Nachdem ich mich endgültig von Conor verabschiedet hatte, waren alle Fortschritte, die ich gemacht hatte, wie weggeblasen.
Ich befand mich wieder in meinem Loch, aus dem ich gar nicht richtig herausgekommen war.
Den ganzen Tag hatte ich mich nicht mehr vom Fleck gerührt, mein Buch lag unbeachtet neben mir herum, der Laptop auf der anderen Seite und ich lag heulend dazwischen.
Wieso musste Conor genau jetzt schreiben?
Warum konnte er mich nicht einfach in Ruhe lassen?
Machte es ihm Spaß, mich zu quälen?
Mich am Boden zu sehen?
Ich liebte ihn so sehr! Alles in mir schrie, dass, ihn zum Teufel zu jagen, ein Fehler war und dass ich ihn zurückgewinnen sollte. Doch mein Verstand sagte mir, dass ich genau das Richtige getan hatte. Es machte keinen Sinn, ihm hinterher zu laufen. Es brachte nichts, mich jeden Tag zu quälen, weil ich mit ihm in Kontakt blieb. Und es widersprach allem, ihm zu verzeihen.
Alles was ich ihm geschrieben hatte, empfand ich wirklich. Und ich empfand noch viel mehr. Dinge, die man nicht in Worte fassen konnte.
Ich wünschte ihm wirklich, dass seine Träume sich erfüllten.
Wenn ich einen Menschen nennen sollte, der es sich verdient hatte, dann war es Conor. Es würde immer Conor sein.
Doch ich wusste auch, dass ich mein Leben nicht mehr in den Griff bekommen würde, wenn ich täglich sehen würde, wie er ohne mich lebte.
Ich war mir inzwischen sicher, dass er sein Leben ohne mich problemlos weiterführen würde. Und ich würde mein Bestes geben, es ihm gleich zu tun.
Wenn ich es schon nicht schaffte, mein Herz zu reparieren, dann würde ich wenigstens dafür sorgen, dass ich es ertrug, mit einem gebrochenen Herzen durchs Leben zu gehen.
Ich würde mein Leben so gestalten, wie es für mich erträglich und möglichst schön wäre.
Das war mein Plan.
Und dafür musste ich etwas aus mir machen.
Ich musste dafür sorgen, dass ich später auf diese Tage zurückblicken und mit einem Lächeln daran denken konnte.
Dieses Ziel konnte ich nur erreichen, wenn ich das Beste tat, um später selbst stolz auf mich sein zu können.
Also machte ich mir Gedanken, wo ich in zwanzig Jahren stehen wollte.
Conors Traum war die Musik. Meiner war es, eine der besten Rechtsanwälte der Welt zu werden.
Ich wollte nicht viel Geld damit verdienen, sondern Menschen helfen, die es wirklich brauchten.
So viele Menschen konnten sich keinen anständigen Anwalt leisten und bekamen auch nur einen gestellt bzw. Hilfe bei den Kosten, weil das Gesetz es nun mal so vorsah. So vielen Anwälten war es egal, was mit ihren Mandanten geschah und wollten nur das Geld haben.
Genau das wollte ich ändern. Ich wollte für die Menschen da sein, die sonst keine Hilfe erhalten würden. Und ich wollte, dass die Gerechtigkeit siegte.
All das konnte ich aber nur erreichen, wenn ich mein Studium schaffte. Und studieren konnte ich erst, wenn ich das Abitur nicht versaute.
Das war der Moment, an dem der Groschen fiel. Ich musste mich wieder aufraffen und so viel lernen, wie ich es früher getan hatte.
Ich hatte natürlich bewusst weitere Gedanken über meine Zukunftsvorstellungen ausgelassen. Sonst wäre ich über kurz oder lang doch wieder bei Conor gelandet. Denn ich wollte später unbedingt zwei Kinder haben. Und da ich inzwischen schon gelernt hatte, dass der Storch diese nicht brachte, sondern ein Mann dafür erforderlich war, wäre Conor mir sofort wieder in den Kopf geschossen.
Natürlich ist mir bewusst, dass es schwachsinnig ist, zu denken, dass Conor der Vater meiner Kinder geworden wäre. Welche Beziehung schaffte es schon so lang? Aber ich hatte immer die Hoffnung, dass wir anders waren. Gut genug um es zu schaffen.
Zwei kleine Kinder von Conor wären aber auch zu süß! Automatisch machte sich ein Bild davon in meinem Kopf breit. Eines mit meinen blauen Augen, meinem Gesicht und seinen dunkelblonden Haaren und eines mit seinem Gesicht, seinen blauen Augen und meinen braunen Haaren.
Zucker!
Purer Zucker!
Zwei kleine Miniversionen von Conor. Das wäre ein Traum!
Okay, so viel zu dem Thema den Gedankenlauf zu meiden.
Ein Klopfen an meiner Tür riss mich aus meinen Gedanken, ehe ich zu tief darin versinken konnte.
„Ja?“, rief ich.
Eine Sekunde später steckte mein Vater seinen Kopf durch den Türrahmen.
„Ich bin wieder da und mache jetzt das Abendessen!“, lächelte er.
„Alles klar!“, grinste ich. „Und willkommen zurück!“
„Danke!“, lachte er und schloss die Tür wieder.
Ehe sie ganz zu war, besinnte ich mich eines besseren.
„Dad?“, rief ich.
Als sein Kopf mit einem fragenden Blick wieder zum Vorschein kam, richtete ich mich auf.
„Darf ich heute kochen?“, fragte ich.
Sein überraschter Blick war einfach göttlich. Schade, dass ich keine Kamera zur Hand hatte.
Ich kochte generell selten, einfach weil ich keine Lust hatte. Für mich allein lohnte es sich nicht und wenn mein Vater da war, dann kochte er meistens.
Und dass ich jetzt, wo ich gerade erst wieder anfing vernünftig zu essen, kochen wollte, schien die Sahnehaube auf dem Kuchen der Verwunderung zu sein.
„Natürlich!“, stammelte er noch immer überrascht.
„Danke! Du bist der Beste!“, grinste ich, sprang von meinem Bett und lief zu, nicht ohne einen Kuss auf seiner Wange zu hinterlassen, an ihm vorbei in Richtung Küche.
„Und was gibt es heute für Grausamkeiten?“, neckte er mich.
„Ich dachte an Blumenkohlgratin!“, rief ich, als ich den Kühlschrank nach allen dafür benötigten Zutaten absuchte.
„Gute Idee!“, antwortete er und einen Moment hörte ich, wie der Fernseher eingeschaltet wurde.
Er hatte sich ein wenig Ruhe wirklich verdient. Er war nur am arbeiten und sich um mich Sorgen machen.
Als ich den Gratin in den Ofen geschoben hatte, sah ich, dass mein Vater auf dem Sofa eingeschlafen war.
Himmel, er musste wirklich erschöpft sein.
Darauf bedacht, leise zu sein, schlich ich mich zu ihm und deckte ihn zu. Mit einem Kuss auf seine Stirn lief ich zurück in die Küche. Ich würde ihm, wenn das Essen fertig war, seine Portion in die Mikrowelle stellen. Dann konnte er essen, wenn er von allein wieder aufwachen würde.
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Love Triangle
FanficClary könnte nicht glücklicher sein! Sie kennt Conor seit ihrem vierten Lebensjahr und ist nun seit zwei Jahren mit ihm in einer glücklichen Beziehung! Doch er beginnt, seinen Wunsch, Sänger zu werden, zu ernst zu nehmen und vernachlässigt sie immer...