~Zusatzkapitel 2.2~

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Fieberträume

Nickis Sicht:

"Nickiiiiii!" So schrill hatte ich sie noch nie schreien hören, ein Schauer nach dem anderen jagte mir den Rücken rauf und runter und mein Herz fing so plötzlich an, gegen mein Brust zu hämmern, dass es wehtat, wie ein ohrenbetäubender Bassschlag dröhnte mir mein Herzschlag im Kopf. 

Und schon wieder schrie sie meinen Namen, wie kreischendes Metal. 

Meine Nackenhaare stellten sich auf und mit panisch aufgerissenen Augen sah ich mich um, doch ich konnte sie einfach nicht finden, es war stockfinster. Eine unheimliche Stille herrschte, nichts außer den unheilvollen Schreien, die aus allen Richtungen zu hallen schienen, war zu hören. 

Und diese Schreie kamen mir schrecklich vertraut vor. 

Es waren die Schreie meiner Schwester und ich kannte jeden einzelnen, eiskalt lief es mir den Rücken runter. Unendlich tief hatten sich diese Schreie in mein Gedächtnis gegraben. Die vielen Schreie, die sie in jenem Raum von sich gegeben hatte, als sie dort an den Händen gefesselt von der Decke gehangen hatte, waren mir so unheimlich vertraut, als wäre es erst gestern passiert... 

Mein Herzschlag dröhnte mir in den Ohren und eine unangenehme Gänsehaut breitete sich auf meinem Körper aus. Irgendetwas war hier falsch. Ein ohrenbetäubender Schrei explodierte direkt neben mir und ich zuckte erschrocken zusammen.

"Willkommen in der Finsternis." Das war nicht ihre Stimme, so hohl und gellend zugleich, und doch... Ich wusste, dass sie es war. 

"Willkommen in meinem Reich!" Ihre Stimme klang unheimlich verzerrt, ein schrilles Kichern ertönte aus der Ferne. Ihre Stimme schien um mich herum zu schweben, wie eine seltsame Nebelwolke. 

Plötzlich spürte ich deutlich ihre Hand an meiner Wange und zuckte panisch zusammen, ihre Haut war eiskalt.

Doch auf einmal klang ihre Stimme wieder normal, so sanft wie immer und doch unendlich traurig. 

"Es ist deine Schuld." 

Diese Worte schockierten mich, nicht weil sie nicht wahr wären, nein, weil Mesme so etwas niemals zu mir sagen würde. 

"Die Farben, das Licht... Findest du nicht auch, dass es hier sehr einsam ist?" Noch immer klang sie sanft, nicht einmal wirklich anklagend. Doch dann schlug ihr Tonfall urplötzlich um und wurde wieder schriller. "Und das ist deine Schuld! Du warst nicht da!" Ihre kalte Hand verschwand von meiner Wange und ihre Worte hinterließen einen stechenden altbekannten Schmerz. "Sieh dich um!" Schrie sie, schriller und wütender als alles, was ich je gehört hatte. "Sieh dich um Nicki!" Ihre Stimme kam nun kreischendem Metall gleich und hatte nichts Menschliches mehr an sich. "Was siehst du?!" Der Schmerz in meiner Brust wollte mich ersticken, heiß brannten mir die Tränen in den Augen. 

"Es tut mir so leid..." hauchte ich kraftlos und ließ den Tränen freien Lauf. 

"Was siehst du?!" schrie sie, diesmal weniger schrill, dafür von umso mehr Schmerz geprägt.

"Nichts." antwortete ich leise und ließ mich von dem stechenden Schmerz verzehren. Kraftlos ließ ich mich auf die Knie sinken.

"Ich auch." Nun klang ihre Stimme wieder wie die ihre, aber traurig, verletzt und gebrochen. Dann war sie fort und ich blieb allein mit meinem Schmerz in der Dunkelheit zurück.

"Mesme!" wollte ich sie mit tränenerstickter Stimme zurück rufen. "Ich weiß, dass es meine Schuld war!" weinte ich verzweifelt. "E-es tut mir so leid..." Noch nie hatte etwas so weh getan, die Schuldgefühle überschwemmten mich und schienen mich zu ersticken.

******


Mein Kopf dröhnt, meine Schulter pocht, mein Bauch steht in Flammen.

Alles flackert so seltsam...

Verwirrt blinzelte ich, doch alles war so verzerrt und verschwommen. Irgendwie kam kein klares Bild zustande und immer, wenn ich glaubte, etwas erkennen zu können, verschwamm es wieder, als würde man mit einem wassergetränkten Schwamm über ein frischgemaltes Bild wischen.

Langsam wurde ich unruhig, die Tatsache, dass ich nichts als verschwommene Farben sehen konnte, machte mich zunehmend nervös und ich blinzelte immer heftiger, fast schon panisch. 

Wo bin ich? Wieso kann ich nichts erkennen?

Ich versuchte verzweifelt irgendetwas zu erkennen und blinzelte wie wild, doch es war, als würde ich durch eine fette Milchglasscheibe schauen.

Dann war da plötzlich eine große dunkle Gestalt, die mir etwas nasses auf die Stirn drückte, panisch schlug ich nach der Person, verfehlte sie jedoch um etwa gut einen Meter. 

Mein Orientierungssinn war hinüber. 

Ich wollte schreien, doch meine Kehle war wie zugeschnürt, alles was meinen Mund verließ, war ein heiseres Krächzen. 

Plötzlich war da eine weitere Gestalt, die sich stark von dem verschwommenen Bild abhob, sie war, im Vergleich zum Rest, fast schon unnatürlich scharf zu sehen und ich erkannte sie sofort. Sie bildete einen starken Kontrast zu dem verschwommenen Hintergrund und ihre roten Haare leuchteten wie ein tobendes Feuer. 

Es war meine Schwester.

"Mesme!" rief ich, endlich bekam ich ein Wort zustande, auch wenn ich mich krächzender als jede Krähe anhörte, und wollte aufstehen, doch die andere seltsame Gestalt, die weiterhin unscharf und verschwommen blieb, drückte mich gewaltsam wieder in den weichen Untergrund, auf dem ich lag. 

Wütend randalierte ich, wehrte mich gegen seinen Griff und schlug um mich, ein weiteres Mal rief ich verzweifelt ihren Namen: "Mesme!" 

Sie saß einfach nur da, auf einem Stuhl und ließ den Kopf hängen, ihre Hände hatte sie in ihren Schoß gebettet.

"Weißt du, in der Finsternis fühlt man sich einsam." sagte sie ruhig und ich starrte sie gebannt an, während mir kalter Schweiß ganz langsam über die Stirn rann. "Und nun hast du mich mit der Einsamkeit allein gelassen." 

Nun hob sie den Kopf, ihre Augen waren zu Ovalen von völliger Schwärze geworden und ich riss schockiert die Augen auf. Langsam kroch die nackte Angst in mir hoch, krallte sich an mir fest und ließ mich erstarren, unaufhörlich lief mir der Angstschweiß über das Gesicht. 

Ihr Körper löste sich langsam auf, als würde sie in Form von Nebelschwaden einfach auseinander fließen, sie verschwand einfach und ging in dem verschwommenen Bild verloren. 

Starr vor Schreck ließ sie mich zurück.  


Ich hoffe echt, dass es mir gelungen ist, ein wenig gruselig zu schreiben, ich werde zwar bestimmt keine Horrorbuch-Autorin, aber ich dachte, ich probier mal aus, ob ich sowas annähernd gruselig beschreiben könnte:)

Also gebt Bescheid, wenn ihr es gruselig fandet;)

LG Kat

Blind Junk Hood GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt