09. Grüne Augen

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„Harry, das ist Clary!“, sagte Niall und riss mich somit aus meinen Gedanken. „Clary, das ist Harry!“

Ich wandte meinen Blick von Niall ab und sah Harry an.

„Hi“, sagte ich und er wandte sich nun ebenfalls mir zu.

Er sah mich direkt an. Seine grünen Augen blickten genau in meine.

Er blickte genau in meine Augen und ich durchbohrte mit meinen seine. Dieses grün war so weich! Es war so unergründlich und doch schien es das offene Tor zu seiner Seele zu sein. Die Tore waren weit geöffnet und ich wollte hinein! Ich wusste nicht wo ich war oder wer ich war. Ich wusste nur, dass ich in diese Welt wollte. Die Welt, die sich hinter den Toren zu seiner Seele befand. Ich wollte eintauchen und alles erkunden. Ich war komplett in dem Bann dieser Augen.

Und dann kam sie. Ich hörte sie kommen und dann war sie da. Meine beste Freundin und schlimmste Feindin zugleich. Meine beste Freundin war sie, wenn sie die Klappe hielt, und das tat sie nur, wenn sie mit mir einer Meinung war, wenn wir beide das gleiche dachten. Doch wenn sie redete, hätte ich sie jedes Mal erwürgen können. Sie schien immer nur zu kommen um mir das Leben zur Hölle zu machen. Und genau dann war sie meine Feindin. Sie war mein Gewissen. Meine innere Stimme. Mein Wegweiser in der Not und vor allem war sie die Einzige, die wirklich zu hundert Prozent alles von mir und meinen Gefühlen wusste. Und das machte mich ihr gegenüber so verwundbar. Und dafür hasste ich sie.

Was erzählst du denn da, Clary? Du magst gar keine grünen Augen! Das hast du selbst jedes Mal gesagt! Du mochtest den Pattinson auch nicht mit seinen grünen Augen und jetzt starrst du den grünäugigen Typen an und willst in seine Augen eintauchen! Merkst du eigentlich, wie bescheuert du gerade bist? Du widersprichst dir ja selbst!

Und wie es sich gehört, hatte meine Liebe Freundin, die innere Stimme auch noch Verwandtschaft. Ihr komplettes Gegenstück war immer mit von der Partie. Kam eine, kam auch die andere. Ich weiß nicht, ob sie Zwillinge waren oder einfach Geschwister, jedenfalls stritten sie sich immer, als wären sie es. Andere Leute würden es als ihr kleines Teufelchen und Engelchen auf ihren Schultern beschreiben, aber das war ja noch verrückter als sich eingestehen zu müssen, dass man zwei Stimmen im Kopf hat. Wie wirkt denn das bitte, wenn man sagt, man hat da zwei kleine Männchen auf den Schultern sitzen? Das ist doch absurd! Nein, ich gebe es offen zu, ich höre Stimmen! Aber ich würde mich nicht als verrückt bezeichnen, das hätten mir meine Stimmen schon längst gesagt! Okay, Spaß beiseite. Ich bin wirklich nicht verrückt, jedenfalls nicht mehr, als jeder andere auch. Ich denke, jeder kennt diesen Moment, wo man in seinem Kopf eine Diskussion führt. Diesen Moment, an dem man sich mit seinem Gewissen auseinander setzen muss.

Die beiden Stimmen, die doch so gleich klingen, hätten unterschiedlicher nicht sein können. Sie waren wie Tag und Nacht, Yin und Yang, Helligkeit und Dunkelheit, Sonne und Mond, Schwarz und Weiß, Jäger und Beute, Engel und Teufel. Sie waren einfach immer der Gegensatz vom jeweils anderen. Doch ohne den anderen konnte keiner existieren. Wusste man nicht, was Helligkeit ist, konnte man die Dunkelheit auch nicht erkennen. Konnte man die Sonne nicht schätzen, war auch der Mond wertlos. Existierte die Nacht nicht, konnte man nicht den Tag erkennen.

Eigentlich war es ein Wunschdenken von mir, dass es zwei Stimmen waren. Genau genommen war ich überzeugt davon, dass es sich nur um eine Stimme handelte, die sich grundsätzlich einen Spaß daraus machte, mir das Leben schwer zu machen und so ziemlich allem, was ich dachte einen Strich durch die Rechnung zu machen und meinen Gedanken zu widersprechen. Nun, so oder so, ich hasste diese Stimme. Sie hatte immer zu einem gewissen Teil Recht, und das passte mir grundsätzlich gar nicht. Wie sollte man eine Argumentation gewinnen, wenn beide Seiten Recht haben? Wie sollte man sich für eine der beiden Seiten entscheiden, wenn beide Seiten ein wichtiges Argument vorweisen konnten?

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