„Ich kann es noch immer nicht fassen, dass du ab morgen schon für immer weg bist!“, jammerte Amber mir die Ohren voll, während wir durch die Schulflure liefen, um unsere Abschlusszeugnisse zu holen.
„Ach komm, ich bin doch nicht für immer fort. Ich werde gerade mal eine Stunde Fahrzeit von euch entfernt sein! Ich werde doch immer zu Besuch kommen und ihr werdet mich besuchen!“, erläuterte ich zum gefühlt tausendsten Male.
„Ja, schon, aaaaaber es kommt mir viel weiter vor! Da kann ich nicht mehr mal eben zu Fuß zu dir laufen! Ich kann nicht einfach spontan beschließen mit dir shoppen zu gehen oder ein Eis zu essen. Immer müssen wir das genau planen und absprechen!“ Sie hatte wirklich einen elenden Ton in der Stimme.
Ihre Worte brachten mich ein weiteres Mal ins Grübeln.
Ich hatte, seit meinem Entschluss letzten Monat, alles daran gesetzt, meinen Plan umzusetzen. Ich hatte mich in London an der Universität beworben, ich hatte Stunden um Stunden mit meiner Großmutter telefoniert und mir von ihr erklären lassen, wie mein Zimmer eingerichtet sein würde und somit das aussortiert, was ich nicht mitnehmen brauchte. Und ich hatte eine Diskussion nach der anderen hinter mich gebracht.
Anth hatte es von allen am schnellsten akzeptiert, jedoch nur unter der Bedingung, dass er immer zu Besuch kommen dürfte und auch ich ihn mal besuchen würde. Was für eine Frage! Als dürfte mein bester Freund mich nicht besuchen, und als würde ich ihm ebenfalls nie einen Besuch abstatten.
Danach folgte mein Vater. Er hatte es mit einem lachenden und einem weinenden Auge akzeptiert. Er akzeptierte generell immer jede meiner Entscheidungen und stand mir dann zur Seite. Doch dieses Mal sah ich ihm an, wie schwer es ihm doch fiel. Er erzählte mir, es sei so leicht, sein Kind immer als genau das zu sehen – ein Kind. Doch es sei umso schwerer, sich irgendwann einzugestehen, dass eben dieses Kind nun erwachsen sei. Er sagte mir, ich würde immer sein kleines Mädchen bleiben, egal wie erwachsen ich auch sein würde, doch er würde mich gehen lassen. Bei ihm jedoch waren die Bedingungen schon deutlich komplizierter als bei Anth. Ich sollte mich regelmäßig melden, oft genug zu Besuch kommen und vor allem wollte er mich finanziell unterstützen. Es hatte ganze zwei Wochen gedauert, bis ich unsere Diskussion gewonnen hatte, da ich nicht zustimmen wollte, dass er mich unterstützt. Am Ende hatten wir uns darauf geeinigt, dass ich mir meinen Job suchte und mich meldete, wenn ich Hilfe brauchte. Wir wussten beide, dass ich dazu schon in riesiger Not sein müsste, aber er gab sich schlussendlich mit dem Kompromiss zufrieden.
Und dann war da noch Amber. Von allen dreien war sie die Nuss, die am schwersten zu knacken war. Bis zum heutigen Tag hatte sie ununterbrochen versucht, mir das ganze auszureden. Doch so dickköpfig sie auch war, mein Entschluss stand fest.
Ich musste umziehen. Es war meine einzige Chance komplett neu anzufangen. Eine komplett neue Umgebung – nun ja, ich kannte London ja von klein auf, aber nichts würde mich mehr an meine Vergangenheit erinnern. London war etwas, was ich mit meiner Oma verband. Ich war immer nur dort gewesen, wenn ich sie besucht hatte. Und Conor war nie dabei gewesen. Ich würde nirgendwo hinschauen und sehen müssen, wie wir Jahre zuvor diese Stelle passiert hatten. Ich würde nicht mehr beim Anblick einer Kleinigkeit in die Vergangenheit katapultiert werden.
Endlich würde ich mich wieder auf meine Ziele konzentrieren können und um das zu erreichen, musste ich umziehen. Ich musste mit meinem Leben abschließen und ein neues Kapitel namens London aufschlagen, ganz egal, ob Amber einverstanden war, oder nicht.
„Das ist doch alles doof! Ich will nicht, dass du gehst!“, murrte sie. Himmel, die war aber auch schlecht drauf heute.
Zwei Stunden später liefen Anth und ich grinsend einer hüpfenden Amber nach. Es war doch erstaunlich, wie schnell sich ihre Laune geändert hatte. Im einen Moment war sie noch total mürrisch und im nächsten hüpfte sie singend vor uns her. Wir hatten unser Abitur geschafft. Wir hatten tatsächlich alle drei bestanden und hielten nun unsere Zeugnisse in der Hand.

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Love Triangle
FanfictionClary könnte nicht glücklicher sein! Sie kennt Conor seit ihrem vierten Lebensjahr und ist nun seit zwei Jahren mit ihm in einer glücklichen Beziehung! Doch er beginnt, seinen Wunsch, Sänger zu werden, zu ernst zu nehmen und vernachlässigt sie immer...