Art
Ich stehe in der Küche und beobachte Jamie dabei wie er sich gerade die Schuhe auszieht. Ich muss ständig daran denken,was mir die Psychologin gesagt hat. Ich muss daran denken,was ich selbst gesagt habe.
Jamie fühlt sich im Stich gelassen. Er fühlt sich vernachlässigt und alleine gelassen,genau wie ich damals. Ich kann an nichts anderes mehr,als an ihre Worte denken und daran was ich dabei fühle. Es schmerzt mich,es schmerzt so sehr.
Innerlich bin ich jede Möglichkeit durchgegangen,wie ich ein Gespräch mit ihm anfangen und führen kann. Immer wieder bin ich daran gescheitert,weil mir nichts passendes eingefallen ist.
Er verdient soviel mehr als nur ein paar Worte von mir. Er verdient es glücklich zu sein,sowie jeder in meiner Familie es verdient.
Ich fasse meinen ganzen Mut zusammen und setze mich in Bewegung. Er ist schon halb die Treppen hochgestiegen,als ich nach ihm rufe.
,,Jamie?"
Er bleibt stehen,dreht sich langsam zu mir um,sein Gesicht wutverzerrt. ,,Was ist?",zischt er.
,,Können wir reden?"
,,Ich weiß nicht,was es zu bereden gibt"
,,Bitte",ich sehe ihn flehend an und hoffe,dass er sich dazu bereit erklärt,als er nickt und die Treppen weiter hochläuft,laufe ich ihm hinterher.
Wir gehen in sein Zimmer,ich schließe hinter uns die Tür ab,sodass wir ungestört reden können. Er stellt sich in die Mitte des Zimmers,verkreuzt seine Arme vor seiner Brust und starrt mich an.
Ich hole einmal tief Luft und sammle mich,versuche die richtigen Worte zu finden.
Ich versuche mich in die Zeit in seinem Alter zurück zu versetzten,versuche,dass zu fühlen,was er gerade fühlt.Und es fällt mir schwer,es fällt mir so schwer einen Ton herauszubringen,weil ich mir dann selbst eingestehen muss,dass ich Fehler begangen habe und das ich eine beschissene Kindheit hatte.
Ich habe es jahrelang versucht zu verdrängen. Ich wollte mir nicht eingestehen,wie sehr ich sie hasse. Wie sehr ich sie verabscheue und ihnen den Tod wünsche.
Ich atme einmal tief ein und wieder aus,richte meine gesamte Aufmerksamkeit auf Jamie und auf das was ich gerade fühle. Ich denke überhaupt nicht nach,was ich jetzt sage,ich tue es einfach.
,,Es tut mir leid",beginne ich meine Rede. Er sieht mich mit gerunzelter Stirn an und setzt gerade an,etwas zu erwidern,doch ich komme ihm zuvor.
Ich laufe auf ihn zu,sehe ihm dabei in die Augen,weil ich will,dass er versteht,wie ernst ich das meine. Wie ernst ich das meine,was ich jetzt zu ihm sagen werde.
,,Es tut mir leid,dass ich nicht für dich da war. Es tut mir leid,dass ich dir nie zugehört habe. Es tut mir leid,dass du dich von mir im Stich gelassen fühlst. Alles tut mir schrecklich leid.
Aber Jamie,ich will,dass du weißt,wie sehr ich dich liebe und wie viel du mir bedeutest. Du bist mein kleiner Bruder,du bist alles für mich,genau wie die anderen.
Ich liebe euch alle gleich viel. Es gibt keinen den ich lieber mag oder bevorzuge und egal wie oft wir uns gestritten haben,egal wie oft wir uns beleidigt haben,tief im Inneren wusste ich immer,dass ich dich liebe.
Es bringt mich um dich so zu sehen. Ich hasse es,dass du dich im Stich gelassen fühlst,weil ich weiß wie beschissen es sich anfühlt. Ich weiß,wie es sich anfühlt alleine zu sein und ich will nicht das du dich alleine fühlst.
Ich will für dich da sein,wenn du mich brauchst. Ich will dir zuhören,wenn du es willst. Ich will dich trösten und in den Arm nehmen,wenn du traurig bist.
Ich will das alles,weil ich mehr als nur dein Vormund bin. Ich bin dein Bruder Jamie und du,Ali und die kleinen sind alles für mich. Ihr seid alles was ich brauche,alles was ich will,verstehst du das?
Ich habe dir das nie erzählt,weil ich nicht wollte,dass du und die anderen so von unseren Eltern denkt,dass ihr das seht,was ich sehen musste,aber ich will ehrlich zu dir sein.
Ich hatte eine beschissene Kindheit. Ich habe Mom und Dad gehasst,ich hasse sie abgrundtief. Sie waren nie für mich da und ich habe mich von Ihnen im Stich gelassen gefühlt.
Mom hat mich gehasst,genauso wie Dad mich gehasst hat,wenn er mir ins Gesicht geschlagen hat. Ich wollte euch von dem allen beschützen und ich habe versagt.
Ich habe versagt dir das zu ersparen,was ich fühlen musste und dafür werde ich mich immer hassen. Ich habe schuld daran,dass du mich so sehr hasst und es tut mir leid.
Du musst mir nicht verzeihen,aber ich will,dass du weißt,dass ich für dich da bin und alles für dich tun würde und das es mir leid tut",mein Herz raste,ich zitterte.
Ich sehe zu Jamie und sehe wie ihm mehrer Tränen über die Wangen laufen. Er sieht mich aus glasigen Augen an und läuft auf mich zu,sodass sich unsere Fußspitzen berühren.
,,Ich hasse dich nicht",antwortet er mit brüchiger Stimme.
,,Du..du warst immer ein guter Bruder.
Du hast alles für Fiona und Lenny,Ali und mich gegeben,dass weiß ich. Ich bin einfach so egoistisch und das hasse ich.Ich weiß,dass die kleinen dich mehr brauchen,als ich dich. Ich weiß es und trotzdem war ich sauer auf dich.
Ich wollte um jeden Preis deine Aufmerksamkeit,selbst wenn es nur ein Streit war. Ich wollte einfach nur mit dir reden und mich nicht alleine fühlen.
Ich muss mich entschuldigen und nicht du.
Ich habe nie gewusst,was Mom und Dad dir angetan haben,aber es tut mir so leid. Es tut mir leid,dass ich immer so eine Last für euch alle war,dass ich mich nie benehmen konnte.Ich sehe,wie schlecht es dir geht und doch denke ich nur an mich. Es hat mich einfach so wütend gemacht. So wütend,dass Mom und Dad uns verlassen haben und ich weiß,dass du nichts dafür kannst,aber ich hasse es einfach.
Ich hasse es,wenn ich die Kinder in meiner Schule sehe,wie ihre Eltern sie abholen oder zum Elternabend kommen. Ich hasse es,sagen zu müssen,dass ich nicht einmal mehr weiß,wie meine Mutter aussieht oder wie ihre Stimme klingt.
Ich hasse es,wenn mich jemand fragt,warum wohnst du bei deinem Bruder? Was ist mit deinen Eltern? Sind sie tot? Ich hasse es einfach,dass wir keine normale Familie sein können.
Doch ich weiß,dass das alles nicht deine Schuld ist. Ich weiß,dass du alles für uns tun würdest und tust und dafür bin ich dir unendlich dankbar. Auch wenn ich es nicht zeige,ich liebe dich auch Art und ich würde alles für dich tun",mittlerweile hat Jamie angefangen zu weinen,seine Stimme ist brüchig und sein gesamter Körper bebt.
,,Ich versuche mich zu bessern,ich verspreche es dir. Ich werde dich nicht mehr provozieren,ich werde mich nicht mehr gegen deine oder Alisons Worte widersetzen.
Ich bin dankbar dafür,dass ihr beide für mich da seid,wirklich. Ich bin dankbar für das alles und ich will das es dir gut geht. Ich weiß,dass ich dazu beigetragen habe,dass es dir schlecht geht und das tut mir so leid.
Ich ertrage es nicht,dich so zu sehen. Ich hasse es,zu sehen wie schlecht es dir geht und nichts dagegen tun zu können,aber ich verspreche dir mich zu bessern und alles dafür zu geben,dass es dir besser geht. Wirklich alles"
Er wirft sich in meine Arme,ich drücke ihn fest an meine Brust und streiche ihm über den Rücken. ,,Es tut mir leid",schluchzt er.
,,Es ist okay. Alles wird wieder gut. Wir schaffen das,wir alle zusammen,denn wir sind eine Familie"
Er nickt langsam und drückt sich enger an mich. Ich schließe für einen Moment meine Augen. Es gibt Glück. Jeder Mensch wird eines Tages sein Glück und seinen jemand finden. Sie müssen warten und darauf hoffen,dass ihr jemand bald kommt.
Ich verspüre gerade Glück. Ich spüre mein Herz,wie es kräftig und gleichmäßig schlägt. Ich spüre Ruhe. Ich höre keine Stimmen oder fühle mich taub,ich fühle mich gut.
Was wenn es doch so etwas wie Glück gibt? Was wenn ich mich doch zurück an die Oberfläche kämpfen kann? Was wenn Ms.Mckenny recht hatte und jeder Glück erlebt?
Ich werde es herausfinden. Ich werde mein Glück selbst in die Hand nehmen und danach suchen. Ich werde nicht so schnell aufgeben.
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Verbotene Liebe Teil 1
General FictionSchizophrenie ,,Eine psychische Erkrankung, in deren Folge Symptome wie Bewusstseinsspaltung, Denkstörungen und Halluzinationen auftreten." Was wenn das Leben von Anfang an zum scheitern verurteilt ist? Was wenn dein Leben nur aus Schicksalsschläge...