neununddreißig

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l a t e r

Meine Lider flatterten, fast hoffnungsvoll, als der Lockenkopf vor mir den Mund öffnete, doch er blieb eisern stumm. Meine Kehle war wie zugeschnürt. Ich wollte ihn anschreien was er wollte, das sein Verhalten unser der Gürtellinie war, wie sauer ich auf ihn war, doch kein Laut entwich meiner Kehle. Dabei war ich diejenige die angeschrien gehörte. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen, nur eine Frage die ganze Zeit in einer Dauerschleife. Wie konntest du nur?

Meine Augen füllten sich mit abermals Tränen und so sehr ich es auch verhindern und unterdrücken wollte, es gelang mir einfach nicht. Die erste floss bereits eiskalt hinunter. Und wieder eine und wieder eine. Ich schluchzte und bemerkte erst jetzt, dass seine Hand die ganze Zeit auf meiner Wange gelegen hat. Lautlos schniefte ich ein letztes Mal und wischte mir einer schnellen Handbewegung die Tränen weg.

Harry sah nachdenklich auf, blickte auf die tickende und stetig klackernde schwarze Wanduhr, schräg gegenüber von ihm. Es war das einzige Geräusch. Sonst war Stille. Dann schüttelte er den Kopf. Immer und immer wieder. Unruhig spielte ich an dem silbernen Ring herum, den ich am Zeigefinger trug und nagte an meiner Lippe. Ich kam mir vor wie eine Nutte. Klar war Jonas ein toller Typ. Sah gut aus, war sympathisch, hatte Char- Hör bloß auf, stoppte ich mich selbst. Doch Harry war mein Freund. Den ich liebte. Es mochte schon sein das wir ab und zu anderer Meinung waren, doch das war doch normal.

Unwillkürlich dachte ich an Daisy. Wie oft hat sie mir vorgejammert von Matt, diesem angeblich doch so elenden Typen, der sie hinterging. Zusammen sahen wir uns in diesen Phasen Liebesschnulzen an und löffelten stumm unser Schokoladeneis. Mir lief das Wasser im Munde zusammen. Schwach, bliztelte es durch meinen Kopf und ich zwang mich nicht mehr an Nahrung zu denken. Daisy hat damals gefühlte hundert Mal geflucht Scheiß-Typ und danach wieder heulend in seine Arme gefallen. Ob ich mich auch so verarschen lassen würde? Ich glaube nicht.

Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch wandte ich mich um. Die Wände von Harrys Wohnung waren in schlichten Tönen gehalten. Die eine Wand ockerfarben, die andere hellbeige, schwarz oder cremé.

Das Gefühl des schlechten Gewissens packte mich wieder und riss mich in den Strudel, der sich wie ein Hurrican anfühlte, aus dem ich mich nicht entreißen konnte. Wie konnte ich verdammt nochmal nur? Wenn er das erfahren würde... Ich konnte mir gar nicht ausmalen, wie rasend mein Freund werden würde. Gleich nachdem er weg wäre, musste ich Jonas anrufen. Harry durfte es auf gar keinen Fall erfahren, unter gar keinen Umständen. Ich musste das verhindern.

Der Grünäugige starrte gedankenverloren auf das Laminat und machte den Eindruck, als wäre er gar nicht bei mir, sondern ganz weit weg. Irgendwo anders im Nirvana. Schließlich stieß er hervor: „Das ist doch Scheiße, so kann es nicht weitergehen, Rose." Was meinte er damit? Am liebsten hätte ich geschrien Halt dich bloß aus meinem Leben raus, doch ich blieb stumm. Die Lippen aufeinandergepresst, als käme mir sonst ein Laut über ihnen. Ich nickte zustimmend. Reden konnte ich nicht, musste mich mental darauf vorbereiten, was er mir gleich wieder vorwerfen und unterstellen würde - und ich behielt Recht. „DU BIST MAGERSÜCHTIG, KAPIER DAS ENDLICH!" Ja, genau. Beinahe musste ich laut auflachen. Davon, war ich noch weit entfernt, mein Lieber. Doch das verkniff ich mir.

