drei

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s a t u r d a y

Mein Handywecker riss mich mal wieder erbarmungslos aus den Träumen, ich gähnte und wälzte mich noch immer im Halbschlaf von der einen zur anderen Seite. Irgendwann schaffte ich es doch, mich träge aus dem Bett zu schleppen, da sich mein Magen schon gemeldet hat, als ich wach wurde. Ja, okay ich war ein wenig verfressen, aber daran konnte, nein, musste man ja schließlich auch noch arbeiten.

Schlaftrunken nippte ich von dem frisch gekochtem Kaffee und setzte ich mich zu Jana an den kleinen Küchentisch. Die junge Frau mit den Locken war inzwischen, wie jeden Tag, über ihre Lieblingszeitung London Star Flash gebeugt.

„Heeeey Jana, ist jemand anwesend?" rief ich ihr zu, doch sie blickte nicht auf. Reagierte nicht einmal und schien völlig in einen spannenden Artikel vertieft zu sein. Ich seufzte und rüttelte an ihrer Schulter, doch sie blieb unbeindruckt.

Also griff ich einfach zu einer Methode die immer, aber wirklich immer funktionierte. Grinsend scrollte ihre Playlist am Handy durch, stoppte bei R und machte Right now auf voller Lautstärke an. Abrupt sprang sie auf, räumte sie das dreckige Geschirr ab, bewegte sich im Takt zu der Musik und summte laut mit.

„Heilige Scheiße, Louis' Part! Rose oh mein Gott Louis Solo. Holy shit. Ich hatte so eine Gänsehaut! Es war so per-fect. Wobei es live natürlich noch besser klingt. Der Song killt mich jedes Mal." grinste sie und ihre hohe Stimme, die sie immer hatte, wenn sie sich besonders freute, hallte dabei durch die ganze Wohung woraufhin ich mich kichernd auf den Stuhl neben sie setzte.

Als sie sich nach einer Weile wieder beruhigt hatte, aß sie wieder ihr Nutellabrötchen weiter. Jana freute sich immer aber wirklich immer, wenn ich auch nur irgendetwas mit One" sagte! War das wirklich normal? Ja, anscheinend schon.

Außerdem konnte sie richtig gut zuhören und redet manchmal stundenlange, ununterbrochen ohne jegliche Pause. Wie ein Wasserfall plapperte sie dann los. Tja, aber das war es, was ich so an ihr mochte.

Mit einem Blick auf die Uhr, fuhr ich zusammen. Mit stand das pure Entsetzten ins Gesicht geschrieben. „Scheiße, schon acht! Ich muss sofort los! Melissa wird mich killen." Den letzten Satz murmelte ich mehr zu mir selbst, als zu meiner Freundin. Laut fluchend ließ ich meine Kaffeetasse sinken, schnappte mir die Autoschlüssel und stürmte nach draußen. „Bis dann!" schrie sie mir noch nach. Doch die Türe hinter mir hatte ich bereits geschlossen.

Der kalte Wind peitschte mir um die Ohren, ließ mich bibbern, als ich mein Auto aufsperrte und den Radio anschaltete, es lief leider nichts als Schrott um diese Uhrzeit. Also schaltete ich ihn wieder aus und stellte die Heizung an. Ohne Jacke rauszugehen war keine allzu gute Idee. Mit einer Geschwindigkeit, für die ich längst geblitzt werden müsste, raste ich durch die glücklicherweise nur spärlich befahreren Straßen. Vorbei an Cafés, Kinos, Parks, Restaurants. An einer Kreuzung sprang die Ampel vor mir abrupt auf rot. Na Halleluja, heute war ja wirklich mal wieder einer meiner heiß geliebten Glückstage. Während die Ampel noch immer auf signalrot stand, beobachtete ich die Leute durch die Windschutzscheibe. Menschen hasteten hektisch und gestresst über die Zebrastreifen. Zur Arbeit. Zu den Kindern. Zur Familie.

Plötzlich tauchten zwei grüne Augen in meinem Blickfeld auf. Sie fesselten mich. Sie waren voller Glanz und leuchteten so intensiv. Obwohl er mindestens zwei Meter von mir entfernt war, stachen seine Augen hervor. Der Typ ging über den Fußgängerüberweg, blieb mitten auf dem Zebrastreifen stehen, starrte anscheinend mich an. Wie von Geisterhand wandte er sich wieder um, senkte den Blick auf verstohlen auf sein Handy in der einen Hand. Der Lockenkopf sah erneut kurz auf, woraufhin ich ihm so zulächelte, wie es uns Melissa monatelang eingebleut hatte. Herzlich, freundlich, als habe man soeben im Lotto gewonnen. Doch er blieb emotionslos und zeigte keinerlei Regung im Gesicht - da war nichts. Versank in den Menschenmassen und ich verlor ihn aus dem Blickfeld. Der Augenblick war so kurz, vielleicht nur ein oder zwei Sekunden und doch eine kleine Ewigkeit.

I hate it to be hungry #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt