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Am Frühstückstisch plagt mich mein Gewissen, da ich mich ja nicht mal ordentlich entschuldigt habe. Obwohl er mich, wenn man es recht bedenkt, ja eigentlich provoziert hatte. Als er schließlich aufsteht und durch die Haustür geht, um sich auf den Weg zu Schule zu machen, beeile ich mich also um ihm zu sagen, dass es keine Absicht war, ihn körperlich zu verletzten, von innerlich verletzten war ja nicht die Rede, obwohl ich bezweifele, dass dieser Eisklotz überhaupt Gefühle besitzt.

„Yoongi, warte!" rufe ich quer über die Straße. Dieser bleibt überraschenderweise sogar stehen, aber umdrehen tut er sich nicht. Als ich bei ihm angerannt komme, gehe ich vor ihn, um ihn anzuschauen, und fange stotternd an eine Entschuldigung zu formulieren. „Äh also ich, ähm, wegen vorhin; das wollt ich nicht, sorry." Starke Leistung, Jimin! Wirklich toll gemacht. Innerlich schlage ich mir meine Hand gegen die Stirn, doch Yoongi guckt mich an, zuckt mit seinen Schultern haucht ein leises „Schon okay.". Das war ja einfacher, als gedacht.

Da mein Gewissen jetzt beruhigt ist und ich die Sache für abgehakt halte, drehe ich mich in die Richtung, in der die Schule liegt und will losgehen, als Min Junior mich aber davon abhält. „Wo willst du hin, Kleiner?" fragt er mich, jetzt wieder mit einem süffisanten Grinsen im Gesicht. „Hier geht's lang, das ist eine Abkürzung." sagt er und deutet auf eine Seitenstraße. Da sie tatsächlich in der richtigen Richtung liegt, mache ich mich also auf um dort lang zu gehen, doch als ich merke, dass er mir nicht folgt, drehe ich mich fragend wieder um. „Mir fällt grad ein, dass ich noch was vergessen habe. Geh schon mal vor, einfach geradeaus und dann rechts." antwortet er auf meinen Blick und flitzt zurück zum Haus.

Während ich also dem Straßenverlauf folge, wundere ich mich, warum ich noch nicht die Schule sehe. Nach einer viertel Stunde wird es mir schließlich zu blöd und ich muss mir eingestehen, dass dieser Bastard mich reingelegt hat. Ich versuche meine Wut auf ihn herunterzuschlucken und spreche kurzerhand einen Jungen an, der auf einer Bank sitzt, und konzentriert auf seinem Handy tippt. „Hey, Entschuldigung. Weißt du wo die Samkagsan-Hauptschule ist?" frage ich ihn. Er guckt mich einen Moment lang verwirrt an, bis sich sein Blick aufhellt und er mir dann mit einem strahlenden Lächeln antwortet: „Hi, na klar, ich muss da auch hin. Wenn du willst, können wir zusammen gehen!". Lächelnd stimme ich zu.

***

„Ich hab dich hier noch nie gesehen. Bist du neu?" fragt mich der Junge, der sich mir als Taehyung vorgestellt hat, nachdem wir eine Weile gegangen sind. Daraufhin erkläre ich ihm meine Situation.

Ich habe mir überlegt an meiner neuen Schule nicht zu verbergen, dass ich schwul bin, damit mir nicht das Gleiche wie an meiner Alten passiert, aber zum Glück nimmt Taehyung das ganze locker auf. Natürlich hat er sich lautstark über meine Eltern aufgeregt, was mir mal wieder vor die Augen führt, wie ungerecht das alles doch ist. Warum sieht jemand wildfremdes, wie er, sofort ein, dass meine Eltern unfair sind, aber sie selber tun so, als wäre es total normal den eigenen Sohn abzuschieben, bloß weil er nicht hetero ist?

Taehyung und ich lassen uns Zeit auf dem Weg zur Schule, da ich eh nicht mehr pünktlich kommen werde und Taehyung, wie er mir erzählt hat, die ersten beiden Stunde frei hat. Wir kommen angenehm ins Gespräch und ehe ich mich versehe sind wir auch schon an der Schule angekommen. Tae ist echt ein cooler Typ und mal abgesehen davon, dass ich mich freue gleich einen Freund gefunden zu haben, komme ich nicht umhin seine übernatürliche Schönheit zu bestaunen. Aber ihm scheint mein auffälliges Starren wohl nichts auszumachen, denn immer wenn er mich dabei erwischt, schenkt er mir nur ein strahlendes Lächeln. Generell ist er ein Strahlemann und ich möchte ihn schon jetzt nicht mehr missen, da sich durch ihn mein Leben in dieser letzten Stunde um einiges fröhlicher anfühlt.

Nachdem wir noch Nummern ausgetauscht haben und er mich vor dem Sekretariat sogar mit einer Umarmung verabschiedet hat, klopfe ich zaghaft an die Tür. Dahinter erwartet mich untypischerweise eine etwas jüngere Frau mit langen roten Haaren und einem ausgefallenen Kleidungsstil. Ich erkläre ihr den Grund für meine Verspätung, natürlich sage ich nicht, dass Min Idiot-Junior mich in die Irre geführt hat, sondern ändere das ganze etwas ab, und sie schreibt mir glücklicherweise einen Entschuldigungszettel. Dazu bekomme ich noch meinen Stundenplan und mache mich auf den Weg in die zweite Etage.

Zu meinem Glück nickt der Lehrer, bei dem ich jetzt Unterricht habe, meine Verspätung nur ab und nimmt mir sogar das ätzende Vorstellen vor der Klasse ab.

***

Mittlerweile ist die letzte Stunde vor der Mittagspause angebrochen und ich sitze neben einem braunhaarigen Jungen, der nicht viel redet, mir aber ab und zu ein schüchternes Lächeln schenkt. Immerhin habe ich herausbekommen, dass er Jungkook heißt und auch mit Taehyung, den ich ja bereits kenne, befreundet ist. Da wir gerade Mathe haben, bekomme ich mit, dass Jungkook echt schlau ist, sich aber trotz dessen nicht meldet, obwohl er alle Aufgaben richtig hat. Als ich ihn darauf anspreche, zuckt er bloß mit den Schultern und entgegnet darauf „Ich red nicht so gern mit Lehrern.". Ja, da kann ich ihn gut verstehen, obwohl es ja auch nur Menschen sind. Nachvollziehen, warum man nach der Schule in die Schule zurückkehren will, kann ich bei der Berufswahl dieser Menschen jedoch nicht.

Endlich ertönt die Schulklingel und ich mache mich mit Jungkook zusammen auf den Weg zu Taehyung in die Cafeteria. Als wir ihn an einem Tisch sitzend vorfinden, fängt er wieder breit an zu grinsen. „Wie ich sehe, hast du meinen Lieblingskookie schon kennengelernt, Jimin." deutet er auf Jungkook, welcher leicht verlegen seinen Blick senkt. Lieblingskookie - Wie süß.

Ich setze mich zu Taehyung, während Jungkook sich auf den Weg zur Essensschlange macht um sich sein Mittagessen zu besorgen. Ich habe am ersten Tag noch kein Essen bestellt und muss deshalb leer ausgehen, aber als Taehyung meine sehnsüchtigen Blicke bemerkt, schiebt er mir leise lachend seinen Schokopudding rüber. „Woah, danke!" freue ich mich und fange auch gleich an diesen in mich rein zuschaufeln.

„Ich mag dein Lachen, Jimin!" entkommt es Taehyung plötzlich und ich starre ihn nur an, da ich nicht weiß, was ich von dieser plötzlichen Aussage halten soll. „Äh, danke, schätze ich?" nuschel ich mit halbvollem Mund und schenke ihm ein schiefes Lächeln.

Als Jungkook zurück kommt, sehe ich etwas weiter hinter ihm Yoongi mit einem Typen, wie die beiden sich ebenfalls Essen holen. In mir kommt die Wut hoch und ich muss mich beherrschen nicht aufzuspringen und ihn hier und jetzt zu verprügeln.. oder es zumindest zu versuchen. Jungkook beginnt seine Suppe zu löffeln, während er sich mit Taehyung unterhält. „Jimin? Was guckst du denn so griesgrämig?" schreckt mich Tae aus meinen mentalen Attentaten auf Yoongi. „H-Huh, was?" stottere ich. Plötzlich kommt mir eine Idee und ich mache mich mit einem ‚Tschuldigung muss kurz was erledigen.' unauffällig auf den Weg zu Yoongi.

Das kann ein Spaß werden.

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