Etwas in mir krampfte sich zusammen. Ich wollte nicht beobachtet werden. Auf Schritt und Tritt. Fast jede Sekunde meines Lebens. Jedoch hatte es auch einen Vorteil. Man war von Stalkern und den wenigen, aber sehr gewaltbereiten Leuten geschüzt. Ich atmete zitternd aus. Harry schickte die beiden Männer mit einer Handbewegung nach draußen und kam näher auf mich zu. Unsicher trat ich von einem Fuß auf den anderen und kaute auf meiner Unterlippe herum. Ein Gefühl, das ich nur all zugut kannte breitete sich tief in mir aus. Zweifel. Zweifel an mir. An ihm. An unserer Beziehung. „Hör zu i..." Er stockte und sein Blick verfinsterte sich schlagartig.
Mein Handy piepte und ich fuhr zusammen. Harrys Augen waren zu schmalen, misstrauischen Schlitzen verengt. In diesem Augenblick riss er mir das Smartphone aus der Hand und ich taumelte benommen nach hinten.
„Wo bist du? Vermisse dich, meine Liebe. Meld dich wieder, mache mir Sorgen. Jonas" zitierte er die SMS in einem spöttischem und vernichtenden Ton, der nicht zu toppen war. Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner bleichen Haut aus. Ich beteuerte erneut das da nichts zwischen uns wäre, außer Freundschaft.
Er raufte sich durch die wiederspenstigen Haare. Seine Hand ballte sich zu einer Faust, löste sich dann gleich wieder. „Dein Ernst? Du verstehst nicht, du verstehst gar nichts. Der Mistkerl will mehr als nur Freundschaft! Merkst du das denn nicht? Reicht dir die Scheiß-SMS nicht als Beweis?" Langsam reichte es wirklich. So konnte es doch nicht weitergehen. Was ich zu hören bekam waren Vorwürfe, Vorwürfe, Vorwürfe. „Hörst du dir überhaupt zu? Habe ich damals mit Ruby so ein Drama gemacht? Noch wochenlang danach regst du dich darüber auf, obwohl nichts passiert ist." Ich erzählte ihm von dem nahezu alles. Von der Kindergartenfreundschaft über die Grundschule und so weiter. Alles - außer den Kuss, den verschwieg ich ihm.
Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Ich glaub dir kein Wort, meine Liebe." zischte er abfällig und schnaubte. Ich spürte einen Kloß in meinem Hals, als er Jonas zitierte und ich wünschte mir nichts sehentlicher als mich in meine Kuscheldecke zu mummeln und mir Gedanken über die Zukunft zu machen. Wie es mit uns weitergehen sollte, mit meinem Leben, mit allem.
Harry unterbrach die quälende Stille, die schon seit Minuten auf uns lag. „Ich will das du seine Nummer löschst. Nicht nur das, ihn aus deinem Leben löschst. Delete, verstehst du?" Ich fühlte mich wie als wäre mein Freund der Erzieher und ich das Kind, welches nach mehrmaligem Erklären nicht verstand, was irgendein belangloses Wort bedeutete. Dann holte mich rasend schnell die Realität ein. Es war wie ein Schlag ins Gesicht. „Was soll ich?" Ich erwartete keine Antwort, alles war gesagt und doch blieben soviele Fragen in meinem Kopf zurück.
„D-das kann doch nicht dein Ernst sein." stotterte ich perplex und mein Gesicht wurde kreidebleich. Wieder blieb er standhaft und beteuerte, dass das sein Ernst war. Mit einem Mal packte seine Hand grob die meine und ehe ich mich versehen konnte, tippte er wild auf dem Handy herum. Ich fragte ihn, was er vorhatte. Blöde Frage, was wird er wohl vorhaben. Jonas Nummer löschen natürlich. Er antwortete mir nicht, steckte das Handy in seine Hosentasche, drehte sich einfach um, ging fort, verließ mich. Erneut. Die Tür knallte laut und ich schluckte schwer. Und wieder stellte ich mir die quälende Frage, welche mich seit Tagen verfolgte. Funktionierte so eine Beziehung? Ich sehnte mich nach Nähe, Zärtlichkeiten, Gefühlen, seiner Liebe. Es klingelte an der Haustüre und im ersten Moment dachte ich, Harry wäre es. Doch was sollte er jetzt schon hier?
Er war nicht der Typ, der nach ein, zwei Minuten schon wieder angerannt kam und sich auf Knien entschuldigte. Nein, eher der, der nachdachte. Über alles. Über seine Fehler, meine, Vergangenheit, wie es weitergehen konnte. Er war schon immer der Denker.
Gedankenversunken öffnete ich die Tür und taumelte ein paar Schritte zurück, als ich Jonas vor mir sah. An dem Jackenärmel zog ich ihn in meine Wohnung und knallte dann schnell die Tür hinter mir zu. „Wow, was war das denn?" fragte er eher zu sich selbst, als zu mir und grinste schief. Er zog seine hellbraune Lederjacke aus, warf sie über den Stuhl und setzte sich lässig auf einen Barhocker. Dabei musterte er mich, runzelte ab und an die Stirn, bis er dann doch grinste. „Miss Lancaster, Sie sehen heute wieder ausgezeichnet." Ich errötete und wippte mit den Füßen, beugte mich nach vorne. Zahlreiche Haarsträhnen fielen mir ins Gesicht.
„Wie geht's?" erkundigte sich Jonas schließlich und spielte an seiner silberfarbenen Uhr herum. „Soweit ganz gut und dir?" Was für eine Lüge, aber was tat man nicht alles um die Freunde nicht zu beunruhigen. Er tat so als hätte er meine Gegenfrage gar nicht gehört und meinte stattdessen, „Wie läuft's mit Harry?", und zog die Augenbraue nach oben. Ich seufzte, überlegte. Lange. Was sollte ich sagen? Schönreden wie ach so toll doch unsere Beziehung war, ihm die Wahrheit sagen das mich seine Kontrollen und die ständigen Vorwürfe nervten und ich nicht wusste, wie lange ich das noch durchhalten soll. „Hm, solala. Es ist so ätzend das er andauernd, wirklich ständig in meinem Leben herumschnüffelt. Wie ein Hund. Harry mischt sich in mein Essverhalten ein, will das ich noch mehr esse, verbietet mir den Sport. Stell dir vor, er hat sogar deine Nummer gelöscht und meinte, du wollest mehr als Freundschaft. Bullshit, oder?"
Jonas sagte nichts. Starrte nur auf das PVC, war vollkommen weggetreten. Und ich war mir nicht mehr sicher, ob er mir überhaupt zugehört hat. Plötzlich stand er auf, nahm seine Jacke, schlug die Tür hinter sich zu. Hinterherrennen hätte ohnehin keinen Zweck. Er würde mich vielleicht anschreien, sagen ich solle jemand anders mit meinen Nichtigkeiten volllabern. Tränen sammelten sich in meinen Augen und ich versuchte sie zurückzuhalten.
Was habe ich nur falsch wieder gemacht?
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JUBILÄUM fünfzigstes Kapitel! ♥
Hoffe das es euch gefallen hat. Wenn ja würde ich mich sehr über Votes und Kommentare freuen. Frage: Macklemore, Sia oder Jessie J?
Ich liebe euch ♥
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I hate it to be hungry #Wattys2015
Fanfic"A-aber Harry ich wollte doch nur schlank sein." Schlagartig wurde mir kalt. Eiskalt und ich krallte mich in den Saum meines Pullis. Vor Aufregung. Vor Wut. Vor Angst. Seine Augen zu schmalen Schlitzen zusammengepresst. Von einen Moment auf den ande...