Lya
Ich seufzte. Ich konnte mich hier nicht hinter einem Buch verstecken, wie ich es sonst immer tat... Was hatte ich anderes erwartet? Ich hatte es noch nicht einmal fertiggebracht, einen Knoten aufzumachen! Handwerk war noch nie meine Stärke gewesen... Ich war eher die Clevere, die Streberin, die sich hinter einem Schreibtisch versteckte. Hier saßen wir nun. Zwei Versager, angebunden an Schienen. Wir mussten langsam hier weg... "Fynn, kannst du uns dann langsam mal losschneiden?" Ich sah ihn an. Er war enttäuscht von sich. Das sah ich ihm an. Naja, er wollte immer alles schaffen. Dass er diesen Test nicht bestanden hatte, machte ihn sicher fertig. Er nickte und begann, wie mit einer Säge, das Seil durchzuschneiden. „Wieso testet er uns überhaupt?" Jetzt wurde er wütend. Ohje...
„Wir sind nun mal noch nicht so lange Hexen, wie sollen wir in etwas gut sein, das wir noch nicht lange beherrschen?" Er würde gleich auszucken, ich sah es schon kommen. Damit konnte ich gerade nicht umgehen. „Fynn...", versuchte ich, ihn zu bremsen. Er sah von dem Seil auf. „Nein! Wieso muss er uns testen? Vertraut er uns nicht?" „Fynn, bitte schneid uns jetzt einfach los und lass uns nach Hause gehen!" Ich sah ihn schon etwas genervt an. Er seufzte und sägte weiter. Wir schwiegen uns ab diesem Zeitpunkt an, bis er es schaffte und wir frei waren. „Danke", meinte ich und stand schnell auf, um von diesen Schienen wegzukommen. Auch, wenn kein Zug zu sehen war, war ich froh, endlich von ihnen los zu sein.Ich öffnete die Augen. Ich war wohl doch irgendwann eingeschlafen... Müde blinzelnd sah ich mich um. Fynn war bereits munter. Wie immer. Er war einfach ein Frühaufsteher. Ich streckte mich und stand dann ebenfalls auf. Gerade, als ich die Tür öffnen wollte, wurde sie geöffnet und mein Vater trat ein. „Oh, entschuldige!", rief er sofort. „Schon okay" Ich war viel zu müde, um mich davon beirren zu lassen. „Hast du Fynn gesehen?" Ich musste gähnen. „Ja, er ist unten in der Küche und wollte irgendwas von dir..." Er überlegte. „Du solltest mal runtergehen!" Ich nickte und ging ihm hinterher, als er wieder nach unten ging. In der Küche sah ich bereits Fynn sitzen, der gerade eine Semmel verspeiste. Ich sah auf die Uhr, die neben ihm an der Wand hing. 8:00 Uhr. „So ‚spät' erst Frühstück?", fragte ich zwinkernd, als ich mich neben ihn an den Tisch setzte. „Ich hatte schon um 6:30 Uhr ein Brot", gab er lachend zurück.
Ich verdrehte lächelnd die Augen. Wie konnte man nur so früh aufstehen? „Achja, Lya... Hast du heute Nachmittag Zeit?" Verwirrt sah ich ihn an und schob das Marmeladenglas näher zu mir. „Denke schon, wieso?" Er sah sich misstrauisch um und flüsterte dann: „Ich will mich bei Arthur entschuldigen" Entschuldigen? Fynn? Seit wann das denn? „Klar, nichts dagegen..." Skeptisch musterte ich ihn. Er wollte das wirklich durchziehen? Okay, wenn er das sagte!
Wir öffneten die Tür. „Arthur?", rief Fynn sofort. Sofort sah ich ihn am Ende des Ganges. „Kinder? Gut, dass ihr hier seid!" Kinder? „Ich wollte mich bei euch entschuldigen..." Er wollte sich bei uns entschuldigen? „Wir wollten uns bei Ihnen entschuldigen!", rief Fynn. Wow, er gab es sogar zu... „Ihr hattet Recht, ihr müsst noch vieles lernen, Bücher lesen und Zauber ausprobieren, ihr ward noch nicht bereit! Es tut mir leid..." Das war so süß von ihm! „Uns tut es leid! Wir haben vollkommen versagt..." Ein bisschen beschämt lächelte ich ihn an.
„Das ist wirklich kein Problem! Es war meine Schuld, ich werde euch ab jetzt nicht mehr testen, solange ihr nicht bereit seid" Er hob die Hand, wie bei einem Eid. Wie süß! „Aber ihr hättet nicht deswegen an einem Sonntag herkommen müssen!" Naja, wir hatten ja sonst nichts vor... „Wir können Montag, wenn ihr von der Schule zurück seid, wieder weitermachen!" Er lächelte uns an. Ich sah zu Fynn. Wollte er erst am Montag weitermachen? „Hast du etwas vor?", fragte ich ihn. Er schüttelte den Kopf. „Ich auch nicht, wir können ruhig heute etwas machen!" Arthur lächelte uns an. „Na dann!", rief er und ging schon zu den Stufen. Er war schon auf dem Weg, als wir uns auch endlich in Bewegung setzten und die Stufen hinuntergingen. Wir würden ihn schon einholen!
"Heute üben wir das Heilen!", rief er uns zu, als wir endlich unten angekommen waren. „Cool!", kommentierte Fynn nur. Er hatte sich gerade zu den Regalen gedreht und somit zeigte er uns den Rücken. Ich nahm an, dass er ein Buch suchte. Also warteten wir, bis er es gefunden hatte und sich wieder zu uns drehte, was er dann auch tat. Doch auf einmal bemerkte ich, dass er ein Messer in der Hand hielt. Sofort läuteten bei mir alle Alarmglocken. „Woah! Arthur, wofür brauchen Sie das?" Ich wich ein Stück zurück. Fynn stellte sich ein Stück vor mich. Kam da wieder sein Beschützerinstinkt durch? Ich hätte ja die Augen verdreht, doch ich konnte nur wie erstarrt auf das Messer in Arthurs Hand sehen. Als er bemerkte, dass wir zurückgewichen waren, rief er schnell: „Oh! Nein, es ist alles gut, Kinder! Wir üben nur das Heilen!" Was hatte er dann mit dem Messer vor? Doch bevor wir ihn aufhalten konnten, nahm er das Messer und schnitt sich in den Unterarm. „Arthur!", rief ich sofort besorgt. „Was machen Sie denn?" Fynn klang ebenfalls besorgt. Wir liefen sofort zu ihm und sahen auf seine frische Wunde. Oh, mein Gott! Das war ganz schön viel Blut! Er hatte wohl sehr tief geschnitten... Wieso hatte er das überhaupt getan?
Fynn
Wieso hatte er das getan? Bessere Frage: Was sollten wir jetzt tun? „Ich hole einen Verband!", rief ich und wollte nach oben rennen, als Arthur mich zurückrief. „Wir brauchen keinen Verband. Ihr könnt mich heilen!" Wieso klang das für mich wie ein Befehl? „Was?" Ich ging wieder zu den beiden. „Aber wie machen wir das?", fragte Lya etwas verzweifelt. Gute Frage! „Ihr haltet eure Hände über die Wunde und stellt euch vor, wie die Magie meine Wunde verschließt" Wie konnte er so ruhig bleiben? Sein Arm war offen! Ich atmete tief durch und tat, was er beschrieben hatte. Ich hielt meine Hand über seine Wunde. „Wenn ihr beide mithelft, geht es schneller und leichter", erklärte er immer noch seelenruhig. Ich sah zu Lya, die etwas angewidert auf das ganze Blut sah.
Doch dann überzeugte sie sich doch. „Na gut..." Sie tat es mir gleich und hielt ihre Hände neben meine. „Keine Sorge, ich helfe euch. Jetzt müsst ihr eure Augen schließen. Also, dann geht es zumindest einfacher" Wir taten wie uns aufgetragen und stellten uns vor, wie die Wunde wieder zusammenwuchs. Eine etwas ekelhafte Vorstellung, doch es musste sein. Hoffentlich konnte Lya sich das vorstellen... Doch ich dachte nicht mehr an sie oder Arthur, sondern nur an die Wunde, die sich gleich schließen würde. Plötzlich zischte Arthur kurz auf, zog seinen Arm aber nicht weg. Doch das irritierte mich so sehr, dass ich meine Augen öffnete und zu ihm sah. Neugierig nahm ich meine Hände weg, um auf seine Wunde sehen zu können. Sie schloss sich! Vor meinen Augen! Ich hatte es geschafft! Doch was war mit Lya? Ich sah zu ihr. Hatte sie ihre Hände zu früh weggenommen? Ängstlich starrte sie auf die nun geschlossene Wunde. „Danke, Fynn" Arthur rieb sich den nun geheilten Arm. Was war mit Lya gewesen? „Ich war das doch nicht allein", lachte ich nervös. „Doch" Lya sah mich leicht lächelnd an. Zuerst lachte ich vor Freude, da ich es geschafft hatte. Doch dann wurde mir klar, dass das hieß, dass Lya es gar nicht versucht hatte. „Warum hast du denn nicht mitgemacht?" Ich klang wie ein trotziges Kind, doch ich wollte es wissen.
„Ich hab gespürt, dass ich nicht stark genug war" Etwas verlegen sah sie zur Seite. Arthur beteiligte sich wieder am Gespräch: „Das ist überhaupt nichts Schlimmes! Jede Hexe und jeder Hexer hat etwas, in dem er gut ist und in anderem ist er eben nicht so gut. Das ist normal!" Er hatte Recht! „Ja! Zum Beispiel hast du viel öfter Visionen als ich!" Ich stimmte ihm zu. Sie lächelte wieder, doch protestierte: „Ihr müsst mich nicht aufheitern, es ist alles gut!" Ich hob eine Augenbraue, da ich wusste, dass man sie aufheitern musste und sie wollte es, auch wenn sie es nicht zugab. „Aber danke...", fügte sie leise hinzu. „Achja, Fynn: Hast du eigentlich schon mal wahrgesagt?" Arthur wandte sich an mich. Ich überlegte. So weit ich mich erinnern konnte nicht... Oh! Doch! Ich hatte einmal die eine Szene gesehen, als Lya und ich wütend aufeinander waren. Doch das konnte ich jetzt nicht sagen... Das würde sie nur noch mehr hinunterziehen...
„Ähm...nur eine...und das ist schon ewig her!" „Oh, na dann ist ja gut" Er wollte gar nicht wissen, was ich gesehen hatte? Okay! Er wollte Lya wohl auch nicht deprimieren... Plötzlich klatschte er in die Hände. „So, Kinder, das war wohl genug für heute! Geht nach Hause! Genießt euer Wochenende!" Er lächelte uns an. Er hatte Recht, wir hatten heute sowieso genug gelernt. Ich wollte mich ein bisschen hinlegen... Wir verabschiedeten uns und machten uns auf den Heimweg.
Als wir zuhause ankamen, rannte ich sofort nach oben, ohne meinen Eltern irgendwas zu erklären und verschwand in unserem Zimmer. Momentan war mir egal, was Lya machte. Sie konnte sich doch auch entspannen! Es war Wochenende!
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Hexennacht
ParanormalEine mysteriöse Nachricht. Eine rätselhafte Seitengasse. Ein eigenartiges Geschäft. Fynn und Lya sind adoptiert und entdecken plötzlich durch eine einfache Nachricht, dass sie anders sind, denn ihre leiblichen Eltern waren nicht so normal, wie sie...