einundfünfzig

2.3K 137 60
                                    

Würde mich freuen wenn ihr wieder mit Passagen kommentiert.

Der Schweiß rann mir stetig am den Schläfen hinunter. Ich stieß mit glühenden Wangen die angehaltene Luft aus, fuhr mir mit den Händen über die tropfnasse Stirn. Der Kerl am Empfang lehnte sich wie schon vorhin an die Glaswand hinter sich, verschränkte langsam die Arme ineinander und verzog die Lippen zu einem spöttischen Schmunzeln.

Hatte er denn wirklich nicht besseres zu tun?

Komischer Kauzt..

Mein Puls raste, als ich wieder nach vorne schaute. Durch die Glaswand konnte man soviele Dinge von London überblicken. Den riesigen Parkplatz des Fitnesscenters. Selbst die Temse sah man. Zwar nur minimal, aber immerhin. Ich hatte einen eigenen Raum zum Trainieren. Schon waren die ersten Kameras zu sehen. Der Typ am Empfang scheuchte sie jedoch schneller weg, als sie gekommen sind. Na also, er war doch zu etwas gut. Die Bodyguards bestanden darauf, dass ich abgeschirmt war. Als die Securitymänner meinen Blick bemerkten, schlossen sie die vollkommen blickdichten Vorhänge. Nun gab es nur mich und sie. Das mich keiner stören konnte. Keiner Bilder machen konnte, da ich in der High - Society war. Am Eingang kamen schon eine Menge an Menschen, beziehungsweise rennenden Menschen. Doch kein einziger von ihnen kam an den Bodyguards vorbei. Nicht ein einziger.

Dabei fühlte mich so, als wäre ich irgendjemand, der nicht unter normale Menschen konnte und das, weil ich anders war. Irgendetwas musste doch mit mir nicht stimmen. Sonst würde Harry nicht nörgeln und mich mit Vorwürfen bombadieren. Die Uhr auf dem Laufband piepte. Ich hatte gerade mal knapp über zwanzig Minuten auf mittlerer Stufe geschafft, ich Schwächling. Erfolglos fuhr ich mir mit dem Handtuch übers Gesicht, trocknete mich ab. Anschließend zog ich mich an, machte mir die Haare erneut zu einem lockerem Pferdeschwanz und ging vor den zwei Begleitpersonen. Die Leute im Fitnesscenter drehten sich nach uns um, manche von ihnen blieben sogar stehen oder verharrten mitten in ihren Bewegungen. Bei manchen von ihnen sah das wirklich affig aus, wie zum Beispiel bei der Frau, die gerade auf dem Cross-Trainer war. Ich schmunzelte, warf dem Typen am Tresen einen letzten Blick zu und stieß dann die Türen auf. Zügig lief ich zum Auto. Ich wollte Jana anrufen, durchwühlte die Jackentasche meines Mantels, doch ich griff ins Leere. Ins Nichts. Ins Nirvana. Da fiel mir ein, dass mein Handy noch immer bei Harry war. Wer weiß was er damit anstellte. Ein schlimmer Gedanke drängte sich in mir auf. Hat er etwa auf Jonas SMS geantwortet, ihm geschrieben er soll mich in Ruhe lassen?

Schnell versuchte ich an etwas anderes zu denken, machte den Radio an und bewegte mein Bein im Takt zum wummernden Beat. Langsam bog ich in meine Einfahrt ein, der Motor erstarb. Keine Sekunde später drosselten ihn auch die zwei Männer mit dem Van hinter mir. Ich stieg aus und winkte die beiden weg. Ich wollte alleine sein. Nachdenken. Ohne ständig zwei vollkommen Fremde direkt in meiner Nähe zu haben. Ständig waren sie da, nie war ich allein. Aber vielleicht war das auch gut so. Ich sperrte auf, warf meine Schlüssel auf die Küchenablage. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. Bald würde das hier aussehen, wie eine leer geräumte Wohnung, die zum Verkauf stand. Es war wie ein Stich ins Herz. Dann war es, als hätte es mich, uns, Jana und mich, nie hier gegeben. Ich seufzte zitternd.

Vierzehn Uhr. Noch zwei Stunden, ich musste mich beeilen. Gierig nahm ich einen langen Zug von meiner ein Liter Flasche und packte alles in der Küche in Kartons. Es war immer dasselbe Schema, dieselben Bewegungen in den letzten Stunden.

Karton aufklappen, sorgfältig mit Klebepapier fixieren und weiter zum nächten Karton. Mein Herz schlug immer schneller und ich musste viele Pausen machen. Komisch, dass ich in der letzten Zeit schon nach der kleinsten Anstrengung, sei es nur Treppen steigen, aus der Puste war.

