Lya
Fynn lächelte mich an. Ich fühlte mich unglaublich schlecht, ihn anzulügen. Doch er wollte mir einfach nicht glauben, dass Mr. Mills ein netter, alter Mann war. Außerdem war es nicht gelogen: Ich würde ihn einweihen, bevor ich heute zu dem Geschäft ging.
Mit diesem Gedanken betrat ich die Klasse. Fynn und ich setzten uns auf unsere Plätze. Ich saß in der zweiten Reihe neben meinem besten Freund Henry und Fynn saß in der ersten Reihe, genau vor mir, neben Kailey. Henry kam immer recht spät in die Schule, was ich ihm oft vorhielt, ihn jedoch nie beeindruckte, und somit unterhielt ich mich mit Kailey und Fynn.
In der Klasse gab es zwar Viererreihen, jedoch mussten einige in der ersten Reihe sitzen, aufgrund ihrer Brillen, ihrer Körpergröße oder was auch immer... Deshalb mussten wir uns zu viert aufteilen, jedoch konnten wir immer noch gut miteinander reden. Obwohl Kailey Fynns beste Freundin war, redeten wir recht wenig. Aber Fynn redete vergleichsweise noch weniger mit Henry, als Kailey und ich. Wir waren schon ein merkwürdiger Haufen, aber ich mochte unsere kleine Gruppe.
In der Mittagspause war mir nicht nach Essen, also ging ich in die Schulbibliothek. Ich wollte über ein paar Dinge nachdenken und überlegen, wie ich Fynn heute nach der Schule abhängen konnte. Henry würde sich wahrscheinlich wundern, wo ich war, aber er hatte doch auch andere Freunde, die mit ihm aßen. Er würde in der Kantine schon mit anderen reden können. Fynn redete sowieso mit Kailey und ihren Freunden. Ich hatte mir also keine Sorgen zu machen. Es war alles gut!
Ich öffnete die Tür zur Bibliothek und empfing sofort die vertraute Stille. Wieso war ich denn so lang nicht mehr hier gewesen? Achja, seitdem Henry mich jeden Tag fragte, ob ich die Mittagspause an dem Tisch mit seinen Freunden verbringen wollte. Fynn saß immer mit Kailey und seinen Freunden zusammen. Da passte ich nicht hinein. Also hatte ich die Pausen früher immer hier verbracht. Ich hatte es vermisst! Und im Moment wollte ich sowieso ein bisschen nachdenken, da passte dieser Ort perfekt. Henry würde das schon verstehen, ich kannte ihn doch.
Ich setzte mich in eine Ecke, unter ein Fenster, und sah mich verträumt um. Ein bisschen erinnerte mich das hier an das Geschäft von gestern. Langsam wanderten meine Gedanken zu den gestrigen Ereignissen. Mr. Mills hatte uns noch etwas Wichtiges sagen wollen, bevor Fynn mich hinausgezerrt hatte. Hexen. Er hatte gemeint, wir wären Hexen. Ich musste kurz leicht den Kopf schütteln. Wir und Hexen! Das glaubte ich ihm natürlich nicht, aber ich wollte wissen, wie er darauf kam. Und außerdem konnte ich ihn dann heute Nachmittag mit meinem neuen Wissen beeindrucken!
Leise schlich ich zu den Regalen mit den geschichtlichen Büchern und entdeckte nach einigem Suchen auch eines über...Hexen. Unsicher sah ich mich noch einmal um. Keiner war hier. Es waren ja alle in der Mittagspause. Nur die Bibliotheksdame saß an ihrem Tisch und verspeiste gerade ein Brot. Sie würde mich wohl nicht bemerken, wenn ich ein bisschen darin las.
Ich wandte mich wieder dem Regal zu und sah nach Büchern, die sie über Hexen hatten. „Die Hexenverfolgung in der Stadt Osnabrück" hieß eines. Osnabrück? Wo war das denn? Ich sah mich weiter um. Das klang nicht nach etwas, das mir weiterhelfen konnte! Da sprang mir ein Buch ins Auge. Beschriftet war es mit „Der Hexenhammer". Es kam mir bekannt vor. Hatten wir in Geschichte schon darüber gelernt? Doch da ich mir nicht sicher war, nahm ich mein Handy und suchte danach. Ich konnte nicht glauben, was ich da las. Ich wusste, dass es um Hexenverfolgung ging, aber...das war echt schräg! Ängstlich klickte ich auf eine Weiterleitung zu „Hexenverfolgung". Ich wusste nicht, wieso ich Angst hatte. Es war vor über 200 Jahren passiert. Vielleicht war es einfach schräg, zu wissen, dass Mr. Mills mich und Fynn für so etwas hielt.
3 Millionen angebliche Hexen wurden damals gefoltert und verbrannt... Okay, das war eine Menge... Mir wurde ein bisschen mulmig, doch ich las weiter. In Mitteleuropa wurden mehr weibliche Hexen verfolgt und in Nordeuropa mehr männliche. Okay, das hieß, dass Fynn genauso betroffen war wie ich... Plötzlich las ich, dass es so etwas wie „moderne Hexenverfolgungen" in Afrika, Südostasien und Südamerika gab. Etwas ängstlich schloss ich die Seite und setzte mich wieder zurück an den Tisch. Ich wusste nicht, wieso, doch ich sah mich die ganze Zeit panisch um. Zu wissen, dass es so etwas immer noch gab, gab mir ein ungutes Gefühl... Wenn Mr. Mills uns für Hexen hielt, wer tat es dann noch? Ich wusste, dass es uns niemals betreffen würde, doch trotzdem musste ich daran denken. Die konnten genauso gut uns verfolgen...
Fynn
„Sie haben nur so ekligen Milchreis als Nachtisch...", beschwerte sich Violet, eine Freundin von Kailey.
„So schlimm ist er nicht" Lachend verdrehte ich die Augen über Kaileys Aussage. Jetzt ging die Streiterei los!
„Nein, ich meine, es ist kein guter Milchreis, sondern so ein ekliger!", versuchte Violet, sich rauszureden. Ich konnte nur lachend danebensitzen und den beiden zuhören. Wenn es um Milchreis ging, sollte man Kailey besser nicht aufregen! Daher unterhielt ich mich mit Sam, der ebenfalls an unserem Tisch saß.
„Was habt ihr denn nächste Stunde?", fragte ich, da Violet und Sam in die Parallelklasse gingen.
„Geschichte" Konnte er mir nicht mehr darüber sagen? Smalltalk hatte er wohl auch noch nie gehört.
„Mit wem denn?" Ich musste dieses Gespräch wieder ankurbeln! Wieso war das nur so schwer? Wenn Lya Smalltalk führte, sah das immer so leicht aus!
„Mit der Leicester"
„Oh, Mann...", konnte ich nur zurückgeben. Jeder hasste Miss Leicester! Jetzt taten mir die beiden wirklich leid. War das unser Gespräch gewesen? War es vorbei? Okay, na dann! Ich nahm die Plastikgabel, die neben meinem Teller lag, in die Hand und schob mir gerade Nudeln in den Mund, als Sam plötzlich etwas Unerwartetes tat. Er redete mit mir, ohne, dass ich ihm eine Frage gestellt hatte! Wow!
Genervt teilte er mir mit: „Ja, wir lernen gerade über Hexenverfolgung und so Zeug" Sofort riss ich die Augen auf und verschluckte mich beinahe an meinen Nudeln. Hexenverfolgung? Dieser alte Mann hatte doch gestern von Hexen geredet! Hatte Sam das gewusst? Nein, das hatte nichts mit seiner Aussage zu tun gehabt.
„Hey! Stirb leiser!", wandte Kailey sich lachend an mich, während ich langsam aufhörte zu husten. Warum hatte ich auch gerade essen müssen, als das Thema aufgekommen war? Erleichtert atmete ich aus und widmete mich wieder Sam.
„Hey! Wo sitzt deine Schwester eigentlich?", fragte er mich plötzlich. Ich sah hinüber zu dem Tisch, an dem Lya meistens mit Henry saß und entdeckte Henry auch gleich.
„Da drüben" Ich zeigte auf den Tisch, den ich gerade entdeckt hatte. Anscheinend hatten die beiden Mädchen neben uns die Frage mitbekommen, denn Violet rief:
„Aber ich seh' sie dort gar nicht!" Verwirrt sah ich noch einmal hinüber und merkte, dass sie wirklich nicht dort saß.
„Bin gleich wieder da" Mit diesen Worten ging ich hinüber zu Henry.
„Hey! Wo ist denn Lya?"
„Nicht hier" Verwirrt sah er mich an. Die Gruppe von Leuten um ihn herum lachte. Doch das war mir ziemlich egal.
„Das seh ich auch. Wo ist sie?" Ich gab einen genervten Blick zurück. Er hob nur die Schultern und meinte:
„Ich weiß es nicht" Wo war sie nur?
Ohne noch etwas zu sagen, ging ich los, um sie zu suchen. Vielleicht war ihr ja was passiert... Vielleicht war sie immer noch sauer und war jetzt wieder in das komische Geschäft gegangen! Nein, so dumm war sie doch nicht. Ich rannte herum und versuchte, sie zu finden, was nicht sehr schwierig werden würde, da fast alle Schüler in der Kantine waren.
Ich hielt kurz inne und überlegte, wo Lya gerne hinging. Vielleicht war sie ja einfach nur auf dem Klo... Aber wieso hatte Henry dann nicht gewusst, wo sie war? Es regte mich einfach auf! Wo ging sie denn sonst gerne hin? Vielleicht zurück in die Klasse? Nein, die war in der Mittagspause abgesperrt. Es gab nur einen Ort, an dem sie sonst noch sein konnte!
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Hexennacht
ParanormalEine mysteriöse Nachricht. Eine rätselhafte Seitengasse. Ein eigenartiges Geschäft. Fynn und Lya sind adoptiert und entdecken plötzlich durch eine einfache Nachricht, dass sie anders sind, denn ihre leiblichen Eltern waren nicht so normal, wie sie...