Was man nicht alles tut... für jemanden, den man liebt

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*Anna's Sicht*

Ich brachte keine einzige Sekunde ein Auge zu. Die Angst, dass jeden Moment irgendetwas neues schlimmes passiert war viel zu groß. In den letzten Wochen ging alles bergab und jetzt hatte ich auch noch Rose's Geheimnis ausgeplaudert. Scheiße, ich habe ihr sogar eine verpasst. Aber was sollte ich denn tun? Ich war so wütend und verzweifelt, dass ich an nichts anderes denken konnte. Wie konnte Rose nur so blöd sein? Ich hoffe Dad lässt sie in Ruhe, es passiert ja nicht immer, dass man erfährt, dass die Adoptivtochter schwanger vom eigenen Sohn ist. Okay Schicksal, was hast du noch für uns bereit? Fragend sah ich auf eine flackernde Kerze, die vor mir stand. Ich habe mich in mein Zimmer zurückgezogen, saß am Boden vor meinem Bett, die Knie an den Körper gezogen, das Zimmer dunkel. Das einzige Licht kam von der Kerze, die schon zur Hälfte runtergebrannt war. Nach der Enthüllung von Max und Rose Beziehung bin ich sofort ins Zimmer gegangen. Ethan wollte mich begleiten und auch Alexander hat angeboten mir Gesellschaft zu leisten, doch ich lehnte beide ab. Ich wollte alleine sein, ganz alleine. Ich meinten es beide gut, das weiß ich. Sie wollen mich nur aufheitern, aber mich kann man nicht aufheitern, nicht solange dieser Albtraum nicht vorbei ist. Gibt es denn keine Möglichkeit, das alles zu beenden ohne, dass irgendwer zu Schaden kommen muss? Womöglich nicht, jedenfalls keine mit der alle einverstanden wären. In so einer Situation fühlt man sich so hilflos und nutzlos. Mir kamen wieder die Tränen und ich zog mich noch enger zusammen. Bis es plötzlich bebte und der ganze Raum erschütterte. Es bebte noch einmal, und noch einmal, immer wieder, es hörte nicht auf. Was zum Teufel ist das? Als es dann sehr laut krachte sprang ich auf und stürmte aus dem Zimmer um nachzusehen was los ist. An mir stürmten mehrere Wachen vorbei und Ethan kam sofort zu mir: „Alles okay bei dir?" Ich nickte: „ Was war das?" Ethan: „Die Spanier müssen uns bombardieren. Sonst kann ich mir diesen Krach nicht erklären." Ich: „Sie bombardieren uns? Was-" Doch ich wurde von einem weiteren riesigen Krach unterbrochen. Der Eingang des Bunkers wurde aufgesprengt und tausend Steinstücke flogen durch die Luft. Ethan: „Duck dich!" Ich warf mich blitzschnell auf den Boden, schützte meinen Kopf und Ethan hielt sich schützend ober mich. Viele Stimmen drangen nach unten in den Bunker. Sie waren also wirklich in den Bunker vorgedrungen. Ethan stand sofort wieder auf, zog sein Schwert und sah mich an: „Nimm Rose und deine Mutter und verlasst sofort den Bunker durch den Geheimausgang! Und dann flieht aus dem Schloss, versucht nach Schottland zu kommen." Ich: „Nein, ich lass dich sicher nicht hier zurück." Ethan: „Anna, Rose braucht dich. Sie kann sich nicht alleine verteidigen. Ich weiß, dass du das kannst und du dich am besten hier auskennst." Ich: „Ich will dich nicht schon wieder verlieren!" Ethan: „Mach dir keine Sorge, ich komm klar. Und werde nachkommen." Irgendetwas in seinem Blick verriet mir, dass er selber nicht wirklich daran glaubte. Aber Ethan hätte nie zugelassen, dass ich hier bei ihm bleibe. Wahrscheinlich hätte er mich von einer Wache raus tragen lassen damit ich nicht weiter mit ihm diskutiere. Ich musste auf seine Fähigkeiten vertrauen, auch wenn ich ein ungutes Gefühl dabei hatte. Ich schluckte: „Wehe du lügst mich an und kommst nicht wieder!" Leicht schmunzelte Ethan, drückte mir einen Kuss auf die Lippen und forderte mich dann wieder auf endlich abzuhauen. Ich rannte in die andere Richtung und stürmte in Rose's Zimmer rein: „Rose, wir müssen sofort abhauen!" Rose stand mit Max im Zimmer und drückte sich an ihn: „Was?" Ich: „Die Spanier, sie sind durchgebrochen. Wir müssen sofort hier weg! Durch den Geheimausgang." Rose sah Max an. Max: „Anna hat recht. Du solltest mit ihr mit gehen." Rose: „Du kommst mit! Ich lass dich nicht hier alleine zurück." Max: „Rose, du darfst nicht an mich denken, sondern an das Baby. Ich könnte es nicht ertragen wenn euch beiden etwas passiert. Bitte, geh mit Anna mit. Ich werde die anderen unterstützen und dann zu euch aufstoßen." Rose sah Max traurig an, verstand dann aber, dass es für das Baby das bessere ist sich in Sicherheit zu bringen. Rose küsste Max: „Pass auf dich auf!" Ich schnappte Rose an der Hand und rannte mit ihr los. Am Ende des Ganges stand schon Mam mit zwei Wachen und war sichtlich erleichtert als sie mich und Rose heil sah: „Bin ich froh, dass euch nichts passiert ist." Ich: „Wir müssen aus dem Bunker und dann aus dem Schloss!" Mam stimmte mir zu und wir stiegen alle durch den Geheimausgang aus den Bunker raus. Vor dem Schloss wurde schon heftig gekämpft und ein paar Häuser brannten. Der spanische König meinte es ernst, er möchte das englische Königshaus vernichten. Oh Gott, bitte lass alle heil raus kommen! Ich: „Wir müssen zur östlichen Mauer, dort gibt es einen Spalt, der durch Büsche und Hecken verdeckt wird." Mam: „Einen Spalt?" Ich: „Ja, durch den sind wir nach der Bekanntgabe der Verlobungen abgehauen." Mam sah mich eine kurze Sekunde verächtlich an, sah aber dann wieder nach vorne und nickte den beiden Wachen zu, dass sie vorgehen sollten. Als wir uns unbemerkt zur östlichen Mauer begeben konnte und gerade die Büsche vom Spalt wegschoben sahen wir, dass selbst hier eine riesige Armee an Spaniern stand. Sie hatten das ganze Schloss umstellt, damit niemand entkommen konnte. Das musste ja noch passieren. Rose: „Toll, und was jetzt?" Ich sah mich um. Überall wurde gekämpft, mehrere Tote gab es schon zu betrauern und andere Verletzte versuchten zu fliehen. Ich konnte doch nicht einfach so da stehen und nichts tun, während unsere Männer abgeschlachtet wurden? Wozu habe ich denn dann am Kampfunterricht teilgenommen, heimlich mit Carlos geübt und mir von Ethan Tipps geben lassen? Ich: „Mam, Rose, ihr bleibt hier im Gebüsch versteckt. Haltet eure Köpfe tief, schaut, dass euch die Hecken und Büsche verstecken. Ihr beiden bleibt bei ihnen und beschützt sie." Rose: „Und was tust du?" Ich: „Ich helfe den anderen." Mam: „Anna, nein! Nein, du bringst dich nicht in Gefahr! Du bist..." Ich: „Es geht nicht darum was ich bin, sondern was ich tue. Ich werde hier nicht tatenlos herumsitzen während die anderen für uns sterben!" Mam: „Aber, du..." Ich: „Rose muss hier lebend heraus kommen, es geht darum sie zu beschützen. Sie wird König und sie trägt ein Kind in sich. Mam, du musst mir versprechen, dass ihr nichts geschieht!" Mam wusste, dass es sinnlos war gegen mich zu reden, also nickte sie. Rose schüttelte den Kopf und hatte Tränen in den Augen: „Nicht auch du noch." Ich: „Ich muss den anderen helfen. Du musst mir nur versprechen, dass du keine Dummheit anstellst!" Rose schluckte, aber nickte ganz leicht. Kurz atmete ich noch einmal tief ein und aus und lief dann vors Schloss. Auf dem Weg nahm ich mir aus der Waffenkammer einen Bogen und einen Köcher mit Pfeilen drinnen. Mit Pfeil und Bogen war ich immer schon am besten. Es herrschte pures Chaos. Am konnte fast nicht mehr erkennen, wer gegen wen ist. Ich suchte in der Menge nach Max, Ethan oder sonst wen den ich kannte, doch ich fand niemanden. Nachdem ich ein paar Spaniern Pfeile in den Rücken, in die Brust und sonst wohin geschossen hatte bemerkte ich endlich Ethan in der Menge. Er hatte ein paar Blutspritzer auf seinem T-Shirt und ein paar im Gesicht. Ihn heil zu sehen erleichterte mich, doch auf einmal stürmten vier gleichzeitig auf ihn los und Ethan hatte Schwierigkeiten allen Schlägen auszuweichen. Er schaffte es zwei niederzustrecken und einen am Bein zu verwunden, doch der vierte stürmte Ethan in den Rücken, sodass Ethan ihn nicht sah. Ich zückte einen weiteren Pfeil und schoss dem Typen, noch rechtzeitig genug bevor er Ethan in den Rücken stechen konnte, in den Hals. Genau in diesem Moment drehte sich Ethan um um den Schlag zu blocken, doch er sah nur mehr wie der Typ zu Boden ging. Sein Blick glitt zu mir und er machte sich sofort auf den Weg zu mir: „Anna, was tust du hier? Ich habe dir doch gesagt, dass du dich in Sicherheit bringen sollst." Ich: „Wollte ich auch, aber die Spanier haben das ganze Schloss umzingelt. Es gibt keinen Weg nach draußen." Ethan: „Shit! Aber was tust du hier?" Ich: „Ich werde nicht dumm herumsitzen! Ich kann genauso kämpfen, dazu habe ich trainiert." Ethan: „Aber-" Doch Ethan konnte nicht weiter reden, denn die nächsten Spanier stürmten auf uns zu. Viel Zeit um zu diskutieren blieb nicht, denn es schien als würden es nicht weniger Spanier werden. Es waren so viele, sodass ich nicht mehr wusste wie viele ich tötete, nachdem mir die Pfeile aus gingen und ich mir ein Schwert schnappte. Ein Spanier, gegen den ich kämpfe, riss mich zu Boden und entwaffnete mich, doch ich konnte ihn in letzter Sekunde mit meinem Dolch, den ich im Stiefel stecken hatte, erstechen und auf die Seite rollen. Doch als ich die Sicht wieder frei hatte bemerkte ich, dass ein Bogenschütze genau auf mich zielte und gerade dabei war zu schießen. Sofort schossen an mir Bilder meines ganzen Lebens vorbei. Ich blendete alle Geräusche aus, nur Ethan's Stimme, die schrie: „ANNA! NEIN, ANNA!!", hörte ich. Für einen kurzen Moment glaubte ich, dass mein Leben nun wirklich vorbei ist. Doch plötzlich stellte sich Alexander vor mich und bekam den Pfeil direkt in die Brust. Ein zweiter Pfeil folgte und landete unter dem ersten. Alexander ging auf die Knie und brach vor mir nieder. Ich kroch zu Alexander und legte seinen Kopf auf meine Knie. Die zwei Pfeile durchbohrten seine linke Brust. Scheiße, ich musste irgendetwas tun! Fuck! Nur was? Meine Gedanken kreisten wie wild umher, Panik stieg in mir auf und Tränen begannen sich in meinen Augen zu bilden. Mein Blick schweifte durch die Menge nach Hilfe, doch ich blieb bei dem Spanier mit dem Bogen hängen, denn er richtete wieder seinen Pfeil auf mich. Im nächsten Moment bekam er einen Dolch in die Brust und kippte um. Dann saß Ethan neben und legte seine Hand auf Alexander's Brust, die sich sehr schnell und unregelmäßig hob: „Keine Sorge, wir bekommen das hin!" Ethan griff nach einem Pfeil und wollte ihn rausziehen, doch Alexander hielt seine Hand auf: „Nein... es... lass es. Es hat... keinen Sinn mehr..." Ich: „Doch, wenn die Pfeile erst einmal draußen sind, dann können wir-" Alexander: „Nein! Es würde nichts... nützen. Es ist okay. Lasst es einfach." Mir rann die erste Träne die Wange runter: „Wieso hast du das getan?" Alexander lächelte ein wenig: „Komisch... was man nicht alles tut.. für jemanden, den man... liebt." Mir fehlten die Worte. Nichts hätte ich jetzt darauf antworten können, nichts was diesen Moment besser gemacht hätte. Alexander: „Ich weiß, dass mir dein Herz... nie gehört hätte. Aber... mir hat es gereicht... dich wenigstens an meiner Seite zu haben... wenn auch für... kurze Zeit. Aber es ist schön für... eine gute Sache zu sterben. Anna... ich hoffe du wirst glücklich..." Dann richtete Alexander seinen Blick auf Ethan: „Ich hoffe... ihr werdet glücklich." Die Sonne ging auf und Alexander lächelte noch einmal bevor er seine Augen für immer schloss.

Eine Prinzessin kommt selten alleinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt