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Lya

"Haltet mich nicht für verrückt, aber...habt ihr in letzter Zeit Träume gehabt, die Realität wurden? Oder...habt ihr Gegenstände bewegt?" Instinktiv musste ich zu Boden sehen. Ich hatte so etwas erlebt... Letzte Woche hatte ich einen Traum gehabt. Ich hatte nur eine ganz kurze Szene in meinem Traum gesehen. In meiner Hand war ein großer, blutiger Kratzer, der von meinem Daumen bis zu meinem Zeigefinger ging. Vor zwei Tagen hatte ich ein Glas zerbrochen und hatte mich geschnitten. Es war genau derselbe Schnitt wie in meinem Traum entstanden... Es war richtig gruselig gewesen... Aber viele Leute träumten doch, was dann wirklich geschah! Das war nichts Besonderes! Aber woher wusste Mr. Mills das?

"Ihr wisst beide, wovon ich spreche, oder?" Er musste grinsen, was ihn noch gruseliger wirken ließ. Fynn und ich sahen uns an. Hatte er denn auch so etwas erlebt? Wieso hatte ihn Mr. Mills sonst hergerufen? "Woher wissen Sie das?", fragte Fynn ihn plötzlich. Er hatte also auch irgendwas Schräges erlebt! Mr. Mills grinste wieder. "Jetzt, wo ich das über euch wusste, wollt ihr mitkommen, einen Tee trinken und sehen, was ich noch so weiß?" Ich sah zu Fynn. Er seufzte. Doch dann nickte er mir zu. War das sein Einverständnis? Wenn man von Fynn ein Nicken bekam, war das wie ein Wunder! Das musste ich ausnutzen!

"Perfekt!", rief Mr. Mills und ging voraus. Wir stiegen die Stufen hinab, wobei ich bemerkte, dass es immer kälter wurde. Wo gingen wir hin? Und wieso hatte ich keine Jacke mitgenommen? Während wir die Stufen weiter hinuntergingen, begann Mr. Mills zu erzählen: "Wisst ihr, ich hab lange gebraucht, um euch zu finden" Das klang wie etwas, das ein Serienmörder sagen würde...oder ein verwirrter alter Mann... Beides möglich! Wieso waren wir nochmal mitgegangen?

Auf einmal bemerkte ich, dass die Treppe zu Ende ging und eine hölzerne Tür erschien. "Fühlt euch wie zuhause!", verkündete er, während er die Tür öffnete und das Licht in dem großen Raum dahinter anmachte. Ich sah hinein. Wow... Es war eine riesige Bibliothek mit zweistöckigen Regalen auf beiden Seiten. Sie waren alle voll mit Büchern. Was war das hier? Fynn stellte sich neben mich und staunte genauso wie ich. "Oh, und eines habe ich vergessen..." Mr. Mills setzte sich in einen der sehr gemütlich aussehenden Sessel. Mit einem Grinsen erklärte er: "Ihr seid Hexen" Warte...was? Fynn lachte kurz auf und rief: "Okay, alles klar!" Hexen? Was hatte das denn zu bedeuten? War er verrückt? Was war hier los? "Wieso, denkt ihr, habt ihr so komische Namen?" Mr. Mills stand auf und stellte sich vor uns. "Weil unsere Eltern die Namen mochten?", schlug ich schulterzuckend vor. "Gut, dass du das Thema aufbringst, Lya! Ihr habt eure Kräfte von euren Eltern!" Von unseren Eltern? Von unseren leiblichen Eltern? Hatten wir es geerbt?

"Von unseren leiblichen Eltern?" Fynn sah ihn verwirrt an. "Leiblich? Seid ihr etwa...?" Zum ersten Mal sah ich Mr. Mills nicht lächeln. Er sah geschockt aus. "Adoptiert? Ja" Wieso hatte ihm Fynn das erst sagen müssen? Hatte er das etwa nicht gewusst? "Das heißt, eure leiblichen Eltern kennt ihr gar nicht...", schlussfolgerte er, "Ich habe mich schon gewundert, warum ihr nichts von euren Kräften wisst...Sonst hätte ich euch doch die Zettel nie geschrieben!" Er hatte uns die Zettel nur gegeben, damit er uns das sagen konnte? Dass wir Hexen waren und unsere Eltern anscheinend auch? Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte... Er kannte unsere Eltern! Das mit den Hexen verdrängte ich mal eben... „Sie kennen unsere Eltern?" Hoffnung breitete sich in mir aus. Gab es etwa eine Möglichkeit, unsere leiblichen Eltern kennenzulernen? Wollte ich sie denn kennenlernen? Sie hatten uns weggegeben... Doch ich musste sie kennenlernen! Sofort musste ich an unsere Adoptiveltern denken. Natürlich hatte ich sie lieb. Sie waren meine Eltern! Sie hatten uns großgezogen! Doch gab es etwa eine Möglichkeit, meine leiblichen Eltern zu sehen?

„Ich...kannte sie...Wir haben vor Jahren schon den Kontakt abgebrochen... Deswegen wusste ich auch nicht, dass ihr adoptiert seid..." Er sah zu Boden. Wow, Mr. Mills lächelte nicht mit diesem komischen Grinsen... Die Frage hatte ihn wohl wirklich verletzt... Mich jedoch auch. Es gab also keine Möglichkeit, sie kennenzulernen... „Haben Sie nicht mal eine Adresse, Telefonnummer?", fragte Fynn diesmal. Seine Stimme zitterte ganz leicht. Mr. Mills hörte es wahrscheinlich gar nicht, doch ich schon. Seine Hoffnung war auch weg, so wie meine... „Wir haben den Kontakt noch vor eurer Geburt abgebrochen..." Mr. Mills war ja wirklich traurig. Er tat mir auf einmal so leid... „Können wir wenigstens ihre Namen wissen?", fragte ich ihn leicht lächelnd, um ihn aufzumuntern. Er nickte. „Juna und Billy Kalm" Das waren schöne Namen. Ich musste lächeln. Das waren die Namen unserer leiblichen Eltern... „Aber wieso Billy? Das ist kein komisch klingender Name...", fiel Fynn auf. „Billy hat einen normalen Namen angenommen, als er Juna geheiratet hat. Aber Juna wollte immer ihren Namen behalten" Ich bildete mir ein, ihn kurz lächeln zu sehen. Er dachte vermutlich an die guten alten Zeiten... Moment mal... Sie waren verheiratet? Das war ja so süß! Ob wir bei der Hochzeit schon auf der Welt waren?

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