- o44 -

2.3K 260 27
                                    

Ich habe mich gestern noch lange mit Soonmin unterhalten. Sie hat mir gebeichtet, dass meine Mutter sich bereits seit langem, regelmäßig bei ihr meldet und sich über mich erkundigt. Sie ist sich nur nicht sicher, ob das eher aus mütterlicher Sorge passiert oder aber, ob meine Mutter so nur sichergehen will, dass ich auch ja kein Unsinn, der in ihrem Fall aus homosexuellen ‚Aktivitäten' besteht, anstelle.

Ich habe das ganze mit gemischten Gefühlen betrachtet. Einerseits bin ich froh, dass meine Mutter mich nicht komplett abgeschoben hat und sich nach mir erkundigt, andererseits finde ich ihr Verhalten natürlich total daneben. Warum hat sie mich überhaupt erst weggeschickt, wenn sie sich anscheinend solche Gedanken um mich macht? Warum ruft sie mich nicht selber an? Beziehungsweise, warum legt sie einfach auf, wenn sie dann doch die Chance hat mit mir zu reden?

Der Streit, der gestern zwischen Soonmin und meiner Mutter entstanden ist, rührt daher, dass Soonmin es einfach nicht leiden kann, dass meine Mutter das alles so im geheimen macht. Außerdem hat Soonmin mir mehr als deutlich gemacht, dass sie die Vorgehensweise meiner Eltern für totalen Mist hält. Generell diese Schwulenfeindlichkeit. Sie findet es zwar nicht unbedingt so gut, wenn man auf Männer steht, aber etwas dagegen hat sie auch nicht. Dennoch bezweifele ich, dass sie es akzeptieren würde, wenn sie wüsste, dass ich auf ihren Sohn stehe.

Gestern habe ich außerdem, nachdem wir uns eine Gute Nacht gewünscht haben, an Yoongi's Tür gelauscht. Nicht, dass er was geheimes gemacht hat, er hat einfach nur wunderschön Klavier gespielt. Wäre ich in sein Zimmer gegangen, hätte er sehr wahrscheinlich aufgehört. Was auch immer das für ein Lied war, es hat perfekt zu meiner Stimmung gepasst, es war so leidenschaftlich und schmerzvoll, ich hätte nie geglaubt, dass Yoongi mit Musik solche Gefühle ausdrücken kann. Er kann unglaublich spielen. Das Lied hat mich erneut zu Tränen gerührt und ich hatte eine heftige Gänsehaut an den Armen, einfach weil das Lied so schön war.

Heute ist Soonmin wieder bei der Arbeit und wird, wie auch sonst, über Nacht wegbleiben. Yoongi hat mir am Vormittag schon gesagt, dass heute Abend ein paar seiner Freunde, darunter auch Jungkook und Taehyung, zu uns kommen werden. Ich werde mich dann einfach in meinem Zimmer verkrümeln, denn auf Gesellschaft habe ich nicht wirklich Bock. Und wenn dieser komische Freund von Yoongi wieder dabei ist, werde ich mich auch viel zu sehr anstrengen müssen, meine Eifersucht unter Kontrolle zubekommen. So wie ich Taehyung kenne, wird er mich dennoch mit in die Runde schleppen, aber ausprobieren kann ich es ja trotzdem.

Yoongi ist gerade ein bisschen Alkohol einkaufen, von dem ich ganz sicher nicht viel trinken werde und das meine ich dieses Mal auch wirklich ernst. Ich kann mir nicht wieder erlauben, nicht mehr Herr meiner Sinne zu sein. Ich werde eher die Mama spielen und aufpassen, dass die anderen nicht allzu großen Unsinn anstellen. Zwar meinte Yoongi, dass nicht viele Menschen kommen werden, aber man weiß ja nie.

Solange ich kann, besetze ich also noch das Wohnzimmer und ziehe mir irgendwelche Filme rein, ehe auch schon der Abend hereinbricht und die ersten an der Tür klingeln, weshalb ich mich schnell nach oben verziehe.

Doch schon eine halbe Stunde später klopft es an meiner Tür und Taehyung kommt mit Jungkook im Schlepptau reingeplatzt. „ChimChim, was machst du denn hier oben? Komm mit runter." ruft Taehyung und packt mich am Handgelenk, woraufhin Jungkook mir nur einen entschuldigenden Blick schenkt. „Ehrlich Leute, ich habe nicht so Lust dazu." jammere ich, während wir die Treppe runterstolpern und ich ins Wohnzimmer geschubst werde.

Als ich mich umblicke, sehe ich neben Yoongi noch diesen widerlichen Typen, dessen Name ich immer noch nicht weiß und zwei weitere Typen, die sich mir als Jaemin und Jungsu vorstellen. Ich erinnere mich daran, dass ich Jaemin bereits auf meiner Schule gesehen habe und nach kurzen Überlegen fällt mir auch ein, dass ich Jungsu aus dem Café kenne. Er war der Typ, den ich mit Jiwoo verkuppeln wollte. Kai ist auch hier und sogar Jiwoo und Pina, die mit Hoseok zusammen gekommen sind, worüber ich mich wirklich freue, denn dann besteht die Runde nicht nur aus Jungs. Also insgesamt elf Leute, noch überschaubar.

Wir setzen uns alle ins Wohnzimmer, die meisten auf den Boden, weil wir nicht genug Sitzgelegenheiten haben. Pina wird von Hoseok auf den Schoß gezogen, was ich mit einem Schmunzeln betrachte. Dieses vergeht mir jedoch, als ich sehe, dass sich Haekwon, der Typ, der auf Yoongi steht und dessen Namen ich durch Taehyung erfahren habe, neben Yoongi auf die Couch quetscht. Ich setze mich zu Jiwoo auf den Boden und unterhalte mich mit ihr, wobei sie sich eher mit Jungso unterhält, der auf ihrer anderen Seite sitzt und ihr ganz verliebte Blicke schenkt. Im Hintergrund spielt Musik, wozu Kai und ein paar andere tanzen.

Wenn ich ausblende, dass Haekwon Yoongi mit seinen Blicken auszieht, ist es eigentlich eine ganz angenehme Stimmung. Nach einiger Zeit schlägt jedoch blöderweise Jaemin vor, dass wir doch ein Spiel spielen könnten. Da alle, außer mir und Jiwoo, die auch nur ein wenig getrunken hat, schon angeheitert sind, stimmen sie natürlich zu. Die meisten stimmen für ‚Wahrheit oder Pflicht', worüber ich nur die Augen verdrehen kann. Und die sollen nächstes Jahr schon mit der Schule fertig sein?

Trotzdem mache ich mit, da ich nicht als Spielverderber abgestempelt werden will. Die ersten Runden verlaufen ruhig, der ein oder andere muss irgendwen küssen oder sein Oberteil ausziehen und ich bin froh, dass ich nur von Pina auf die Wange geküsst werden musste. Hoseok hat das ganze nicht wirklich gefallen und er hat Pina, kaum, dass sie wieder auf seinem Schoß gesessen hat, besitzergreifend festgehalten, woraufhin Jiwoo und ich uns vielsagende Blicke zugeworfen haben.

Allerdings dreht sich die Flasche gerade wieder und zeigt, wie das Schicksal es will, schließlich auf mich. Ich wähle Pflicht und Jungkook, der mir eine Aufgabe stellen muss, schaut mich grinsend an. „Ich hab eine gute Aufgabe für dich. Du musst jemanden zehn Sekunden auf den Mund küssen."


words: 1005

just one yearWo Geschichten leben. Entdecke jetzt