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„Sag ihm, dass du ihn liebst. Denn ich zweifele nicht daran, dass er es auch tut." äffe ich meinen besten Freund schlecht gelaunt nach, wobei es schon an ein Jammern grenzt. Zum ersten Mal in meinem Leben verfluche ich mich dafür, dass ich auf Jin gehört habe, denn das war nun wahrscheinlich die schlimmste Idee, die er hatte.

Jetzt habe ich nämlich den Salat oder besser gesagt, einen nicht vorhanden Yoongi, der weggerannt ist, nachdem ich ihm gesagt, dass ich ihn liebe. Klingt traurig und ist auch so.

Ich wische mir über meine Augen, die erneut anfangen wollen zu tränen, ehe ich mich wieder der Toilette widme. Was macht man, wenn man unter Herzschmerz leidet? Genau - das Bad putzen.

Ich habe mich nach einer Stunde mit verheulten Augen dazu entschieden, dass ich dieses Mal nicht die ganze Zeit weinen werde, nur weil Yoongi meint, mich abweisen zu müssen. Gut, wenn er meine Liebe nicht will, dann bekommt er sie auch nicht. Was bildet er sich eigentlich ein? Ich erkläre ihm lang und breit, dass ich mich dazu entschieden habe, ihm meine richtigen, aufrichtigen Gefühle zu gestehen und er antwortet mit einem einfachen 'Ich habe für sowas keine Zeit.'? Was denkt er wer er ist?

Wütend nehme ich die Klobürste zu Hand und schrubbe weiter.

„Entschuldigung, Eure Hoheit, dass ich sie mit meinen unnötigen Gefühlen belästigt habe. Das wird ganz sicher nicht wieder vorkommen." zische ich die Klobürste wütend an, ehe ich die Spülung betätige und mich dem Waschbecken zuwende, um dort weiter meinen Frust abzubauen.

Ich steigere mich hier in meine Wut rein, aber ich sehe das als einzigen Ausweg, um nicht meinen Tränen nachzugeben. Ich bin zu stolz, um wegen ihm erneut zu weinen. Und das, obwohl ich meinen Stolz schon heute Morgen verloren habe.

Ich habe mich gefühlt, als wäre ich ihm nicht würdig. Als hätte er mich wie einen lästigen Käfer zurückgelassen, wie etwas, was man nicht gerne bei sich haben möchte. Natürlich erscheint mir sein Verhalten suspekt, aber ich verschwende nur wenige Gedanken daran, warum er sich so verhalten hat. Erstmal muss ich mit meinen eigenen Gefühlen klar kommen.

Er hat für sowas keine Zeit. Für sowas? Sowas, wie Gefühle? „Uargh, ich bin der gefühlslose, kalte Min Yoongi und es ist mir vollkommen egal, dass ich meinen festen Freund zurückgewiesen habe und er jetzt vor lauter Verzweiflung das Bad zu Tode schrubbt, nur damit er nicht in Tränen ausbricht." imitiere ich ihn und mache mich ganz breit, während ich mein verzweifeltes Ich im Spiegel anschaue. Doch dadurch wird mir nur vor Augen geführt, wie erbärmlich ich doch bin.

„Es ist mir vollkommen egal, dass ich ihn unglaublich verletzt habe." wispere ich nur noch und merke schon wieder den Druck hinter meinen Augen, dem ich dieses Mal nicht standhalten kann und die Tränen ihren Weg schließlich doch meine Wangen hinunter finden, um sich mit dem schäumenden Putzmittel zu vermischen, welches zu Hauf an meinen Händen und im Waschbecken haftet.

Ganz große Klasse. Genau das wollte ich doch nicht.

***

Trotz meiner Tränen, die mir fast gänzlich die Sicht verschwimmen haben lassen, habe ich das Bad fertig geputzt - was man anfängt, muss man auch zu Ende bringen - und habe mich danach in mein Zimmer begeben.

Es ist mittlerweile Abends und auch, wenn ich momentan eigentlich nichts von Yoongi hören will, mache ich mir trotzdem Sorgen um ihn. Er hat heute Morgen fluchtartig das Haus verlassen und ist seitdem nicht wieder zurückgekommen. Mein Kopf und mein Herz streiten sich mal wieder miteinander.

Mein Kopf sagt mir ganz genau, dass er mir doch egal sein soll und, dass ich ihm nach so einer Aktion nicht hinterher kriechen soll, aber mein Herz ist da komplett anderer Meinung. Es macht sich Sorgen. Klar, es ist Winter, gestern hat es angefangen zu schneien und er ist draußen unterwegs. So, wie ich ihn kenne, hat er sich auch bestimmt nicht viel angezogen.

Um mich von meinen Sorgen um diesen Idioten abzulenken, mache ich mich auch den Weg nach unten. Soonmin hat auch frei und erst jetzt fällt mir auf, dass ich den ganzen Tag noch nichts von ihr gehört habe. Nagut, ich war auch die ganze Zeit mit mir selber beschäftigt, aber man rennt sich in diesem Haus doch eigentlich trotzdem mal über den Weg.

Ich bin gerade auf halber Strecke nach unten auf der Treppe, als ich ein merkwürdiges Geräusch aus der Küche wahrnehme. Schnell beeile ich mich auch noch die letzten Stufen hinabzusteigen, um dann in die Küche zu gehen.

Doch was ich dort vorfinde, überrascht mich, denn es ist Soonmin, die dort zusammengesunken am Tisch sitzt. Ihren Kopf hat sie in ihre Hände gestützt, sodass ich ihr Gesicht nicht erkennen kann. Ich will sie gerade fragen, ob sie das ebige Geräusch auch gehört hat, als ich ein Schniefen von ihr vernehme.

Schnell laufe ich zu ihr und lege meine Hand auf ihre Schulter, was ich lieber nicht getan hätte, da sie sich furchtbar erschrickt.

„J-Jimin?" fragt sie und ich bin erstaunt, wie leise und brüchig ihre Stimme klingt.

„Ähm, ist alles okay?" frage ich vorsichtig und setze mich auf den Stuhl neben sie, ohne meine Hand von ihrer Schulter zu nehmen. Daraufhin schaut sie mich an und ich erschrecke mich sehr bei ihrem Anblick. Sie sieht müde aus, was durch ihre feuchten Wangen bestärkt wird und auch ihre Augen sind vom Weinen leicht gerötet.

Zu sagen, dass ich geschockt wäre, ist untertrieben. Ich habe Soonmin noch nie weinen gesehen, wenn dann vor lachen, und bin dementsprechend sprachlos, wie ich jetzt damit umgehen soll. Soonmin ist für mich eine herzensgute Frau, wie meine zweite Mutter, immer froh, hell und der Sonnenschein in diesem Haus, der einen trotz schlechten Tag gute Laune bereitet.

Innerlich schwöre ich mir, die Person leiden zu lassen, die dieser Frau wehgetan hat. Sie ist ein Engel und ich möchte sie auf keinen Fall weinen sehen.

„Soonmin, kann ich dir irgendwie helfen? Was ist denn los?" hake ich nochmal nach, als sie auf meine erste Frage nicht eingeht, was sie dazu veranlasst, meine Hand von ihrer Schulter zu nehmen und diese stattdessen mit ihren beiden Händen zu umschließen.

„Weißt du, heute ist einfach kein schöner Tag. Der zehnte Dezember wird auch wahrscheinlich kein schöner Tag mehr sein. Auch nicht nächstes Jahr und übernächstes.." Sie verstummt und streicht sich mit einer Hand eine Strähne ihres schwarzen Haares hinter ihr Ohr, ehe sie ihre Hand wieder auf meine legt. Ich bin schon seit Anfang an in ihre langen Haare vernarrt. So schwarz und seidig, genau wie Yoongi's, aber so viel länger.

Yoongi hat nicht nur ihre Haare geerbt, sondern von ihr hat er auch seine blasse Haut und die dunklen Augen. Für mich hat Soonmin schon immer Ähnlichkeiten mit Schneewittchen und das meine ich keinesfalls negativ, denn genauso habe ich mir Schneewittchen immer vorgestellt. Ich finde sie einfach sehr schön.

„Warum ist der zehnte Dezember kein schöner Tag?" frage ich sanft und zögerlich nach, da ich sie zu nichts drängen will. Aber, als ich das frage, verzieht sie einmal ihr Gesicht, als hätte ich ihr wehgetan, ehe sie mir antwortet.

„M-mein.." Sie atmet einmal tief durch, als müsste sie sich für ihre kommenden Worte wappnen. „Mein Mann ist heute vor zwei Jahren ums Leben gekommen." spricht sie die grausame Wahrheit aus und ich sehe erneut ein paar Tränen ihre Wangen hinunter kullern.

„Oh Soonmin!" entgegne ich und ziehe sie instinktiv in meine Arme, wo sie auch gleich anfängt zu schluchzen. Ich streiche ihr beruhigend über den Rücken und, obwohl sie weinend in meinen Armen liegt, sind meine Gedanken sofort bei Yoongi.

Heute ist der Todestag seines Vaters und hätte ich ihn aussprechen lassen, hätte er mir das auch bestimmt gesagt, aber stattdessen habe ich ihn mit meiner dämlichen Liebe überrumpelt. Kein Wunder, dass er einfach abgehauen ist.

Meine Sorge steigt umso mehr, ich habe keine Ahnung wo er ist, aber ich weiß, dass der Tag für ihn nicht einfach ist und hoffe einfach bloß, dass er nichts dummes anstellt.

words: 1331

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