- oo2 -

4.1K 286 217
                                    

Eine Woche ist nun vergangen seit dem Outing meinerseits. Vor einer Woche hat meine Mutter mich als krank abgestempelt. Was mein Vater darüber denkt, hat er noch nicht gesagt, aber anhand seiner vernichtenden Blicke die er mir am Abendbrotstisch zuwirft, ist es nicht schwer zu erraten, dass er der gleichen Ansicht wie meiner Mutter ist.

Ich könnte mich immer noch schlagen, dafür, dass ich so töricht war und es meinen Eltern gesagt habe. Es wäre ja auch zu schön um wahr zu sein, wenn meine christlichen Eltern einen homosexuellen Sohn ohne weiteres akzeptieren. Das passiert doch nur in Märchen.

Ich bin meinen Eltern natürlich so gut wie möglich aus den Weg gegangen, mein Stolz lässt es einfach nicht zu, sie weiterhin normal zu behandeln, nur Jihyun ist wie immer.

Gerade lasse ich mich nach einem anstrengenden Block Mathe am Unbeliebten-Tisch in der Cafeteria unserer Schule neben Seokjin fallen. Nach dem meine Mitschüler Wind davon bekamen, dass ich schwul bin, sind sie mir, nach ein paar Wochen Dumme-Sprüche-an-den-Kopf-klatschen, aus dem Weg gegangen. Deswegen gehöre ich nun zu den Unbeliebten und Jin gezwungenermaßen auch. Wobei ich auch nicht damit rechnen würde, dass er mich jemals alleine lassen würde, denn wir kennen uns schon seit dem Sandkasten.

„Hast du den Kartoffelbrei gesehen?" begrüßt er mich. "Der ist noch ekliger, als letzte Woche, ich glaube dort sogar etwas Grünes durchschimmern zu sehen.. ." Angewidert zeigt er mit seiner Gabel auf einen undefinierbaren Bereich seines Schulessens. "Jetzt weißt du, warum ich nie Essen bestelle, Jinnie." kommt es von mir. "Obwohl es dir gut tun würde mal wieder etwas zu dir zu nehmen, du siehst schon wieder aus, als hättest du abgenommen." zetert er wie eine Mutter mit ihren Kleinkind. "Du bist nicht meine Mum." fahre ich ihn grob an.

Es stimmt, dass ich noch weniger in der letzten Woche gegessen habe, aber das kann man mir ja schlecht verübeln. Mein bis letzte Woche minimaler vorhandener Appetit war gänzlich verschwunden und ich war froh, dass ich morgens überhaupt ein Apfel runter bekam.

"Woah, ruhig Brauner, was hast du denn verschluckt?" besorgt schaut Jin mich an, zum Glück ist er mir meinen kleinen Ausrutscher nicht böse. Manchmal benimmt er sich wie meine Mutter. Wobei mich dieses Verhalten momentan nur an meine Verhältnisse zu Hause erinnert, und er damit ohne zu wissen einen wunden Punkt trifft.

Jin weiß noch nichts von meinen Outing gegenüber meinen Eltern, denn wenn, dann würde er mich einfach nur noch mehr bemuttern. Ich habe auch erst vor ihm davon zu berichten, wenn sich bei mir zu Hause alles wieder beruhigt hat.

"Sorry.. ich freue mich einfach bloß auf ein Wochenende in meinen Bett." stoße ich aus und lasse mein Kopf auf die Tischplatte fallen.

"Schon gut. Weißt du was?" quietscht Jin auf einmal los. "Ich gehe am Wochenende mit Namjoon ins Kino." Ich hebe meinen Kopf und beobachte ihn wie er Namjoon ein paar Tische weiter verliebte Blicke zuwirft. Ich freue mich für ihn, ich konnte es nicht ertragen, wenn er mir von ihm immer etwas vorgeschwärmt hat. "Na endlich. Aber du bleibst Jungfrau, ja?" necke ich ihn. Daraufhin ernte ich nur einen bösen Blick von ihm: "Wir gehen nur ins Kino, du Pabo."

***

Nachdem uns die Schulklingel leider wieder zum Unterricht gerufen hat und ich auch die letzte Stunde, die sich wie Kaugummi hingezogen hat, überstanden habe, bin ich einer der Ersten, die die Sachen eingepackt haben. Hastig verabschiede ich mich mit einem einstudierten Handschlag von Jin, wünsche ihm viel Spaß am Wochenende und mache mich auf den Weg nachhause.

Als ich unsere Auffahrt hinauflaufe, grüße ich unsere Nachbarn, die auf ihrer Gartenbank sitzen und die Gegend beobachten. Ich beneide die beiden sehr, dafür, dass sie miteinander so glücklich sind und sich immer noch so lieben wie am Anfang. Mit meinem zukünftigen Partner wünsche ich mir auch mal, bei solch simplen Aktivitäten zufrieden zu sein, wenn ich überhaupt mal jemanden abbekomme.

Schließlich öffne ich unsere Haustür, streife mir meine Schuhe von den Füßen und lausche nach meinen Eltern.

Ich hasse Schule, habe ich das schon gesagt? Ein Glück ist es nur noch eine Woche bis zu den Ferien.

Nachdem ich mich auch meiner dünnen Jacke entledigt habe, versuche ich unbemerkt über die Treppe in mein Zimmer zu gelangen. Doch plötzlich, während ich sehnsüchtig mein Bett erwarte, höre ich ein Schluchzer aus dem Wohnzimmer, der sich stark nach meiner Mutter anhört. Wie es das Schicksal will, stolpere ich daraufhin. Leise fluchend halte ich mir mein Knie, doch mein Vater hat mich schon bemerkt und spricht zum ersten Mal seit einer Woche wieder mit mir. "Jimin komm her!"

Langsam gehe ich den Weg die Treppe zurück runter und trete ins Wohnzimmer. Meine Mutter sitzt auf der Couch und schnaubt sich die Nase. Man sieht, dass sie geweint hat, denn ihre Augenlider sind leicht geschwollen. Mein Vater steht hinter der Couch und stützt seine Hände auf der Rückenlehne ab.

Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass sie für ein Familienfoto Modell stehen, aber mich beschleicht schon eine böse Vorahnung, als ich meinen Eltern in die Augen schaue.

"Jimin, dein Vater und ich haben uns über deine... deine.. H-Homosexualität Gedanken gemacht." bringt meine Mutter raus. War ja klar, dass sie an nichts anderes mehr denken können. Allein schon wie sie das Wort ausdrückt, so voller Ekel, als wenn sie eine alte Käsescheibe mit Daumen- und Zeigefingerspitze vom Boden aufheben müsste.

Ich sage nichts und lasse meine Mutter weiter reden, auch wenn ich schon alleine wegen ihrer Ausdrucksweise an die Decke gehen könnte.

"Wir haben uns lange mit Pastor Kim zusammengesetzt und beraten lassen, was wir deswegen unternehmen können." Der Pastor unserer Gemeinde ist auch gleichzeitig so etwas wie der Seelsorger unserer Stadt und so gut wie jeder hat ihm schon mal ein Geheimnis oder eine Sorge anvertraut. Jetzt also auch meine Eltern, wobei ich nie gedacht hätte, dass ich dabei diese Sorge darstelle.

"Wir sind auf die Lösung gekommen, dass es das Beste wäre, wenn du erst einmal eine zeitlang Abstand von uns und deiner Umgebung nimmst. Daher wirst du für ein Jahr nach Busan zu einer alten Freundin von mir ziehen. Wir hoffen, dass du dort genesen wirst und andere Gedanken bekom-" "BITTE WAS?! Ihr wollt mich doch verarschen oder?" platzt mit der Kragen.

Mein Vater der bis dahin nur stumm zugesehen hat und während der Rede meiner Mutter um die Couch gegangen ist, packt mich daraufhin grob am Arm. "Park Jimin! Zügele dein Mundwerk. Das ist immer noch deine Mutter und ich kann nicht zulassen, dass du unsere Familie verseuchst und im schlimmsten Fall noch Jihyun mit deinen Flausen ansteckst. Ich dulde keine Widerrede. Du wirst unsere Entscheidung gefälligst akzeptieren. Geh sofort auf dein Zimmer und pack deine Sachen, nächste Woche geht es los. Ist ja nicht zu glauben; du erzählst uns von dieser Sünde und denkst, dass wir dich hier weiter wohnen lassen und durchfüttern werden?! Das ist doch die Höhe-"

"Jonghyun, es reicht!" ruft meine Mutter dazwischen, doch das nehme ich gar nicht mehr richtig wahr, viel zu sehr bin ich damit beschäftigt zurückzuweichen, in meine Schuhe zu schlüpfen und trotz der Tränen, die unaufhaltsam wie Wasserfälle meine Wangen hinablaufen, den Weg raus zu finden.

Raus aus meinem Zuhause, dass sich in so kurzer Zeit in die Hölle verwandelt hat. Raus; -Hauptsache weg von hier.

words: 1224

×××

Hört bitte auf in die Kommentare so Sachen wie "aber Jonghyun ist doch gar nicht so" oder "ouh Jonghyun würde sowas niemals machen.." etc zu schreiben.
Ich weiß das selber und nur, weil ich den Namen schön fand und ihn deswegen einem fiktiven Charakter in einer fiktiven Geschichte gegeben habe, ist das in keinster Weise ein Angriff an den wahren Jonghyun.
Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

just one yearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt