Kapitel 62 Teil 1

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Jan

Ich sehe wie sein Gesichtsausdruck sich von anzüglich zu betroffen ändert.

„Komm jetzt!" Ich bedeute ihm, mir wieder ins Restaurant zu folgen.

Mit zerknirschter Miene trottet er hinter mir her. Ich steuere unseren Tisch an und versuche die bohrenden Blicke der übrigen Gäste so gut wie möglich zu ignorieren, auch wenn mir das beim besten Willen nicht leicht fällt. Was sie wohl von uns denken...? Eigentlich sollte mir das egal sein. Ist es aber nicht. Ich lasse mich mit einem Seufzen auf meinen Platz fallen. Den randvollen Teller mit lecker duftendem Essen schiebe ich zur Seite und warte, bis Andre ebenfalls mir gegenüber auf seinen vier Buchstaben sitzt. Ich hoffe zunächst darauf, dass er der Anfang macht, doch er schweigt und weicht meinem Blick aus.

Also hole ich tief Luft. Jetzt oder nie! „Andre, bevor wir irgendetwas miteinander tun, und du weißt, was ich damit meine, muss ich wissen, was das zwischen uns beiden ist!", sage ich mit Entschlossenheit. Ich habe lange überlegt, ob ich ihn so direkt darauf ansprechen soll oder die Sache zwischen uns einfach weiterhin genießen soll, wie sie ist. Aber ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass ich endlich Klarheit brauche, weil ich mir nicht sicher bin, ob es ihm so geht wie mir. Ich schaue in Andres Gesicht und sehe, wie es in ihm arbeitet. Ich beobachte ihn genau, wobei ich mir vorkomme wie ein Polizist im Kreuzverhör, der einen Verdächtigen um jeden Preis überführen will. Er spielt mit seinem Weinglas, dreht es stumm zwischen den Fingern, fährt sich nervös durch das Haar. Habe ich ihn überfordert?

„Andre, bitte sag mir ehrlich, ob das zwischen uns für dich nur so eine Art Experiment ist, bei dem du dich selbst austestest oder dir etwas beweisen möchtest. Ob du mich nach wie vor als einen Freund siehst und sich an unserem Verhältnis zueinander für dich nichts geändert hat. Oder bedeutet dir das alles vielleicht irgendetwas? Empfindest du etwas für mich, was zuvor nicht so wahr? Möglicherweise sogar etwas, das Freundschaft überschreitet?"

Er zuckt zusammen. Vom einen auf den anderen Moment ist er blass geworden und kaut unentwegt auf seinen Lippen herum. Ich rede leise, fast flüstere ich und trotzdem habe ich das Gefühl, dass alle um uns herum uns hören. Ich wage es nicht aufzusehen und richte meine Blick weiterhin fest auf Andre.

„Andre, kann es sein, dass du wie dein Vater...?" Vor Schreck lässt er das Weinglas fallen, das auf den Boden fällt und dort in tausend Scherben zerspringt.

Scheiße, das hätte ich nicht sagen dürfen. Was habe ich mir nur dabei gedacht?!

Es ist mucksmäuschenstill, ich glaube fast, dass jeder um uns herum meinen unglaublich schnellen Herzschlag hören kann. Die Geräusche der Menschen sind alle verstummt, ob wegen dem zerbrochenen Glas oder wegen meinen Worten weiß ich nicht. Ich sehe nur Andre, seine schönen dunklen Augen, in denen man wie nie zuvor seine Gefühle erkennen kann. Er ist nicht mehr im Stande dazu, sie zu verbergen. Erschrockenheit, Ernst, Angst, fast schon Panik spiegeln sich in ihnen und trotzdem so etwas wie... Erleichterung... Oder irre ich mich da? Abwartend und reglos sitze ich auf meinem Stuhl. Ich bin bereit, ihm so viel Zeit zu geben, wie er braucht, wenn er mir denn endlich eine Antwort gibt.


 

Nächster und LETZTER Teil in ca. einer halben bis dreiviertel Stunde, wenn ihr noch wollt #teamnachtaktiv...

Memories never die | JandreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt