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Lya

„Danke..." Er hatte ja Recht. Ich war grundlos sauer. Ich hatte eingestimmt, mitzukommen und jetzt spielte ich mich auf. Ich sah wieder zu ihm, doch er war bereits weg. Toll... Was passierte nur mit uns? Ich musste mich langsam damit abfinden, dass es nicht aufzuhalten war. Den „Pakt mit dem Teufel" konnte man sogar vererben, wie sollte man ihn dann loswerden? Ich wollte und konnte nicht mehr darüber nachdenken! Dieses Thema hatte mich seelisch so erschöpft, ich konnte mir jetzt keine Sorgen mehr darüber machen... Ich musste mich irgendwie davon ablenken... Da unsere Eltern aber noch nicht da waren, rief ich Henry an. Er war sicher eine gute Ablenkung. Er ging sofort ran. „Hey, Lya! Was gibt's?" Ich hörte im Hintergrund den Wind zischen. War er draußen? Was machte er denn?

„Hi! Wo bist du denn gerade?" Ich versuchte, irgendwie eine Konversation zu starten. „Oh, ich bin nur beim Training!" Beim Fußballtraining? Wieso hatte er dann abgehoben? „Tut mir leid, ich wollte nicht stören... Wir sehen uns morgen..." Ich hatte schon das Handy von meinem Ohr genommen und wollte auflegen, als Henry plötzlich schrie: „Warte mal!" Überrascht drückte ich es mir wieder ans Ohr und fragte: „Ja?" Oje, worüber wollte er denn jetzt reden? „Was ist los?" Oh, verdammt... Er hatte meinen Gefühlszustand wohl mitbekommen. Unbewusst wollte ich, dass er mit mir darüber redete... Doch das konnte er nicht! Er hatte keine Ahnung, worum es ging! „Ich bin nur müde. Was soll los sein?" Ich versuchte, ein Lachen rauszubringen, obwohl ich lieber in Tränen ausgebrochen wäre. Ich konnte nicht mit ihm darüber reden... „Bist du dir sicher?" Seine einfühlsame Stimme brachte mich fast dazu, ihm alles zu erzählen, doch ich blieb still. Das einzige, was mir noch helfen konnte, war eine Notlüge. „Oh! Meine Eltern sind wieder da, ich ruf dich zurück!" Schnell legte ich auf. Niedergeschlagen setzte ich mich wieder auf die Couch. Ich hatte Fynn vorhin ganz schön angeschrien...

Zum Glück wusste er, wie er damit umgehen musste... Ich musste mich entschuldigen! Demütig ging ich die Stiegen hinauf und ging den Gang entlang, bis zu unserem Zimmer. Ich atmete tief durch und klopfte dann an unsere Tür. Langsam trat ich ein und sah zu Fynns Bett. Er schlief bereits! Ich musste lächeln. Schlafend sah er so niedlich aus! Ich entschied, morgen mit ihm darüber zu reden und ging ebenfalls ins Bett. Ich dachte gar nicht mehr and die Bibliothek und die ganzen neuen Informationen... Das war alles nicht passiert! Irgendwann schaffte ich es tatsächlich, einzuschlafen.

Ich öffnete die Augen. Wie spät war es? Ich sah auf die Uhr. 10:56 Uhr. Oh, mein Gott! Wie hatte ich so lang schlafen können? Schnell richtete ich mich auf und sah hinüber zu Fynns Bett. Er war schon längst auf. Na, toll... Da fiel mir auf, dass ja Samstag war. Juhu! Keine Schule! Keine Verpflichtungen! Naja, eine Verpflichtung gab es. Ich musste mich bei Fynn entschuldigen... Ich stand auf, zog mir eine Jogginghose an und öffnete unsere Zimmertür. Es war eindeutig zu hell auf dem Gang. Ich schlenderte die Stiegen hinunter und hörte Stimmen aus der Küche. Das waren bestimmt meine Eltern... Müde stapfte ich zur Küche und sah durch die angelehnte Tür. Tatsächlich unterhielten sich meine Mutter und mein Vater gerade bei etwas Kaffee. Ich würde die beiden später begrüßen. Jetzt wollte ich einmal Fynn suchen. Doch sie wussten vielleicht, wo er war. Einen Versuch war es wert.

Ich öffnete die Tür ganz und rief: „Morgen!" „Lya! Auch schon munter?" Mein Vater zwinkerte mir zu. „Ja, Papa, ich bin ‚schon' munter" Ich machte Anführungszeichen in der Luft, als ich „schon" sagte. Es war doch noch früh! „Wisst ihr, wo Fynn ist?", fügte ich hinzu. „Ich glaube, er wollte irgendwas am Dachboden suchen..." Meine Mutter zeigte nach oben. Am Dachboden? Was hatte er vor? „Okay, danke" Mit diesen Worten ging ich wieder aus der Küche und rannte die Treppe hinauf. Tatsächlich war am Ende des Ganges die Dachbodenleiter hinuntergeklappt. Das war mir gar nicht aufgefallen... Ich war wohl zu müde gewesen. Ich kletterte die Leiter nach oben und rief: „Fynn?" Unser Dachboden war recht klein, da fast alles mit Kisten vollgeräumt war. Wir hatten auch kein Licht, deshalb musste ich nur nach dem Schein einer Taschenlampe Ausschau halten, den ich auch gleich vor mir fand. „Morgen! Was machst du da?" Ertappt drehte er sich zu mir. „Oh, hey! Ich such' nur was!" Sofort drehte er sich wieder um. Erstaunt stellte ich mich neben ihn und bemerkte, dass er in einer Kiste mit Fotoalben kramte. „Was suchst du da?" Verwirrt kniete ich mich neben ihn und sah ebenfalls in die Kiste. Was tat er da? Er drehte sich zu mir um und erklärte genervt: „Ich suche nach irgendeinem Hinweis auf unsere Eltern, okay?" Ich erschrak. „Wieso?" Meine Stimme war so leise, dass ich sie selbst kaum hörte. Wenn es um unsere Eltern ging, war ich immer recht aufgelöst... „Weil ich wissen will, wer sie waren... Und Arthur kann uns anscheinend nicht viel über sie sagen, also hoffe ich eben, hier etwas zu finden..." Klang seine Stimme etwa zittrig? Er tat mir so leid... „Fynn...", begann ich, doch er unterbrach mich: „Ich würde jetzt gerne weitersuchen, hilf mir dabei oder geh' bitte wieder..." Er starrte einfach nur in den Karton vor sich. Ich wollte keine schmerzhaften Erinnerungen entdecken... Ich wollte ein ganz normales Wochenende haben. Aber das war anscheinend zu viel verlangt...

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