Lya
Fynn und ich warteten gerade auf den Schulbus, der uns, wie jeden Tag, in die Schule brachte. Ich sah mich kurz um und merkte, dass sonst noch niemand wartete. Naja, wir waren ja auch wie immer zu früh. Wir frühstückten immer mit unseren Eltern, weswegen sie uns immer früher aufweckten. Doch nun waren Fynn und ich allein und ich konnte ihn endlich nach dem Stand der Dinge fragen.
„Hey, hast du gestern noch irgendwas herausgefunden?" Ich sah ihn gespannt an. Das war so spannend! Nur, dass diesmal einiges auf dem Spiel stand. Henry und Kailey konnten nicht erfahren, was wir waren. Obwohl ich es ihnen so gern gesagt hätte, wollte ich zumindest noch warten. Wir wussten es selbst noch nicht lang. Das war vielleicht die vernünftigste Entscheidung, die ich je treffen würde, doch es musste sein.
„Nicht wirklich. Der Typ, der das geschrieben hat, war echt ein Visions-Fanatiker. Er hat die ganze Zeit nur geschrieben, wie hilfreich sie sind" Fynn verdrehte die Augen. „Uns haben sie bis jetzt noch nie wirklich geholfen"
„Oh...", machte ich nur und sah nachdenklich in die Ferne. Wie sollten wir nun mit Henry und Kailey umgehen? Sie würden vielleicht unser Geheimnis erfahren...
„Keine Sorge, wir finden einen Weg, das aufzuhalten" Fynn hatte wohl meine Bedenken bemerkt. „Und bis dahin müssen wir den beiden wohl aus dem Weg gehen..."
Ich nickte und sah zu Boden. Er hatte wohl recht...
In der Klasse angekommen merkte ich, dass ich ja neben Henry sitzen musste. Das konnte ich momentan nicht... Ich wollte nicht, dass er es herausfand. Ich wollte es ihm so gern erzählen. Aber ich wusste, dass das nicht ging. Ich biss mir nachdenklich auf die Unterlippe und sah mich im Klassenraum um. Alles war besetzt. Dann setzte ich mich wohl einfach neben Fynn! Zielstrebig ging ich auf Fynns Platz zu, ohne Henry anzusehen.
„Hey?" Natürlich ließ er das nicht auf sich sitzen. Ich drehte mich zu ihm um und sah in seine verwirrten Augen. Ich hätte ihm so gern alles erzählt, doch das ging nicht.
„Sorry, ich...würde gern hier sitzen... wenn das in Ordnung geht..." Schnell drehte ich mich wieder nach vorne.
„Was?", hörte ich noch von hinten, doch ich drehte mich trotzdem nicht wieder um. Ich hoffte, dass er einfach zu nett war, noch etwas dazu zu sagen. Wer hatte gedacht, dass eine Hexe zu sein, so schwierig war? Ich wollte ihm wieder von meinen Abenteuern erzählen können. Doch das ging nun nicht mehr. Das war ein zu großes Abenteuer. Zu groß, um es ihm zu erzählen... Wir hatten es nicht einmal unseren Eltern erzählt! Plötzlich betrat Kailey die Klasse. Ohje. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit.
„Ich hab irgendwie gedacht, das wäre mein Platz" Sie lächelte mich provokant an. Wie sollte ich Kailey das Ganze erklären?
„Ich wollte gern in nächster Zeit neben Fynn sitzen, wenn das okay ist" Ich lächelte zurück. Das war keine Lüge. Ich wollte lieber neben Fynn als neben Henry sitzen, um all das zu erleichtern. Für Kailey konnte es somit auch leichter werden!
„Was?" Überrascht und empört verschränkte sie die Arme. „Können wir vielleicht allein reden?"
„Klar" Fynn sah noch kurz zu mir und ging dann mit ihr auf den Gang. Oh, nein. Er durfte mich nicht allein lassen! Denn schon nutzte Henry die Gelegenheit und kam zu mir nach vorne.
„Du willst wahrscheinlich nicht darüber reden, aber..." Er sah mich eindringlich an. „Darf ich nur wissen, ob es dir gut geht?" Warum musste er nur so nett sein? Er machte das alles viel schwieriger...
„Mir geht's gut, ich werde nur in nächster Zeit etwas Zeit für mich brauchen..." Das war die beste Erklärung, die ich ihm geben konnte. Und es war nicht gelogen.
Er lächelte mich an und nickte. „Ich verstehe" Und mit diesen Worten ging er wieder nach hinten. Das alles tat mir so leid.
Fynn
„Können wir vielleicht allein reden?" Kailey drehte sich nun zu mir. Ich sah kurz zu Lya, die etwas schockiert zu Kailey sah, dann wieder zu ihr zurück. Ich musste es ihr zumindest erklären.
„Klar" Ich stand auf und ging mit ihr auf den Gang. Okay, ich musste mir schnell etwas einfallen lassen. Ich hätte wissen müssen, dass Kailey nicht so leicht zu beruhigen war wie Henry!
„Fynn, was soll das?" Sie klang nun nicht mehr aufbrausend, sondern verletzt. Wir hatten uns bereits Anfang dieses Schuljahres versprochen, immer nebeneinander zu sitzen und dass niemand dazwischen kommen würde.
„Es tut mir leid, aber..." Ich ließ einen tiefen Seufzer raus, der ihr zeigte, wie ich mich fühlte, auch wenn ich es ihr nicht erklären konnte. „Lya und ich haben momentan eine schwere Zeit..."
„Was ist denn los?" Sie konnte wirklich eine gute Freundin sein. „Du kannst doch mit mir darüber reden"
„Ich weiß" Ich nickte. Das wusste ich wirklich, doch diesmal ging es nicht. Das war das eigenartigste, was mir jemals passiert war und ich konnte und wollte sie da nicht mit hinein ziehen. „Aber ich kann nicht"
„Warum nicht?" Jetzt wurde sie wieder wütend.
„Irgendwann erzähle ich es dir vielleicht,..." Das war nicht gelogen. Ich hoffte, dass das irgendwann möglich war. Vielleicht, wenn wir das alles einmal selbst verstanden hatten. „...aber jetzt nicht"
„Na, gut. Dann nicht" Sie hatte das überraschend schnell verdaut. „Aber nur, damit du es weißt: Henry und ich schaffen es auch ohne euch" Und mit diesen Worten ging sie zurück in die Klasse. Das klang schon eher nach ihr.
Ich atmete noch tief durch und ging dann ebenfalls in die Klasse zurück. Hoffentlich würde das diese dämliche Vision aufhalten.
„Wie ist es gelaufen?", flüsterte Lya, als ich zurückkam. Dafür erntete sie nur einen „Ist das dein Ernst?"-Blick von mir. Sie wusste, dass es nicht gut gelaufen war. Sie nickte und drehte sich nach vorne, denn in diesem Moment betrat der Lehrer den Raum.
Die Mittagspause war die nächste Hürde, die wir vor uns hatten. Lya und ich hatten in den Pausen bereits besprochen, alleine zu sitzen. Das war wohl die beste Lösung. Und daran hielten wir uns nun auch. Ein Tisch in der hintersten Ecke erschien uns passend.
„Das ist schrecklich" Traurig stocherte Lya in ihren Spaghetti herum, nachdem wir uns unser Mittagessen geholt hatten.
„Ich weiß" Das hatte ich mir wirklich einfacher vorgestellt. „Aber wenn wir nicht wollen, dass sie es erfahren, ist das die einzige Möglichkeit, die wir momentan haben"
„Dass sie was erfahren?" Erschrocken fuhr ich herum und entdeckte Sam, der mich nun fragend ansah. Als er unsere verwirrten Blicke sah, erklärte er schnell: „Violet hat mich hergeschickt, um zu fragen, warum du nicht an unserem Tisch sitzt" Was ging sie das an? Und wieso interessierte sie das?
„Ich sitze nun mal lieber mit meiner Schwester zusammen" Ich zeigte auf Lya, die ihn kurz gezwungen anlächelte.
„Kailey hat erzählt, ihr habt euch gestritten" Er hob eine Augenbraue. Oh, okay, er wusste es. „Aber sie wollte uns nicht sagen, wieso"
„War nichts Wichtiges" Warum waren hier nur alle so neugierig? Warum konnten sie uns nicht alle in Ruhe lassen? Was wollte Violet überhaupt von mir? „Könnten wir jetzt weiter essen?" Sam nervte mich langsam.
„Na, gut, dann erzähl's mir eben nicht" Er verdrehte die Augen, als wäre ich der Nervige hier. „Wir werden's sowieso irgendwann herausfinden" Dann machte er theatralisch auf dem Absatz kehrt und ging zurück zu Violet.
„Sollte das eine Drohung sein?" Lya sah mich verwirrt an.
Ich konnte nur mit den Schultern zucken. Es war mir wirklich egal. Violet und Sam waren wirklich keine Bedrohung für uns.
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Hexennacht
ParanormalEine mysteriöse Nachricht. Eine rätselhafte Seitengasse. Ein eigenartiges Geschäft. Fynn und Lya sind adoptiert und entdecken plötzlich durch eine einfache Nachricht, dass sie anders sind, denn ihre leiblichen Eltern waren nicht so normal, wie sie...