Fynn
Mit einem mulmigen Gefühl betrachtete ich die Situation. Was passierte hier? Was hatten Sam, Violet und dieses andere Mädchen, dessen Namen ich immer vergaß, damit zu tun? Mit einer Handbewegung von Lewis nach vorne bewegte sich plötzlich alles, das schwarz leuchtete, auf uns zu. Oh, mein Gott! Bevor wir irgendetwas dagegen tun konnten, rasten alle Gegenstände auf uns zu und ich konnte nur noch meine Hände schützend über meinen Kopf legen. Ehe ich mich versah, waren wir begraben unter Tischen, Schränken und ganz oben lagen auch noch drei Menschen! Alles quetschte mich irgendwie zusammen, sodass ich kaum atmen konnte. „Lya?", fragte ich sofort und suchte nach ihr.
So weit konnte sie doch nicht weg sein! Ich versuchte, meine Hand unter all dem Gerümpel zu bewegen und nach ihr zu suchen, doch ich merkte schnell, dass es wohl nicht ging. Ich probierte es mit meiner anderen Hand, die sich ein bisschen bewegen konnte. Langsam öffnete ich meine Augen, um mich umzusehen. Viel Staub schwebte in der Luft. „Lya!", rief ich erleichtert, als ich sie endlich erblickte. „Das war einfach", hörte ich Lewis durch den Stapel von Möbeln hindurch. Es klang so, als stünde er genau vor mir. Wir mussten nur den Stapel gegen ihn stoßen, dann wäre er darin gefangen... Ich tastete nach Lyas Hand und hatte sie gleich erfühlt. „Wir kriegen das hin", flüsterte ich. Ich sah, wie sie leicht nickte. Na, dann los.
Gemeinsam konnten wir genau so stark sein wie Lewis! Ich verstärkte meinen Griff um Lyas Hand und konzentrierte mich auf das ganze Gerümpel. „Könnt ihr mal da runter kommen?", rief Lewis Violet und Co zu, doch ich hörte es gar nicht, ich konzentrierte mich nur auf die Möbel, die sich gleich bewegen würde und hoffte, dass Lya das auch tat. Mit aller Energie, die wir hatten, brachten wir die Möbel erneut zum Schweben und konnten endlich wieder etwas sehen, da sie nun über uns schwebten. Es hatte funktioniert! Ich hielt nun eine Hand in der Luft, die andere hielt Lyas Hand. Es funktionierte wirklich! „Jetzt", rief ich Lya zu und beinahe gleichzeitig schossen unsere Hände nach vorne und begruben Lewis unter dem Schutt. Ich musste lächeln und sah auf auf den Haufen, unter dem Lewis sich jetzt befand. Er würde einige Zeit brauchen, um da wieder hinauszukommen.
Auf einmal ließ Lya ruckartig meine Hand los. Was war denn jetzt? Verwirrt sah ich zu ihr und bemerkte, dass sie zusammengesackt war. „Lya!" Was war los? Ich kniete mich neben sie und versuchte herauszufinden, was los war. War sie ohnmächtig? Was war nur mit ihr los? Doch sofort merkte ich es: Sie blutete aus dem Bauch... Oh, mein Gott... Was war passiert? Hatten die Möbel sie verletzt? Oh, Gott! Was sollte ich tun? Oh! Das fragte ich noch? Ich konnte sie heilen! Ich musste sie heilen! Ich hielt meine zitternden Hände über ihre Wunde und stellte mir vor, wie sie sich schloss, wie die Haut wieder zusammenwuchs. So wie ich es von Arthur gelernt hatte. Funktionierte es? Ich hoffte es... Ich hatte Arthur bereits verloren, ich konnte sie nicht auch noch verlieren...Langsam wurde mir schwindelig. Das Ganze war wohl zu viel Anstrengung für mich. Auf einmal war meine komplette Kraft einfach weg und mir wurde schwarz vor Augen.
Henry
„Hey!" Erfreut sah ich Fynn an, der im Krankenhausbett lag und gerade aufgewacht war. Neben mir stand Kailey und auf der anderen Seite des Raumes lag Lya ebenfalls in einem Krankenhausbett. Sie war schon länger munter gewesen und stand nun auch auf, um ihren Bruder zu begrüßen. „Was ist passiert?" Fynn setzte sich langsam auf und sah immer noch nervös aus. „Also das Ganze nochmal!", seufzte ich, „Nachdem ihr bewusstlos wart, ist endlich die Polizei gekommen. Die haben euch da rausgeholt und das Feuer gelöscht" „Und wer hat sie gerufen?" Fynn sah verwirrt zwischen uns hin und her.
„Henry" Kailey zeigte auf mich und ich nickte nur. Ich wollte ja nicht angeben, aber ich hatte damit einen großen Teil zur Rettung beigetragen. „Die beiden haben mir auch schon alles erzählt", warf Lya ein und zeigte auf Kailey und mich. „Alles, was passiert ist. Auch, dass du mich geheilt hast" Das war zwar nur eine Vermutung unsererseits gewesen, aber es war die einzig logische Erklärung. Sie hatte sich daran erinnern können, dass sie etwas durchbohrt hatte und Fynn hatte keinen einzigen Kratzer und war trotzdem bewusstlos gewesen.
„Danke" Lya sah Fynn dankbar an und konnte sich plötzlich nicht davon abhalten, ihn zu umarmen. Er war überrascht, doch erwiderte die Umarmung sofort. „Ohhhh...", machte Kailey leise neben mir und lächelte. Die beiden so zu sehen, zeigte mir, dass wieder alles normal werden würde. Alles würde wieder normal werden. Ein schönes Gefühl. „Natürlich", war Fynns Erklärung. Nachdem sie sich wieder voneinander gelöst hatten, wollte Fynn unbedingt hören, was danach passiert war. „Naja, nicht mehr viel. Die Polizei war ziemlich schnell da. Sie haben Violet, Isabel und Sam nach Hause geschickt, euch ins Krankenhaus eingeliefert und uns kurz verhört" Er sah mich während der gesamten Erzählung gespannt an.
„Und was habt ihr ihnen gesagt?" Er sah etwas nervös aus. Dachte er etwa, dass wir ihnen die Wahrheit gesagt hatten? „Dass unser Freund Lewis durchgedreht ist und wir nicht wissen, was passiert ist. Wir haben auch sowas wie ‚Er war schon immer unberechenbar' gesagt, um es glaubwürdiger zu machen" Ich war stolz auf unsere „Aufräumarbeiten". Wir hatten das Ganze gut erklärt. Niemand würde Fragen stellen. Erleichtert nickte Fynn. „Und Lewis wird in eine Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche oder sowas kommen!", rief Kailey aufgeregt. Achja, Lewis... War er nun wirklich weg? War es jetzt wirklich vorbei? Naja, so ganz würde es wohl nie vorbei sein. Lya und Fynn waren eben Hexen.

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Hexennacht
ParanormalEine mysteriöse Nachricht. Eine rätselhafte Seitengasse. Ein eigenartiges Geschäft. Fynn und Lya sind adoptiert und entdecken plötzlich durch eine einfache Nachricht, dass sie anders sind, denn ihre leiblichen Eltern waren nicht so normal, wie sie...