Nach ein paar schweigsamen Sekunden lachte er freudlos, ohne jegliche Emotion auf und schnaubte verächtlich. „Ach, da bringst du den Mund wieder nicht auf, was?" Sein Blick verriet nichts als Enttäuschung. Warum war er nur so gemein? Kurz schoss mir der Gedanke, Jana könnte mit ihm geredet haben durch den Kopf, verflog jedoch gleich wieder. „Da rein", ich deutete von linken zum rechten Ohr, „da raus." Das Grinsen musste ich mir wohl oder übel so gut wie es ging verkneifen, doch ganz gelang es mir nicht. Ich sagte es einfach so, vielleicht um ihn zu provozieren, vielleicht einfach so. Nun war er derjenige, der schrill auflachte, sodass ich heftig zusammenfuhr. Ich schauderte, was hatte er vor?

„Ich sag dir mal was und das zum letzten Mal." Gott sei Dank, zum letzten Mal. „Du hast ein großes Problem mit dem Essen. Aber du merkst es ja gar nicht mehr, so sehr bist du schon in deiner eigenen, kleinen Dreckswelt! Denkst du ich krieg deine Scheiß-Diäten nicht mit!?" Er spuckte die Wörter förmlich heraus. Ich war wie gelähmt. Benommen taumelte ich zu der weißen Couch und ließ mich kraftlos hineinsinken. Ich schluchzte und spürte einen erneuten Anflug von Tränen. Nein, diesmal nicht. Stattdessen verbarg ich mein Gesicht hinter den Händen und schluchzte immer wieder, ich habe beim zehnten Mal aufgehört zu zählen. Und plötzlich fühlte ich mich so unglaublich schwach. Als ob der Boden unter mir wegrutschen würde.

Plötzlich wie aus dem nichts direkt neben mir eine vertraute Stimme. „Hey es .. es tut mir Leid."  Ich richtete mich auf und fuhr mir mit dem Händen über das Gesicht.

Misstrauisch kniff ich nun die Augen zusammen. „Meinst du das im Ernst?"

Er lachte kehlig, seine Mundwinkel schossen nach oben und machten ihn wieder zu dem Harry, den ich liebte. „Sehe ich so aus, als mäche ich Scherze, Rosalie?" Es war ganz ungewohnt meinen vollständigen Namen zu hören. So hatte mich bis jetzt fast niemand genannt. Ich schüttelte den Kopf, dabei fiel mir eine lange Haarsträhne ins Gesicht. Gerade als ich sie wegstreichen wollte, berührte meine Hand etwas weiches. Kurz, vielleicht eine Sekunde, wahrscheinlich nicht mal eine, streifte seine Hand, die meine. Ich rang mich zu einem Lächeln und sah verunsichert zu Boden. Blinzelnd sah ich zu ihm auf.

„Was?" Er schüttelte bloß den Kopf und grinste. Und ehe ich einen Gedanken fassen konnte, lagen seine samtweichen Lippen auf meinen. So, als ob sie füreinander gemacht wären.

Ob er Ruby auch so geküsst, so geliebt, so umarmt hat? Und da war er wieder. Dieser Stich mitten ins Herz, als stäche jemand tief mit einem Dolch hinein, wenn ich nur an sie dachte. Natürlich war Ruby Geschichte - ich die Gegenwart, doch war dieses Kapitel in Harrys Herz wirklich schon abgeschlossen?

„Stell dir vor, ich hab den Job." quiekte ich stattdessen und musste mich zusammenreißen, um nicht aufzuschreien. Nach gefühlten hunderttausend Fragen von Harry, stand ich auf und zog meinen khakiefarbenen Parka an.„Ich muss jetzt gehen, morgen muss ich früh raus."

„Nö" Er sagte es lächelnd und klang beinahe ein wenig gelangweilt. „Das kannst du nicht, am Eingang lagern hunderte von Papperazis. Ein paar Securityleute versuchen sie schon wegzubekommen, aber die kleben hier wie feuchte Nudeln." Harry biss sich auf die Unterlippe und lächelte verschmitzt. So, als ob er sich darüber freuen würde, ich glaube, das tat er auch. Also ließ ich mich zurück in die federweiche Couch sinken. Na das konnte ja was werden...

Lego House und Stay with me in Dauerschleife, holy ich liebe diese beiden Songs. Was sind euere Favsongs im Moment?Ich hoffe euch gefällt das Kapitel. ღ

PS: Welches Cover findet ihr besser? Das jetzige oder das vorherige? ^-^

Oh won't you stay with me? Cuz you're all I need. This ain't love it's clear to see... Okay, ich bin still.

Nina xx

I hate it to be hungry #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt