besser geht!!!
Ihr wolltet ja mehr Kapitel aus Cengiz Sicht, daher dieser Part, auch wenn der echt ein wenig fies ist an dieser Stelle... :D
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Memories never die | Jandre
FanficFür Sina2810 #Jandre ist real? Nicht ganz. Denn obwohl sich Andre unglaublich stark zu Jan hingezogen fühlt und es so scheint, als würde dieser seine Gefühle erwidern, kann Andre eine Sache nicht vergessen: seine Vergangenheit. Sie steht dem Glück d...