~Zusatzkapitel 2.4~

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Der Deal

Nickis Sicht:

Seit Stunden lag ich wach und konnte einfach nicht einschlafen, ich wusste immer noch nicht, wer dieser Typ war oder wo ich mich befand und im Haus dieses Fremden würde ich es nicht wagen, auch nur ein Auge zu zu tun. 

Meine Gedanken kreisten unentwegt um meine Schwester... und um Emely. 

Ich wusste, dass Josh für die beiden da war, auf meinen besten Freund konnte ich mich immer verlassen, aber ich wusste auch, dass Josh viel zu tun hatte und egal was er tat, diese Wunde würde nicht einmal er heilen können. Auch wenn ich mir wünschte, dass es anders wäre.

Auf einmal vernahm ich Schritte, die genau vor meiner Türe zum Stehen kamen. Angespannt hielt ich den Atem an und starrte auf die Tür. Dann wurde die Klinke quälend langsam heruntergedrückt und mit einem Quietschen langsam die Tür aufgeschoben.

Im Türrahmen erschien wieder der Typ von vorhin, zumindest glaubte ich, dass es der war, in der Dunkelheit war das ziemlich schwer zu erkennen. Er trat ein und zog die Tür hinter sich zu, misstrauisch beobachtete ich jeden einzelnen seiner Schritte, jede noch so kleine Bewegung.

"Wie geht es dir?" fragte er rau und erweckte nicht gerade den Eindruck, als würde es ihn wirklich interessieren.

"Besser." antwortete ich knapp.

Plötzlich seufzte er und ließ sich auf einen Stuhl fallen.

"Ich schätze mal, du hast eine Menge Fragen?" Wieder klang er so, als wäre es nur eine lästige Pflicht, die er zu erfüllen hatte, mir diese Frage zu stellen.

Ich nickte knapp und begann direkt mit der ersten Frage: "Wo bin ich und wie bin ich hier hergekommen?"

Wieder seufzte er.

"Shadow hat seine Waffe gezogen, somit das riesen Chaos ausgelöst, alle sind nach und nach aus dem Raum geflüchtet, dann wollte er dich endgültig töten, ich habe eine Rauchbombe in den Raum geworfen, ein Mal geschossen und ihn somit aus dem Raum gejagt. Allerdings warst du da vermutlich schon bewusstlos. Ich hab mir dich über die Schulter geworfen und bin durch die Hintertür verschwunden. Und dann habe ich dich hier hergebracht. Das ist meine Wohnung." ratterte er hastig das Geschehene runter. Nun fuhr er sich etwas verlegen durch die Haare. "Wir befinden uns allerdings nicht in deinem Territorium, wir sind außerhalb der Stadt."

Außerhalb der Stadt...

Diese Erkenntnis traf mich wie ein Schlag ins Gesicht.

"Und wo sind wir genau?" fragte ich mit möglichst fester Stimme und versuchte meine aufkommende Panik zu verbergen.

"Das werde ich dir nicht verraten." sagte er kühl, was mich ehrlich gesagt ziemlich irritierte.

"Was?" fragte ich gepresst und drückte meine Hände auf meinen Bauch, der bei meinem ruckartigen Versuch mich aufzusetzen, zu pochen begann.

"Ich bin kein Junk Hood okay? Ich habe dich gewiss nicht zum Spaß da raus geholt!" Jetzt klang er plötzlich wütend, was mich noch mehr verwirrte. Aber dann ging mir ein Licht auf.

"Du willst etwas von mir haben, ich stehe in deiner Schuld und nun willst du etwas dafür zurück fordern. Und damit ich nicht abhaue, sagst du mir nicht wo ich bin." schlussfolgerte ich mit ernster Miene. Er nickte. "Also, was willst du?"

Wieder fuhr er sich durch die Haare und starrte angestrengt zu Boden während er sprach.

"Ich weiß, dass die Rivers dir noch einen ziemlich großen Gefallen Schulden." Und das war der Moment, in dem ich ihn zum ersten Mal nach einem Tattoo absuchte und tatsächlich fand ich es an seinem Unterarm. Ein aus einem Stein sprudelnder Fluss, schlängelte sich bis zum Handgelenk. Allerdings war es immer noch dunkel und somit schwer zu erkennen, es konnte also genauso gut auch eine Schlange sein. 

Jetzt stellte sich aber die Frage, warum ein Typ, der anscheinend einer Gang aus meiner Stadt angehörte, außerhalb der Stadt lebte...

Abwartend musterte ich ihn, obwohl ich bereits ahnte, worauf er hinaus wollte.

"Du wirst diesen Gefallen einfordern und zwar nach meinen Anforderungen." sagte er bestimmt und musterte mich ernst, vermutlich wartete er auf eine Reaktion, dass ich widersprechen würde oder sowas, doch ich seufzte bloß.

"Und wie lauten diese Anforderungen?" Aus müden Augen blickte ich ihm entgegen und machte mich innerlich auf alles gefasst.

"Sie haben meine Frau, sie sollen sie wieder frei lassen und uns für immer in Ruhe lassen." antwortete er nun vollkommen ernst und ich muss zugeben, ich war ehrlich überrascht. Ich hatte mit vielem gerechnet, aber nicht damit, dass dieser junge Typ verheiratet war.

"Und du lässt mich vorher nicht gehen, hab ich Recht?" fragte ich niedergeschlagen. Er nickte, zu meiner großen Freude... "Kann ich wenigstens meiner Schwester irgendwie mitteilen, dass ich noch am Leben bin? Oder meiner Freundin?" fragte ich noch pessimistischer. Und er schüttelte eiskalt einfach den Kopf.

"Zu riskant, es ist besser wenn alle denken, du wärst tot, bis die Sache erledigt ist." 

Ich stöhnte frustriert.

"Dann erledigen wir das so schnell wie möglich, würde ich sagen." seufzte ich. Und schon wieder schüttelte er den Kopf.

Echt nicht mein Tag...

"Wir warten bis deine Wunden einigermaßen verheilt sind, ich will dich nicht in deinen sicheren Tod schicken, so egoistisch bin ich dann doch nicht."

"Und wie lange wird das dauern?" fragte ich möglichst ruhig und versuchte mir meine Frustration nicht allzu sehr anmerken zu lassen.

"Das hängt ganz davon ab, wie gut du dich schonst..." Mit diesen Worten stand er auf und verließ das Zimmer, an der Tür blieb er noch einmal kurz stehen und sagte mit den Rücken zu mir: "Ich würde dir raten, ein wenig zu schlafen." Und dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

Und ich bin wieder allein...

Und so vergingen die Stunden, die Tage und die Wochen. Ich lag tatenlos im Bett und versuchte mich verzweifelt irgendwie von meinen düsteren Gedanken abzulenken, die immer wieder zu einer Person zurück führten. Und überraschenderweise war es nicht meine Schwester.

Meine Gedanken kreisten durchgehend um Emely.

Meine Freundin fehlte mir unglaublich, was zugegeben etwas verstörend war. Vor Emely hatte es nur eine einzige Frau in meinem Leben gegeben und das war meine Schwester gewesen. Für mich war das Ganze mit der Liebe und so noch ziemliches Neuland, normalerweise bekam ich von niemandem außer meiner Schwester irgendeine Art von Zuneigung und ich schenkte eigentlich auch niemandem außer ihr meine Zuneigung. 

Vor Emely waren Mädchen in meinem Leben eher tabu gewesen, mein Leben war gefährlich und es war schon schlimm genug, dass ich meine Schwester in so viele Desaster mit reingezogen hatte, da wollte ich alle anderen Mädchen dieser Erde von dem Mist fernhalten. Ja und dann war Emely aufgetaucht und alles hatte sich verändert...

In den letzten Tagen hatte mir meine Freundin gezeigt, dass das Leben auch ganz anders sein konnte, es konnte ruhig und entspannt sein. Vor Emely hatte ich gar nicht gewusst, wie sich das anfühlt, wenn man jemanden wirklich liebt und was das für ein Wahnsinns Gefühl ist dieses Mädchen zu küssen.

Und jetzt dachte sie, ich wäre tot und ich konnte nichts dagegen tun, musste an mein Bett gebunden herumliegen und mir den Kopf zerbrechen.  

Blind Junk Hood GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt