Lya
Auf einmal hörte ich die Bibliothekstür laut ins Schloss fallen. Ich fühlte mich ertappt und sah ängstlich zur Tür.
„Lya, es ist alles gut!", redete ich mir selbst ein, da mich diese neuen Informationen sehr verunsichert hatten. Wer war da in die Bibliothek gekommen? Von meinem Tisch aus konnte ich nicht zur Tür sehen und wartete deswegen zitternd darauf, wer das gewesen sein konnte. Ich hörte Schritte, die wahrscheinlich zu jemandem gehörten, der hektisch herumlief. Jetzt kamen sie in meine Richtung. Wie erstarrt konnte ich einfach nur zum Ende des Regales sehen, hinter dem ich gleich diese herumrennende Person sehen würde. Wieso hatte ich solche Angst? Ich wusste es selbst nicht... Es war alles gut! Ich hielt den Atem an, als die Schritte noch geschätzte zwei Sekunden von den Regalen, hinter denen der Tisch, an dem ich saß, stand.
Ich fixierte den Punkt, an dem die Schritte gleich eine Person offenbaren würden, und sah... Henry! Natürlich war es Henry! Wieso hatte ich mir Sorgen gemacht? Es war alles gut! Sofort kam er auf mich zu und setzte sich neben mich.
„Lya, was machst du hier?" Er kannte anscheinend die Bibliotheksregeln und flüsterte deswegen. Keine Ahnung, was ich hier machte! Ich konnte ihm doch nicht von dem Hexenzeug erzählen!
„Sitzen?" An meiner verlegenen Stimme merkte er wohl, dass ich irgendwas verheimlichte! Wieso konnte ich nur nicht lügen?
„Das seh ich, aber was ist los? Wieso warst du nicht bei uns in der Kantine? Wir haben dich schon gesucht!" Ich seufzte. Was sollte ich ihm nur sagen? Ich hatte keine Zeit nachzudenken! Mir fiel keine Ausrede ein!
„Ich...ähm...also weißt du, ich bin nur hergekommen..." Was sollte ich nur tun? Wieso war ich denn eigentlich in die Bibliothek gekommen? Ich wusste es selbst nicht. „Ich...weiß, ich meine...also...Danke! Also für das Suchen und so, aber mir...äh...mir geht's gut!" Gott, ich bekam keinen einzigen Satz raus! Doch Henry gab sich damit anscheinend nicht zufrieden.
„Was ist los?" Eindringlich sah er mir in die Augen. Wieso musste er nur so ein verdammt guter Freund sein? Ich wollte ihm am liebsten alles von gestern erzählen! Aber das konnte ich nicht... Er würde vielleicht noch mitkommen wollen und dann würde Fynn es herausfinden. Jetzt fühlte ich mich schon wieder schlecht.
„Mir geht's...vielleicht doch nicht so gut..." Das war die schlechteste Entschuldigung, die ich je gehört hatte! Doch ich konnte dadurch ein bisschen nachdenken, welche Lüge ich ihm auftischte.
Mitleidig sah er mich an. Ich hasste dieses Mitleid, doch im Moment war mir das egal. Was sollte ich ihm nur sagen? Plötzlich erklang die Glocke, wodurch uns klar wurde, dass die Mittagspause zu Ende war.
„Wir sollten zurück in die Klasse", stellte Henry überrascht fest.
Ich nickte und war froh, dass das Thema vorbei war, als er noch meinte: "Wir reden später weiter" Na, das konnte ja toll werden...
Wir waren auf dem Weg zurück in die Klasse, als Fynn mich plötzlich aufhielt.
Er begrüßte mich mit einem "Da bist du!" und sah erleichtert aus, mich gefunden zu haben. Wieso hatten alle nach mir gesucht? Anscheinend hätte ich doch jemand informieren sollen, wo ich hinging...
"Sie war in der Bibliothek" Henry zeigte auf mich und ich nickte.
„Können wir reden?", wechselte Fynn plötzlich das Thema und sah mich aufgeregt an. Was gab es denn so Wichtiges?
Fynn
Ich suchte immer noch nach Lya und sah mich etwas verzweifelt in dem Gang um. Vielleicht war sie zurück in die Klasse gegangen? Nein, die war in der Mittagspause abgesperrt. Da hatte ich den Geistesblitz. Es gab nur einen Ort, an dem sie sonst noch sein konnte! Die Bibliothek! Mit schnellen Schritten ging ich in Richtung Bibliothek, da man auf unseren Gängen nicht rennen durfte.
Doch im Zuge eines Blinzelns veränderte sich auf einmal meine Umgebung. Statt dem langen Gang voller Spinde auf beiden Seiten sah ich mich plötzlich selbst. Woah, was passierte denn hier? War das eine Halluzination? Oh, mein Gott! Träumte ich gerade? Aber ich war doch wach. Ich stand doch immer noch in der Schule! Ich sah mich, wie ich gerade mit Kailey und Henry vor der Haustür unseres Hauses stand. Anscheinend war Lya sauer auf mich, denn sie sah mich wütend an. Ich war, so wie es aussah, auch sauer auf sie. Henry und Kailey standen nur nervös dazwischen und beobachteten die Szene. Plötzlich drehte Lya sich einfach um und rannte nach draußen, in den Garten. Henry sagte etwas, das ich nicht ganz verstehen konnte, und wollte ihr nachgehen, doch dann sagte ich ihm etwas und er blieb stehen. Kurz ging das Gespräch so hin und her, bis Henry einfach in den Garten ging und ich ihm wütend hinterher sah.
Da ertönte die Schulglocke. War das etwa Teil dieses komischen Tagtraumes? Offenbar nicht, denn als ich die Glocke gehört hatte, blinzelte ich ein paar Mal und sah wieder die Spinde vor mir. Oh! Es war anscheinend vorbei. Was war das denn gewesen? Ich hatte irgendeinen eigenartigen Traum gehabt, bei dem ich nichts hatte tun können, außer zuzusehen. Ich musste Lya davon erzählen! Ich wartete vor der Klasse, in der Hoffnung, Lya dort abzufangen. Dann musste ich eben warten!
„Hey! Wo warst du denn? Hast du Lya gefunden?", fragte Kailey mich neugierig, als die Schüler langsam aus der Kantine in die Klasse kamen.
„Ähh...ja, nein. Ich hab sie nicht gefunden..." Ich konnte nicht mal mehr reden! Ich musste mich zusammenreißen! Ich erschrak, als ich Lya endlich mit Henry kommen sah.
„Können wir reden?", fragte ich aufgeregt, als ich mich vor sie gestellt hatte. Sie musste einfach erfahren, was mir passiert war. Sie liebte doch solche Abenteuer, die sich niemand erklären konnte.
„Äh... klar" Ich zog sie mit zu den Spinden, bei denen nun nicht mehr allzu viele Schüler unterwegs waren. Wir mussten nun nur kurz warten.
„Es ist was Eigenartiges passiert..." Ich sah mich um. Nun war keiner mehr zu sehen. Ich wusste nicht, wieso, doch ich hatte das Gefühl, dass das niemand hören durfte.
„Was ist los?" Lya bemühte sich, leise zu reden.
„Ich hatte eine Art...Tagtraum" Das war wohl die beste Art, es zu beschreiben. „Ich bin am Gang gestanden, aber auf einmal ist alles vor mir verschwommen und ich hab eine komische Halluzination erlebt..."
„Und was hast du gesehen?" Gespannt sah sie mich an. Ihr Drang, alles aufzuklären und ihre Neugier kamen mir bei diesem Tagtraum sehr gelegen.
„Also ich hab gesehen, wie Henry, Kailey, du und ich bei uns im Haus waren und anscheinend waren wir ganz schön sauer aufeinander. Du bist also weggerannt und Henry ist dir nachgerannt..." Das klang nicht sehr merkwürdig, ich musste es genauer erklären. "Aber wir haben irgendwie...anders ausgesehen... Also nicht so wie jetzt. Weißt du, was ich meine?"
Lya antwortete nicht mehr. Sie sah an mir vorbei, als hätte sie einen Geist gesehen. Was war denn auf einmal passiert? Sie war doch so gespannt gewesen, jetzt sah sie schockiert aus.
„Was ist los?" Ich nahm sie an den Schultern und sah ihr in die Augen.
„Du...du hast also etwas gesehen, was dann passiert ist?" Ängstlich sah sie zu Boden. Was? Das hatte ich doch nie so gesagt. Wovon redete sie?
„Nein, es ist nie passiert. Es war nur so eine Art Traum"
„Ich...ich hatte auch solche Träume" Ihre angsterfüllten Augen sahen nun endlich wieder in meine. „Aber meine Träume sind wirklich passiert..."
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Hexennacht
ParanormalEine mysteriöse Nachricht. Eine rätselhafte Seitengasse. Ein eigenartiges Geschäft. Fynn und Lya sind adoptiert und entdecken plötzlich durch eine einfache Nachricht, dass sie anders sind, denn ihre leiblichen Eltern waren nicht so normal, wie sie...