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Lya

„Lya, was ist los?" Fynn sah mich verwirrt an. Ich konnte ihm nicht sagen, dass es mir Angst machte. Er hatte auch eine Vision gehabt. Das hieß, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ich auch die anderen Kräfte entdeckte. Wir konnten es nicht aufhalten... Und das machte mir Angst... Mein Leben würde nie wieder normal sein! Diese Kräfte würden mich ewig verfolgen! Bald würde ich von Zuhause wegrennen, mich irgendwo, in einem Bunker verstecken und nur darauf warten, dass meine Kräfte die Kontrolle übernahmen! Okay, das war vielleicht übertrieben... Aber niemand wusste, was passieren würde! Nicht einmal Mr. Mills! Er war kein Hexer, er wusste nicht, wie das war! Doch vielleicht konnte er Fynn helfen... Er hatte schon seine zweite Fähigkeit entdeckt... Er brauchte die Bibliothek vielleicht... Ich atmete tief durch und meinte dann: „Fragen wir Mr. Mills heute Nachmittag..." Ich wollte nicht mehr an die Bibliothek oder Mr. Mills denken! Also ging ich, ohne noch etwas zu sagen, zurück in die Klasse und ließ Fynn stehen.

Ich setzte mich wieder neben Henry. „Hey! Was wollte er dir denn erzählen?" Neugierig sah er mich an. Verdammt, auf die Frage hatte ich mich nicht vorbereitet! „Ach, er wollte nur wissen, ob...also ob ich..." Ich sagte einfach das erste, das mir einfiel: „...ob ich...mein Handy mithabe" Wow, jetzt musste ich erklären, wieso! Toll gemacht! Anscheinend hatte Kailey mitgehört, denn sie fuhr auf ihrem Sessel nach hinten und fragte mich: „Wieso denn?" „Er...hat nur eine App gebraucht..." Welche nur? Welche nur? Mir fiel nichts ein! „Das ist ja wie Zähne ziehen!", lachte Kailey, „Welche App und wofür?" Ähm... „Es war nur... diese Kartenapp, er wollte...jemanden stalken..." Oh, verdammt! Jetzt hatte ich Fynn in richtige Schwierigkeiten gebracht!

„Jemanden?" Lachend hob Henry eine Augenbraue. In diesem Moment kam Fynn durch die Tür. Er setzte sich neben Kailey, die ihm sofort erzählte, was ich gesagt hatte. Toll! Er hatte wahrscheinlich auch keine passende Erklärung! „Lya, du kannst ruhig erzählen, dass ich dich gefragt hab, ob wir nach der Schule Shoppen gehen" Er musste lachen. Ähh...was? Er hatte wahrscheinlich genug Zeit gehabt, sich eine vernünftige Ausrede auszudenken! Das machte auch mehr Sinn als meine! „Also? Du hast nicht wirklich geantwortet" Herausfordernd sah er mich an. Oh! Er meinte nicht Shoppen, er meinte die Bibliothek... Er war schlau. Er fragte das aus einem bestimmten Grund vor Kailey und Henry. Jetzt musste ich Ja sagen, sonst würden die beiden fragen, wieso nicht... Ich seufzte. „Ja", war meine knappe Antwort. Dann kam auch schon der Lehrer hinein. Toll, jetzt hatte ich mich ja schon fast verpflichtet, mitzugehen...

Fynn

„Wollen wir da wirklich nochmal reingehen?" Lya sah etwas skeptisch zur Tür, die uns direkt zu dem kleinen Antiquitätengeschäft von gestern führen würde. Wieso hatte sie solche Angst davor? Wir waren anscheinend Hexen und das mussten wir akzeptieren! Aber vor allem mussten wir mehr darüber erfahren... Sie hatte doch vorhin in der Schule noch gesagt, sie würde mitkommen! „Bist du denn gar nicht neugierig?" Begeistert sah ich sie an. „Nicht wirklich" Sie seufzte. Wieso wollte sie da nur nicht hineingehen? „Hör zu...Wie wäre es, wenn wir erstmal hineingehen und 5 Minuten bleiben. Wenn er zu schräg wird oder irgendwas passiert, können wir immer noch wegrennen..." Ich lächelte ihr zu. Half ihr das?

„Du wirst mich doch sowieso so lang überreden, bis ich mitkomme, oder?" Sie sah mich herausfordernd an, lächelte aber. „Ähhh...ja" Sie lachte. „Na, gut, ich kann dich doch nicht alleine da hinein gehen lassen..." Ich hatte sie also überzeugt. Triumphierend ging ich zur Tür und hielt sie ihr auf. Sofort hörten wir Mr. Mills aus einer Ecke. „Oh, hallo!" Er hatte anscheinend die Tür gehört. Wo war er überhaupt? „Kommt ruhig her!" Wir versuchten, der Stimme durch die hohen Regale zu folgen. Da war er! Er verstaute gerade eine Vase, die wahrscheinlich aus dem Karton, der neben ihm stand, gekommen war, in einem der Regale. „Hallo, Mr. Mills!" Lya begrüßte ihn freundlich. „Bitte keine Förmlichkeiten, jetzt kennt ihr mich ja doch schon. Nennt mich Arthur!" Er lächelte uns an.

„Okay" Lya lächelte zurück. Er hatte mittlerweile die Vase eingeräumt und hatte sich zu uns gesellt. „Freut mich, dass ihr gekommen seid. Also...wollt ihr mehr über die Welt der Hexen erfahren?" Das klang wie ein schlechter Anfang für eine Tour in einem Erlebnispark, doch ich war vollkommen begeistert. „Jap!", rief ich froh. „Dann folgt mir!" Nun klang es noch mehr, wie in einem Erlebnispark, aber egal... Wir folgten ihm zu der Steinwendeltreppe von gestern. Während er die Tür zu der Bibliothek öffnete, fragte Lya: „Arthur, ist das eigentlich Ihre Bibliothek?" Er drehte sich zu uns um. „Nicht ganz... Jetzt gehört sie mir", erklärte er. Wie? Hatte er sie gekauft? Oder gestohlen? Beides konnte ich ihm zutrauen... „Setzt euch mal!" Er zeigte auf die beiden Sessel gegenüber von sich. Gestern war mir gar nicht aufgefallen, dass sie eigentlich sehr bequem waren. In der Mitte stand eine Art Couchtisch. Wieso war mir das alles gestern nicht schon aufgefallen?

Doch Arthur begann schon zu erzählen: „Wisst ihr, eure Eltern und ich haben diese Bibliothek entdeckt. Wir vermuteten, dass sie von irgendwelchen früheren Hexen erbaut wurde, also haben wir drei es als unsere Aufgabe gesehen, sie instand zu halten" Unsere Eltern? Stimmt ja, er war mit unseren Eltern befreundet gewesen... „Also waren Sie so eine Art Hexen-Freundschafts-Geheimnisaufklärungs-Gruppe?" Ich musste bei diesem Gedanken lächeln. „Ja", lachte er, „Ich war nun mal der Mensch und Juna und Billy waren Hexen, aber sonst waren wir beste Freunde!" Ich musste erneut an Kailey denken. Könnte sie unser Geheimnis auch akzeptieren und mit uns eine Geheimnisaufklärungsgruppe gründen? Nein, das war doch verrückt! Sie würde es niemals glauben geschweige denn akzeptieren... „Okay, wer ist bereit für etwas Hexengeschichte?", rief Arthur und riss mich aus meinen Gedanken. Sofort setzte ich mich so hin, dass ich ihn besser ansehen konnte und spitzte meine Ohren. Ich war ja sowas von bereit! „Ich hab so viele Fragen! Wie lange gibt es Hexen schon? Oh! Hat das was mit den Hexenverfolgungen zu tun? Oder geht das von diesen alten Heilern und Magiern aus? Oder sind wir doch Aliens?" Wow, ich redete wie ein Wasserfall... Als ich das realisierte, hörte ich schnell auf. „Das weiß ich nicht genau. Ja. Möglich. Was? Nein!" Er hatte echt alle meine Fragen beantwortet... Ich wusste doch selbst nicht mehr, was ich alles gefragt hatte!

„Also...diese Heiler...waren Hexen?" Das war alles so aufregend! Warum fand Lya das nur nicht so toll wie ich? Er nickte. „Ja, wahrscheinlich. Ich kann euch nicht alles ganz genau sagen, weil eure Eltern mir nur das erzählt haben, was...ihre Eltern wussten und da ihre Eltern nicht wirklich große Hexen waren, war das nicht wirklich viel... Ich kann euch also nur erzählen, was ich weiß..." Oh... Ich wollte aber alles ganz genau wissen! Ich musste mich wohl mit einem Teil, den Arthur wusste, und dem, was in den Büchern stand, zufriedengeben. „Aber das, was ich weiß, kann ich euch gerne erzählen! Also: Habt ihr Fragen?" Er lächelte uns an. Ich hatte hundert Fragen, die alle in meinem Kopf schwirrten! Welche war wohl die wichtigste? „Was genau ist eine Hexe oder ein Hexer?" Hatte Lya das gerade gefragt? Wollte sie jetzt doch etwas darüber wissen? Verwirrt sah ich zu ihr, doch sie lauschte nur Arthurs Erklärungsversuch.

„Naja, schwierig zu erklären... Hexen werden oft mit Zauberern verwechselt. Das sind aber zwei verschiedene Welten! Es gibt sehr viele Unterschiede. Also zu aller erst mal: Zauberer...gibt es nicht" Was? „Zauberer und Magier haben die gute, reine Magie in sich" Und was hatten wir dann für eine Magie? „Um diese Magie einsetzen zu können, benötigen sie Zaubersprüche. Aber sowas wie Magie gibt es nicht, also...kann es auch keine Zauberer geben" Wovon redete er?! „Aber was ist das dann für eine schräge Magie, die wir verwenden?" Ich sah ihn vollkommen verwirrt an. „Naja... So gesehen ist das in euch eigentlich keine Magie, ich nenne es nur immer so..." Er schweifte vom Thema ab! „Was ist es dann?", fragte ich ungeduldig. „Hexen haben, wie ihr sicher wisst, einen Pakt mit dem Teufel. Daher verwenden sie die Kräfte der Hölle" Was?! Er sagte das so, als wäre es nichts! Ich sah zu Lya, die ihn auch nur entgeistert ansah. „Das wussten wir nicht!", protestierte ich.

„Oh, was dachtet ihr, warum Hexen verfolgt wurden? Man dachte, sie würden ‚böse Kräfte' einsetzen. Habt ihr in Geschichte nie aufgepasst?" Er sah uns skeptisch an. Wer hätte gedacht, dass das einmal wichtig wurde? „Heißt das, wir haben...böse Kräfte ihn uns?" Ängstlich sah sie ihn an. „Nein!" Sofort machte Arthur eine wegwerfende Handbewegung. „Was dann?" Ich war nun auch nervös geworden. „Ihr habt zwar Höllenkräfte in euch, aber ihr entscheidet immer noch, was ihr damit anstellt. Solange ihr also nicht die Weltherrschaft an euch reißen wollt, kann euch mit diesen Kräften nichts passieren!" Ich starrte ihn einfach nur an. Was? Wieso? Ich konnte nicht mehr klar denken. Ich drückte mir kurz gegen die Stirn, damit mein Gehirn wieder zu arbeiten begann, und fragte dann: „Aber wie können wir es dann von unseren Eltern geerbt haben?"

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