Nickis Sicht:
Ich hatte es tatsächlich geschafft uns beide heil nach Sambert zu bringen. Es war bereits dunkel und wenn ich mich recht erinnerte, müssten jetzt bereits die Glühwürmchen über dem Wasser tanzen.
Emely stieg ab und ich stellte das Motorrad ab, mit der Hoffnung, dass es niemand klauen würde. Fünfzig Meter, dann würden wir den Park erreichen. Ich nahm den Korb und wir liefen schweigend nebeneinander her, keiner wusste was er sagen sollte. Doch kurz bevor wir um die Ecke bogen, sagte ich schnell: "Mach deine Augen zu."
"Was? Wieso?" fragte sie irritiert und auf ihrer Stirn bildeten sich ein paar niedliche Falten.
"Vertrau mir, mach einfach die Augen zu." sagte ich und lächelte warm.
Selbstbewusstsein, willkommen zurück!
Sie schloss zögerlich ihre wunderschönen rehbraunen Augen und ich nahm schüchtern ihre Hand. In meinem ganzen Körper kribbelte es.
Und Tschüss Selbstbewusstsein!
Ich führte sie sicher in den Park (ich war dank Mesme ja schon geübt in sowas) und blieb dann einige Meter vor dem See stehen. Mesme hatte recht gehabt, es war atemberaubend schön.
"Du kannst die Augen jetzt öffnen." murmelte ich und Emely öffnete ihre Augen. Sie starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den See, über dem tausende Glühwürmchen tanzten. Das ganze hatte seinen gewünschten Effekt, denn Emely klappte wortwörtlich die Kinnlade runter.
"I-ich weiß gar nicht was ich sagen soll..." hauchte sie atemlos. Während sie noch da stand und völlig überwältigt auf den See starrte, breitete ich bereits die Decke, die Mesme im Korb verstaut hatte, auf dem Boden aus.
Ich öffnete den Korb und spähte hinein. Eine Flasche Wein, zwei Gläser, drei verschiedene Käsesorten, ein Brettchen, ein Messer, Trauben und vier weiße Brötchen. Ich schätzte mal, dass sie all das in der Stadt besorgt hatte.
Woher hatte sie so viel Geld?
Bestimmt hatte Kyle seine Finger da ebenfalls im Spiel gehabt. Er war zwar meistens ein ziemlicher Hohlkopf, aber wenn er eins richtig gut konnte, dann war das, sich in irgendwelche Bankkonten zu hacken und Geld abzuziehen. In derart geringen Maßen fiel es besonders bei den reichen Leuten weniger auf und war somit recht praktisch und simpler als in ein Haus einzubrechen oder Brieftaschen zu klauen.
Emely riss sich los, kam zu mir rüber und setzte sich neben mich. Mein Puls beschleunigte sich automatisch, sie saß viel zu dicht neben mir! Dieses Mädchen machte mich noch ganz verrückt!
Ich packte eins nach dem anderen aus und platzierte alles in der Mitte der Decke.
"Hast du das alles vorbereitet?" fragte Emely neugierig.
"Ähm nein, meine Schwester." gab ich ein wenig kleinlaut zu und blickte dabei konzentriert auf die Sachen in der Mitte der Decke. Sie nickte bloß. Ich reichte ihr ein Glas Wein und schob mir selbst ein Stück Käse in den Mund, wir starrten beide wie gebannt auf das Wasser und irgendwann durchbrach Emely, zu meiner Erleichterung, die Stille.
"Es ist wunderschön..." murmelte sie. Ich nickte.
"Ja, Mesme hat es hier immer sehr gefallen." murmelte ich, in Erinnerungen schwelgend.
Emely sah mich an und fragte dann vorsichtig: "Sie bedeutet dir sehr viel, oder?" Ich nickte wieder.
"Sie ist meine ganze Familie."
"War sie eigentlich schon immer...?"
Sie sprach es zwar nicht aus, aber ich wusste dennoch genau was sie meinte. Ich starrte weiter auf den kleinen See, als ich antwortete.
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Blind Junk Hood Girl
Teen FictionDie Welt durch Menesmes Augen sehen. Schwarz und dunkel. Aber ist die Welt wirklich nur schwarz und dunkel, wenn man blind ist? Oder entdeckt man vielleicht etwas, das Augen nicht erfassen können? Menesme sieht die Welt mit ganz anderen Augen, si...