Harry hat mir vorhin eine SMS geschrieben, das er nochmal ins Studio muss und deshalb frühestens erst wieder morgen nach Hause kommt. Ich solle schonmal die Möbelpacker bestellen. Er schrieb mir, sogar mit Smiley. Als wäre davor nichts gewesen. Als hätte es diesen Streit nie gegeben. Als wäre das alles hier Friede, Freude, Eierkuchen.

Doch ich hatte die Möbelpacker schon vor mehreren Stunden bestellt. In wenigen Minuten müssten sie hier eintreffen. Wie viele es wohl sein werden? Zwei, drei oder gleich fünf? Am Telefon sagte ich, dass ich nicht viel hätte. Dafür jedoch eine Menge Kleinkram.

Ich setzte mich auf den Barhocker, drehte mich um die eigene Ache. Wieder und wieder. Dachte nach. Dieser Umzug warf soviele Belastungen und Probleme auf. An der Tür klingelte es und zwei kräftig gebaute Männer traten ein, grüßten mich und am blauen Logo an ihrer Brust konnte ich erkennen, dass sie von einer Firma für jegliche Transporte waren. Mein Lächeln verblasste, als ich sah wie der eine mit meinem Nachtkästchen die Treppen herunterging. Der Kleiderschrank folgte, das Bett und schlussendlich der Schreibtisch. Dann die ganzen Kartons. Ich bezahlte. „Danke, schönen Tag noch, Miss." meinte der glatzköpfige und wischte sich mit dem dreckigem Handschuh den Schweiß von der Stirn. Ich nickte und als die Tür ins Schloss fiel hastete ich sofort nach oben in mein Zimmer. Alles war draußen. Doch da fiel mir ein Bild auf. Das, dass direkt über meinem Schreibtisch klebte. Toni Garrn. Sanft nahm ich es ab und betrachtete es zum gefühlten hundertsten Mal. Sie war so wunderschön, schlank, perfekt. Ich dagegen war das blanke Gegenteil.

Ich ging wieder runter in die Küche, starrte auf scheinbar belanglose Dinge wie die Kühlschranktür oder den Esstisch. Doch für mich waren das keinesfalls belanglose Dinge. Für mich hatten sie Bedeutung. Ich wusste noch ganz genau, wie ich oft lange, sehr lange vor dem Kühlschrank stand und ein Kampf in mir stattfand. Ein Kampf mit mir und dem Gewissen. Oder der Tisch, wie häufig ich darangekauert hatte und über das Essen gegrübelt habe. Wieviele Kalorien nun in einer Scheibe Knäckebrot steckten.

Vermutlich müsste ich es verkaufen oder vermieten. Das wusste ich noch nicht genau. Zwar freute ich mich auf den Einzug, andererseits verband ich soviel mit meiner Wohnung und war noch nicht bereit loszulassen. Etwas neues zu beginnen. Es war wie, als ließe ich einen Teil von mir einfach am Boden liegen. Oder als würde ich etwas gewisses hinter mir lassen.

l a t e r

Daisy warf ich blondes lange Haar mit einem Mal nach hinten und verschränkte dann die Arme ineinander. Sie war vorhin gekommen und hat geholfen die Kartons in Harrys Wohnung zu schleppen. Nun saßen wir auf der Ledercouch und redeten über Gott und die Welt. Ab und zu warf die blondhaarige gestikulierend die Arme in die Luft oder, wenn sie sich besonders aufregte, nach Luft schnappte und ihrer Empörung freien Lauf ließ. „Ständig mischt er sich ein. Aber er macht das bestimmt nur, weil er mich liebt." Sie riss die Augen auf und lachte ungläubig. „Lass dir von dem ja nichts reinreden. Mach dein Ding." Die Maschiene zischte laut, als der erste Tropfen aus dem Gerät hinausschoss. Der himmlische Geruch von frischen Kaffeebohnen umhüllte mich und ich würde nur allzu gerne einen trinken, doch das ließ mein strikter Ernährungsplan nicht zu. Nur Wasser, nichts anderes. Keinen Alkohol, keine Säfte, keine Smooties. Sie starrte auf ihren dampfende Espresso, rührte langsam und bedächtig um. Schließlich stieß sie hervor, „Jetzt, wo ich zurückblicke und dich als quirlige junge Frau in Erinnerung habe, finde ich dich zu dünn. Nicht ein Sandkorn ist von der alten Rose zurück. Nein, das bist nicht mehr du. Veränderungen hin und her, aber das ist eine ganz andere Nummer. Wo ist die Rose, mit der man früher Pferde stehlen konnte? In der Person, die jetzt vor mir sitzt, erkenne ich sie nicht wieder."

-

Ich habe wieder ein paar Fragen an euch. :)

Was war das letzte Buch, das ihr gelesen habt? (ein echtes Buch, lol)

Wen shippt ihr alles?

Your simply the best,
Nina x

I hate it to be hungry #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt