- o67 -

1.9K 200 35
                                    

Schulalltag ist alles andere als angenehm, weswegen ich froh bin, dass ich schon fast die ganze Woche rum und heute Freitag ist. Außerdem ist heute mein Geburtstag, weswegen doch etwas motivierter als sonst aufstehe. Als mir jedoch ein grummelnder Yoongi begegnet, sinkt meine Laune gleich wieder, denn anscheinend hat er vergessen, dass ich heute Geburtstag habe.

Trotzdem spreche ich ihn nicht darauf an, da ich keinesfalls aufmerksamkeitsgeil gelten will, und so gehen wir beide eher schweigend zur Schule.

Ich liebe meinen Geburtstag schon immer. Mir konnte an diesem einen tollen Tag noch nie irgendetwas die Laune verderben. Ich erinnere mich noch genau an meinen zwölften Geburtstag, als Jihyun sieben Jahre alt war.

Ich hatte am vorherigen Tag mitbekommen, dass meine Mutter eine wunderschöne Torte für mich gebacken hatte, bei der Jin ihr geholfen hat. Ich konnte mich nicht zurückhalten, weswegen ich in der Nacht nachgeschaut habe und das Kunstwerk im Kühlschrank bewundert habe. ‚Alles Gute' stand sogar mit Zuckerschrift oben drauf und ich habe mich wie ein Honigkuchenpferd darauf gefreut, diese Torte morgen essen zu dürfen. Dementsprechend aufgeregt war ich und konnte den morgigen Tag kaum erwarten.

Doch als es dann so weit war und ich glücklich die Treppe runtergehopst bin, habe ich meine kleinen Bruder gesehen, den ich in diesem Moment am liebsten geschlagen hätte. Er stand dort, sein Mund beschmiert und mindestens ein Viertel meiner Torte hat gefehlt.

Natürlich war ich Anfang traurig und habe sogar leicht geweint - ich hatte mich am Abend davor doch noch so drauf gefreut - aber selbst mein kleiner, verfressener Bruder konnte mir meinen Geburtstag nicht zerstören. Jin hat den Tag noch gerettet und mit mir selber einen neue Torte gebacken, was, wenn ich ehrlich bin, viel mehr Spaß gemacht hat. Ich glaube das war sogar der Tag, ab dem wir regelmäßig angefangen haben zusammen zu backen oder zu kochen, was sich ja auch nicht geändert hätte, wenn ich mich vor meinen Eltern nicht geoutet hätte, denn dadurch musste ich schließlich hier nach Busan.

Leicht lächelnd schwelge ich in Erinnerungen und bemerke gar nicht, dass wir schon an der Schule angekommen sind. Erst als Yoongi mich aus meinen Gedanken reißt, schaue ich auf. Doch statt groß mit mir zu reden, verabschiedet er sich eher von mir, mit der Begründung, dass er schon in den Klassenraum muss.

Diese kurzangebundene Art verpasst mir einen kleinen Stich im Herzen, aber ich versuche mir das nicht anmerken zu lassen und geselle mich zu Taehyung, Jungkook und Hoseok, die alle an unserem altbekannten Platz stehen. Von diesen werde ich herzlich begrüßt und beglückwünscht, was mich doch wieder etwas aufheitert.

Es ist schon ziemlich kalt zu dieser Jahreszeit, weswegen ich froh bin, als uns die Klingel erlöst und ich mit den anderen Schülern im Schulgebäude verschwinde, wo ich die warme Luft mit einem wohligen Seufzer der Erleichterung auf mich wirken lasse.

Im Unterricht überkommt mich trotzdem wieder ein doofes Gefühl, als ich daran denken muss, wir kalt und wortkarg Yoongi heute zu mir war. Vielleicht ist es albern, dass ich das anmerke, aber er hat nicht mal meine Hand auf dem Schulweg gehalten, was mich schon traurig macht, da ich doch gerade diese liebevolle Seite von ihm liebe.

Was ist denn heute bloß mit ihm los? Eigentlich hätte er mich auch gefragt, warum ich so schweigsam war - nicht, dass ich diese Art von Aufmerksamkeit hätte haben wollen - aber es ist ungewöhnlich. Und, dass er sich einfach so aus dem Staub macht, senkt meine Laune noch mehr, sodass ich teilnahmslos im Unterricht sitze und über sein Verhalten nachgrübele.

Ist irgendwas passiert? Habe ich etwas verpasst? Oder ist er bockig auf mich? Aber warum, was habe ich getan? Je mehr ich darüber nachdenke, umso komischer kommt mir sein Verhalten vor und ich entschließe mich, ihn nachher doch darauf anzusprechen.

***

Als endlich Mittagspause ist und ich somit mehr Zeit habe, mache ich mich auf den Weg zu Yoongi's Klasse, doch dort angekommen, kann ich ihn wieder nirgends ausfindig machen. Hoseok scheint meinen suchenden Blick zu bemerken und kommt kurzerhand auf mich zu.

„Na Geburtstagskind? Suchst du Yoongi?" spricht er mich an, was ich mit einem Nicken beantworte. „Der ist nach Hause, ihm geht es nicht so gut." antwortet er daraufhin und hebt zum letzen Teil des Satzes seine Hände, um Gänsefüßchen in die Luft zu malen. „Hat er dir das nicht gesagt?" hakt er nach, als er meinen verwunderten Blick sieht.

„Nein, er.. wir haben heute noch nicht so viel geredet." entgegne ich darauf leise und versuche die Enttäuschung in meinem Gesicht zu überspielen. Warum sagt er mir soetwas nicht? In mir bildet sich ein unwohles Gefühl und ich frage mich erneut, was mit ihm los ist.

„Och.." versucht Hobi mich zu trösten und streichelt mich leicht an der Schulter, da ich wahrscheinlich doch etwas geknickt aussehe. Ich bedanke mich schnell bei Hoseok und gehe zurück zu Taehyung und Jungkook in die Cafeteria, doch auch dort sitze ich nur stumm an meinem Platz, genau, wie ich die restliche Schulzeit ziemlich neben der Spur verbringe.

***

Langsam trotte ich nach Hause, als ich endlich das Schulgebäude verlassen darf. Warum sollte ich mich beeilen? Yoongi scheint mich ja nicht wirklich sehen zu wollen.

Okay, vielleicht übertreibe ich das ganze hier auch und interpretiere da einfach zu viel rein, aber diese ganze Situation zieht mich schon ziemlich runter.

Als ich letztendlich doch zu Hause ankomme, sieht es dort ziemlich verlassen aus und ich entdecke Yoongis Schuhe nicht am Eingang. Wo ist er denn?

Mit dem Gedanken, dass er vielleicht noch kommt, begebe ich mich in die Küche und mache mir einen Tee. Danach setze ich mich ins Wohnzimmer auf die Couch und schalte irgendeine Comedy-Serie ein, um die Zeit, in der ich auf Yoongi warte, zu überbrücken, doch auch nach zwei Stunden ist er noch nicht in Sicht und ich muss mir eingestehen, dass ich ihn heute wohl nicht mehr zu Gesicht bekommen werde. Als ich mir darüber klar werde, kann ich das gemeine Gefühl der Enttäuschung in meiner Brust, das mich wie ein zu kleiner Schuh drückt und welches ich schon den ganzen Tag nur schwer unterdrücken konnte, nicht mehr aufhalten und es entwickelt sich zu einem großen Kloß, der schwer auf meinem Herzen drückt. 

Ich habe mir meinen Geburtstag ganz bestimmt nicht spektakulär vorgestellt, ich bin glücklich, wenn ich liebe Menschen um mich habe. Außerdem stehe ich auch nicht auf soviel Ta-Ra, aber so, wie er diesmal abgelaufen ist, hat meine Vorstellungen doch bei weitem verfehlt.

Ich kann mich nicht mal bei Soonmin ausheulen, da diese von Freitag zu Samstag immer nicht da ist und so sitze ich hier alleine auf der Couch.

Als ich merke, dass mir bei meinen traurigen Gedanken die Tränen kommen wollen, reiße ich mich zusammen und setze mich aufrechter hin. Es bringt nichts, wenn ich mich hier jetzt im Selbstmitleid suhle. 

Ich entschließe mich dazu, noch eine letzte Folge der Serie zu schauen, welche mir auf die Dauer doch sympathisch geworden ist. Gerade, als ich ungefähr bei der Mitte angekommen bin und schon mit halbgeschlossenen Augen der Handlung folge, da ich ziemlich müde geworden bin, höre ich leise Schlüssel gegen die Eingangstür klappern und bekomme mit, wie sie sich im nächsten Moment öffnet, um mehreren Personen Eintritt zu verschaffen. 

Voller Neugier stehe ich auf, da ich vom Wohnzimmer aus nicht erkennen kann, wer dort im Flur steht. Leise tapse ich in die Küche, um von dort in den Flur zu gelangen. Als ich gerade um die Ecke biege und meine Fingerspitzen dabei die Beschaffenheit der Raufasertapete studieren, hebe ich meinen Blick.

Gleich im nächsten Moment ist meine Müdigkeit wie weggeblasen, denn, was ich dort im Flur erblicke, lässt meinen Atem stocken und mich ungläubig meine Augen aufreißen. 

words: 1281

just one yearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt